Lena Hummel und Lukas Jenkner haben sich in der Trachtenmode beraten lassen. Foto: Lichtgut/Jan Reich

Ob hochgeschlossen oder im Gothik-Stil, traditionell oder als Jeans-Variante: Wir haben die verschiedensten Dirndl und Lederhosen anprobiert – und kommen zu einem klaren Ergebnis.

Stuttgart - Seit sich die Trachten in bayrischer Tradition auch in den Festzelten des Stuttgarters Frühlingsfests und des Cannstatter Volksfests ausgebreitet haben, wird über das Für und Wider immer wieder diskutiert. Für die einen sind sie ein lustiger Gag, der ein Gemeinschaftsgefühl weckt, für die anderen ein Verrat an den schwäbischen Traditionen des Cannstatter Volksfests.

Die Modedesignerin Elena Braun sieht diese Diskussion gelassen. Ihr gehört der Laden Goldknopf am Charlottenplatz in Stuttgart-Mitte, wo sie sich auf Schmuck, Knöpfe, Maßanfertigungen und Upcyclings spezialisiert hat. Was in den Zelten auf dem Wasen passiert, begreift sie eher als Motto-Partys. „So wie es zu Silvester Gatsby-Parties gibt“, sagt sie. Motto-Partys seien seit Jahren ein Trend, da füge sich der Trachtenboom auf den Volksfesten für sie bestens ein.

Am Freitag ist es wieder soweit: Das Cannstatter Volksfest beginnt und zahlreiche Trachtenträger schlendern für zwei Wochen über den Wasen. Wer noch das passende Kleidungsstück benötigt, wird nicht nur bei den Edelmarken Krüger und Angermaier fündig, auch Ketten wie Kaufhof und die Yeans Halle bieten Trachten für jeden Geldbeutel. Lena Hummel und Lukas Jenkner haben sich in der Königstraße in Stuttgart umgeschaut, bestens beraten von der Mode-Expertin Elena Braun. Zuerst geht es in die Yeans Halle, dann in den Kaufhof.

Sehen Sie in unserem Video Fakten zum Cannstatter Volksfest.

Blau-weiß-kariert: Die klassische Variante

Lena Hummel: Das erste Dirndl ist relativ schnell gefunden: Anliegend, aber nicht zu eng, mit zeitlosen und modischen Elementen, und in Blau, meiner Lieblingsfarbe in Sachen Kleidung. Mode-Expertin Elena Braun erklärt mir, dass kleine Karos, wie die auf der Schürze, immer gehen. Blumen aller Art seien in diesem Jahr wieder besonders modern. Beim Kauf sollte man auf jeden Fall bedenken, dass auf dem Volksfest reichlich gegessen und getrunken wird. „So ein Reißverschluss kann auch mal ausreißen und dann wird es verhältnismäßig teuer“, sagt die Mode-Expertin.

Bei meinem Dirndl wäre auf jeden Fall noch Platz für Göckele und Mass. Für meinen Geschmack könnte es aber etwas schlichter und länger sein.

Lukas Jenkner: Der erste Kontakt zur Trachtenlederhose ist ernüchternd. Ganz schön steif und sperrig, diese Dinger, muss ich feststellen. Zwar passt sich Leder im Laufe der Zeit an den Träger an, trotzdem bleibt das Gefühl, etwas richtig Schweres um die Hüften hängen zu haben. Doch für den Herrn geht bei den Trachten der Weg an der Lederhose kaum vorbei, sagt die Mode-Expertin Elena Braun. Die Hose setzt das zünftige, modische Signal.

Immerhin: In der Kombination mit dem blau-weiß-karierten Hemd macht die Lederhose richtig was her. Der Blick in den Spiegel motiviert, weiter nach den Trüffeln unter den Trachtenkombinationen zu suchen. Denn eines ist klar: Diese Kombination sieht hübsch aus, ist aber alles andere als gewagt und originell.

Schwarze Tracht: Abendgarderobe oder Gothik-Variante?

Lena Hummel: An und für sich ist das zweite Dirndl schön, doch Bluse und Schürze sind für mich ein No-Go. Schwarz sei zwar gerade voll im Trend, erklärt Modedesignerin Elena Braun. Frau sieht damit aber immer gleich ein bisschen gothikmäßig aus, finde ich. Bei der Schürze denke ich pragmatisch: Das Teil ist mit seinen unzähligen Schnörkeleien und Bestickungen zwar ein echter Hingucker, beim Waschen zieht der Stoff aber wahrscheinlich schnell Fäden.

Die dunkle Kombination hat natürlich auch ihre Vorteile: Man sieht nicht sofort jeden Fleck und kann auf dem Cannstatter Wasen das ein oder andere verschüttete Bier verkraften.

Lukas Jenkner: In der zweiten Kombination geht es für mich deutlich hochwertiger zu: Die Lederhose reicht bis zur Wade und ist sehr viel dunkler. Sie erinnert eher an eine Abendgarderobe, was durch die dunkle Samtweste, die ich trage, noch verstärkt wird. Bereits jetzt merke ich: Wer gerne Trachten trägt, muss mit einer Menge Knöpfen leben. Vielen Knöpfen. Und sperrigem Leder, das beim Knöpfen nur mäßig nachgibt.

Spannend: Unter der Weste trage ich ein feinkariertes Businesshemd, das ich auch problemlos in der Redaktion tragen kann. Gerade bei Männern seien viele Kombinationen mit der Alltagsgarderobe möglich, sagt Elena Braun. Unifarbene oder karierte Hemden, aber auch Accessoires wie Hals- und Einstecktücher lassen sich problemlos mit der Tracht kombinieren, findet sie.

Bunt und schrill: Die Jeans-Variante

Lena Hummel: Das dritte Exemplar sitzt nicht so gut, wie die beiden vorigen. An der Hüfte ist das Dirndl zu eng, an den Schultern zu weit. Auch die Bluse passt nicht richtig, gehört aber zum Dirndl und kann nicht durch ein anderes Modell ausgetauscht werden. Wirft man allerdings einen Blick auf den Preis, sind diese Mankos tragbar. Für unglaublich 45 Euro gibt es Dirndl und Bluse im Set.

Auch Modeexpertin Elena Braun ist perplex. An vielen Stellen entdecken die geschulten Augen der Fachfrau zwar diverse Mängel, für den Volksfestbesuch reicht die Kombination aber alle Mal aus, findet sie. „Ich könnte den Volksfestbesuch in einem teuren Teil gar nicht genießen. Da will man schließlich was tragen, was man waschen kann, um den Geruch nach Bratähnchen und Bier wieder loszuwerden“, sagt die Expertin.

Lukas Jenkner: Beim dritten Outfit ziehe ich zunächst einmal die Nase kraus und den Kopf ein bisschen ein. Bewusst haben wir uns für eine kostengünstige Variante entschieden, die in der Yeans Halle bereits im Preis heruntergesetzt ist. Für knapp 80 Euro zuzüglich Socken gibt es als Ersatz für die Lederhose eine Variante in Jeans und ein Hemd im knalligen Türkis-Karo. Ich traue mich kaum aus der Umkleidekabine.

Doch in der Verbindung mit Lenas buntem Dirndl fühle ich mich nicht mehr ganz wie ein Clown. Zugegeben: Das Outfit ist schrill und man merkt die günstige Preisklasse. Andererseits machen die fröhlichen Farben richtig gute Laune. Vor allem die Jeans-Variante der Lederhose steht mir besser als erwartet, meinen die Damen. „Ich würde vielleicht ein schlichteres Hemd wählen, aber dann gefällt es mir richtig gut“, meint die Mode-Expertin Elena Braun.

Chucks und T-Shirt: Die lässige Variante

Lena Hummel: Das vierte Dirndl gehört zu meinen Favoriten des Tages. Auffällig, aber nicht bunt, etwas länger, aber nicht zu lang. Der Rockstoff ist eher schwer und fällt schön. In Kombination mit den Chucks wirkt das eigentlich edle Dirndl lässig und passt perfekt zu Lukas’ T-Shirt-Variante. Ich würde trotzdem ein Paar Pumps vorziehen.

Wer es lieber dunkel mag, kann das Dirndl mit einer schwarzen Bluse kombinieren und der Tracht damit einen komplett anderen Look verpassen. Doch Qualität hat bekanntlich seinen Preis: Die Kombination ist mit einen Gesamtpreis von 275 Euro mein teuerstes Outfit des Tages.

Lukas Jenkner: Meine vierte Kombination kommt regelrecht flott daher: Kein Hemd, keine Weste, dafür ein T-Shirt im rustikalen Washed- und Used-Look zur wadenlangen Lederhose. Mit Tradition hat das nur noch wenig zu tun, eher mit Gaudi, Disco und Party. Wer sich so kleidet, der hat beim „Anton aus Tirol“ die Arme über den Kopf, sollte sich bei der Hochzeit im Allgäu allerdings nicht blicken lassen. Also ganz klar wasen-tauglich.

Ein großer Vorteil des T-Shirts: Es reduziert die Zahl der Knöpfe immens. Vom vielen Anprobieren der Hemden und Westen sind meine Finger inzwischen taub und wund. Das Gefummel bei den Hirschhornknöpfen und den Leder-Applikationen ist auch wenig hilfreich. Im Stillen bin ich froh, dass wir nur noch eine Kombination testen wollen.

Hochgeschlossen mit Hut: Die traditionelle Variante

Lena Hummel: Hochgeschlossen und schlicht – das letzte Dirndl war der absolute Favorit unserer Mode-Expertin Elena Bauer. Ich kann mich da nur anschließen. Obwohl hochgeschlossene Dirndl in diesem Jahr total angesagt sind, war ich zunächst skeptisch, ob mir das Teil steht. Beim Anprobieren verstehe ich, was Lukas mit der Knöpferei meint. Im Gegensatz zu den anderen Dirndl hat dieses Modell keinen Reisverschluss.

Die Mühe hat sich am Ende gelohnt: Das Dirndl überzeugt durch seine schlichten Farben und die perfekte Länge. Außerdem macht die hochgeschlossene Variante größer, was bei kleinen Trägerinnen – wie mir – durchaus von Vorteil ist.

Mein Fazit unseres Trachten-Checks: Dirndl gibt es in allen Farben, Formen und Längen. Wer die Tracht nur zum Frühlingsfest und Cannstatter Volksfest trägt, findet auf jeden Fall eine günstigere Variante, die für diesen Anlass vollkommen ausreicht und trotzdem schick aussieht. Obwohl hochgeschlossene Dirndl zur Zeit voll im Trend sind, ist das Angebot eher rar. Schade, mir gefällt diese Variante wirklich gut – vor allem in Kombination mit dem passenden Hut.

Lukas Jenkner: Das letzte Outfit ist ein Kontrastprogramm zum vorangegangenen Partylook. Die Hose ist dieselbe, in Verbindung mit dem weißen Hemd und der anthrazitfarbenen Weste wirkt sie jetzt aber gar nicht mehr wild, sondern elegant. So könnte ich auch an Feiertagen auf dem bayrischen Land erscheinen, bilde ich mir ein – und in jeder Loge der Zelte auf dem Cannstatter Wasen.

Mein Fazit unserer kleinen Reise durch die Trachtenmodewelt: Die Vielfalt ist enorm, und die Kombination Lederhose mit Karo-Hemd eine eher schnelle, aber auch etwas lieblose Lösung. Wer länger sucht und sich ein bisschen traut, findet witzige Outfits, die nicht die Welt kosten, und die sich auch gut mit der Alltagsgarderobe kombinieren lassen. Da haben es die Herren deutlich einfacher als die Damen: Die Einsatzmöglichkeiten eines Dirndls scheinen doch eher begrenzt.

Das Fazit der Mode-Expertin Elena Bauer

Das Fazit unserer Mode-Expertin Elena Bauer ist klar: Lieber ein schlichtes Basic-Dirndl kaufen, dass zur Trägerin passt, und mit Borten und Knöpfen nach Belieben aufpimpen. „Das hat auch den Vorteil, dass das Dirndl im nächsten Jahr nicht schon wieder out ist und nicht jede Zweite im gleichen Outfit rumläuft“, sagt sie.

Den Herren empfiehlt sie, sich mindestens eine Lederhose und eine Weste zuzulegen. Hemden lassen sich gut aus der Alltagsgarderobe kombinieren, Winterstrümpfe und feste Freizeitschuhe funktionieren ebenfalls. Dasselbe gilt für Hals- und Einstecktücher. „Die verleihen dem Outfit eine besondere Note.“ Im Optimalfall passe das Tuch farblich zum Dirndl der Begleitung.