Die Familie Cetty aus Südafrika besucht zum ersten Mal das Stuttgarter Frühlingsfest. Foto: Oskar Eyb

Warum die Wirte beim Besuch von Minister Wolfgang Schäuble protestieren, warum eine Familie aus Südafrika vom Wasen begeistert ist und wo „für Toleranz“ Bier getrunken wird – dies steht in unseren Geschichten vom Frühlingsfest.

Stuttgart - Kommt man einander beim Bier näher? Für Konfliktstoff ist gesorgt, wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Montag das Frühlingsfest besucht. Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat das Grandl-Zelt komplett reserviert. 4000 Wirte und Hoteliers aus allen Teilen des Landes werden zum Feiern und zur politischen Kundgebung erwartet. Auf die im Bierzelt üblichen Kommandos „Prost, ihr Säcke – prost, du Sack“ dürfte aus Rücksicht vor dem hohen Gast verzichtet werden. Aber deutliche Worte werden trotzdem fallen. Denn für die Branche läuft es nicht gut. Vom Minister erhoffen sich die Wirte und Hoteliers Unterstützung für ihren Wunsch nach einer flexibleren Arbeitszeitregelung. Nicht eine genaue Zahl der Personalarbeitsstunden am Tag sollte festgelegt werden, so die Forderung, sondern die der gesamten Woche. Zudem setzen sich die Wirte für einen reduzierten Mehrwertsteuersatz ein, wie er in Hotels und für To-go-Speisen gilt. „Es ist nicht einzusehen, dass man für eine Wurst im Gehen weniger Steuern zahlt als für eine Wurst im Sitzen“, so Dehoga-Sprecher Daniel Ohl.
Konsul und Hotelier Helmut Schweimler glaubt, dass Schäuble heftigen Gegenwind spüren wird. Der Bitte der Restaurantbetreiber, sie im Vergleich zu europäischen Nachbarn nicht schlechter zu behandeln, will dieser nicht nachkommen. In einem Brief an Schweimler erteilte der Minister im März der Forderung nach ermäßigter Besteuerung aller Restaurantumsätze eine „klare Absage“. Unverständlich für Schweimler: Trinkt er einen Espresso in Straßburg, zahlt er 7,2 Prozent Mehrwertsteuer – in Baden-Baden dagegen 19 Prozent.

Wasenbesuch aus Südafrika

Deutschland wollen sie in drei Wochen erleben: In Johannesburg, der Vier-Millionen-Stadt in Südafrika, lebt Thersten Cetty mit Frau und zwei Kindern. Jetzt ist die Familie dabei, in ihrem Urlaub Germany kennenzulernen. Das Frühlingsfest auf dem Wasen darf dabei nicht fehlen. Was in Deutschland besonders sehenswert ist, bekommt Cetty bei seiner Internetrecherche heraus. Für einen Tag der Deutschlandreise weilt er mit den Seinen am Neckar. Was der Grund dafür ist? „Hier ist Jürgen Klopp geboren“, sagt der 39-jährige Fußball-Fan Cetty. Die Herkunft des Trainers von Liverpool ist schon eine Zugfahrt nach Stuttgart wert - von Frankfurt, wo die Familie gerade im Hotel abgestiegen ist. Aber nur zwei Orte sind’s, für die sich die Cettys bei den Schwaben interessieren: Nach dem Besuch des Mercedes-Museums ging’s zum Bummel auf dem Frühlingsfest. Klar, der Papa will unbedingt mal ein deutsches Bierzelt von innen sehen. Am Abend geht’s nach Frankfurt zurück.

Trinken für Toleranz

Zum „Perspektivwechsel“ ruft der CSD in diesem Jahr in Stuttgart auf. Das Motto, so erklärt Organisator Christoph Michl, sei „als Einladung“ zu verstehen, über festgefahrene Standpunkte nachzudenken. „Jeder muss in der Lage sein, Perspektiven zu wechseln“, findet er, „nur so können wir die Haltung anderer verstehen.“ Keinen Wechsel freilich gibt es auf dem Wasen, was Traditionen angeht. Hähnchen bleiben dort ohne Perspektive. Und Schwule und Lesben treffen sich wie seit 20 Jahren im Wasenwirt-Zelt zum wilden Feiern. Diesmal steigt am 4. Mai, 18 Uhr, die Gaydelight-Party. Trinken für Toleranz! Ein Euro pro verkaufter Maß Bier geht an die Interessengemeinschaft des CSD Stuttgart. Eine Solidaritätsmaßnahme der Wirte, der Weeber-Brüder, die zwar das Nacktmodel Micaela Schäfer vom öffentlichen Baden in der Bierwanne durch kurzfristiges Ausladen erfolgreich abgehalten haben, aber am Höhepunkt im schwul-lesbischen Festkalender natürlich festhalten. Die letzten freien Plätze können online unter www.wasenwirt.de gebucht werden.