Noch sind die Musiker nicht da: Unsere Leser auf der Bühne des Zelts. Foto: Lichtgut/Oliver Willikonsky

Damit sich die einen vergnügen können, schaffen die anderen. Und das meist im Verborgenen. Leser unserer Zeitung durften einen Blick hinter die Kulissen des Hofbräu-Zelts werfen.

Stuttgart - Gemeinhin reden die Wirte beim Cannstatter Volksfest ungern über ihr Geschäft. Ihnen Zahlen entlocken zu wollen ist beinahe so unmöglich wie den Mönch eines Schweigeordens zum Reden zu bewegen. Wirt Hans-Peter Grandl hat nun eine Ausnahme gemacht. Er und sein Kommunikationsberater Achim Mayer führten zehn Leser und Leserinnen unserer Zeitung durch sein Zelt auf dem Wasen, zeigten Bühne, Bierböcke, Logen und beantworteten alle Fragen. Auch die zur Gelddruckmaschine, die so ein Zelt nach landläufiger Meinung ist. Doch dazu später mehr.

Ganz sicher allerdings haben die Wirte keine Zeitmaschine. Deshalb zeigte Mayer auf einem Laptop Bilder vom Aufbau. Drei Monate dauert es, bis das Zelt steht. Oder wie es Grandl nennt, „mein Tempel“. Zunächst werden die Streben montiert, dann das Gerüst nach oben gezogen. Auf dem Boden werden 15 Kilometer Stromkabel gezogen, Gas- und Wasseranschlüsse montiert, Bodenplatten gelegt, Küchen, Bierböcke und Tanks eingebaut, die Fassaden angebracht, die Logen gebaut, Tische und Bänke aufgestellt. Hunderte von Leuten legen Hand an, bis das erste Bier gezapft wird.

Ein Zapfer bewegt zehn Tonnen Gewicht am Tag

Mayer: „Wir haben 70 000 Liter Bier an Bord.“ 46 000 Liter Volksfestbier, 16 000 Liter Weizen, 6000 Liter alkoholfreies Bier, dazu kommen Pils, und natürlich Sprudel, Cola, Fanta. Ein Krug wiege übrigens 1,2 Kilo, dazu kommt der Liter Bier, also noch ein Kilo. „Ein Zapfer bewegt bis zu zehn Tonnen Gewicht am Tag“, sagt Grandl. Bedienungen tragen bis zu 14 Krüge, obschon dies die Berufsgenossenschaft nicht gerne sieht, mehr als zehn sollen es nicht sein.

Wer viel schleppt, verkauft auch viel. Ist so ein Zelt also doch eine Gelddruckmaschine? Fixkosten in Höhe von 2,3 Millionen Euro habe er, sagt Grandl. Die fallen in jedem Falle an, und zwar, bevor er ein Bier verkauft hat. Dazu kommen variable Kosten, das sind Löhne, Energie, Wareneinsatz. Die über 50 Ordner kosten allein 160 000 Euro. 450 Menschen arbeiten im Zelt. Deshalb muss, wer einen Tisch reserviert, auch Marken für Getränke und Essen abnehmen. Das sorgt dafür, dass die Leute tatsächlich kommen, und man hat schon vor dem Fest Einnahmen und kann etwa die Handwerker bezahlen, die das Zelt aufbauen. Grandl: „Wir haben 17 Tage Zeit, uns zu refinanzieren, das unternehmerische Risiko ist sehr hoch.“

Der Wirt braucht eine Terrorversicherung

Deshalb hat er eine Terrorversicherung abgeschlossen. Ohne geht es nicht. Sollte das Volksfest abgesagt werden, weil es anderswo einen Anschlag gegeben hätte, müsste er seine Fixkosten von 2,3 Millionen Euro trotzdem zahlen, hätte aber keine Einnahmen. Ohne Versicherung wäre dies der Ruin. 2001 hat man nach den Anschlägen von New York überlegt, das Volksfest abzusagen. Es fand statt, die Leute hatten indes keine Lust aufs Feiern. Grandl hat 2000 angefangen, die Kollegen Klauss im Dinkelacker-Zelt just im Jahre 2001. Eine schwierige Situation, wenn man weiß, „dass du die ersten drei Jahre ohnehin nur Verlust machst“.

Man braucht einen langen Atem. Den hat er. Mittlerweile verdient er Geld, davon darf man ausgehen. So leistet Grandl sich, dass er fürs Essen im Einkauf mehr zahlt, weil es bio ist. Sein Fleisch bezieht er von der Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall. Die Hähnchen sind allerdings nicht bio, sie kommen aus Plüderhausen, leben in Bodenhaltung. Bio-Hähnchen gibt es nicht in ausreichender Menge, das größte Problem aber ist, dass sie zu unterschiedlich sind. Wer 6000 Leute auf einmal speisen will, der ist darauf angewiesen, dass alles ruckzuck geht. Mayer: „Bei anderen Gerichten können sie das in der Küche regulieren.“ Bei Hähnchen am Spieß gehe das nicht. Ist das eine zu groß, das andere zu klein, ist das eine am Ende zu trocken, das andere noch nicht fertig. Noch suche man eine Lösung.

Das Ziel: Ein klimaneutrales Zelt

Gefunden haben sie eine für den Energieverbrauch des Zeltes. 35 000 Kilowattstunden verbrauchen sie in 17 Tagen, das entspricht 70 Tonnen Kohlendioxid. Dazu kommen 60 Tonnen Kohlendioxid, die durch Lieferwege entstehen. Zum Ausgleich lässt Grandl Wald pflanzen auf Sri Lanka und den Philippinen. 75 Hektar sind das mittlerweile.

Zurück nach Bad Cannstatt. Eigentlich sind die zwei Stunden schon lange vorbei, da nimmt Grandl seine Gäste aus seiner Loge noch mit an die Bar. Es gibt viel zu erzählen, und unsere Leser fragen neugierig – wann erlebt man schon einmal einen Festwirt, der so offen über sein Geschäft plaudert.