Der Kinofilm "Weil du nur einmal lebst - Die Toten Hosen auf Tour" zeigt die Punkband auf und abseits der Bühne. Warum der Film gerade jetzt entstanden ist, erzählt Frontmann Campino im Interview.

Für einen Musiker ist es das Schlimmste, was passieren kann: Toten-Hosen-Frontmann Campino (56, "Tage wie diese") erlitt im vergangenen Jahr einen Hörsturz. Dieses schmerzliche Erlebnis des Musikers arbeitet die Dokumentation "Weil du nur einmal lebst - Die Toten Hosen auf Tour" auf, die am 28. März in den deutschen Kinos startet und einen Tag später mit der Veröffentlichung des Doppelalbums "Zuhause Live: Das Laune der Natour-Finale" gefeiert wird. Der Film zeigt die Mitglieder der deutschen Erfolgsband bei der Arbeit, aber auch in ihrem privaten Umfeld.

Cordula Kablitz-Post erzählt in Interviews die Geschichte hinter den Künstlern, Paul Dugdale begleitete Campino, Breiti, Kuddel, Andi und Vom mit seiner Kamera während ihrer Live-Auftritte. Warum der Hörsturz-Vorfall dem Film trotzdem gutgetan hat, was Campino durch die Doku über sich selbst gelernt hat und warum diese ausgerechnet jetzt erscheinen musste, erzählt er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

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"Weil du nur einmal lebst" setzt den Toten Hosen ein filmisches Denkmal - was bedeutet Ihnen das?

Campino: Das kann ich noch gar nicht richtig einordnen. Als ich die Möglichkeit bekam, den Rohschnitt zu sehen, war mir der Film nicht peinlich - das war für mich erst mal genug. Ansonsten konnte ich schwer nachvollziehen, was für das Publikum besonders interessant sein würde oder was vielleicht langweilt, aber ich hatte Vertrauen, dass Cordula den richtigen Weg gefunden hat. Trotzdem sind wir natürlich erleichtert, dass er so wohlwollend angenommen wird und es war uns auch eine große Ehre, ihn auf der Berlinale zu zeigen.

Sie gewähren intime Einblicke hinter die Kulissen. Hat die ganze Band sofort Ja zu dem Projekt gesagt oder gab es Zweifel?

Campino: Wir haben die Anfrage von Cordula von 2017 erst einmal abgelehnt, da war anfangs keine große Euphorie, uns von Kameras beobachten zu lassen. Am Ende haben wir dann doch Panik bekommen. Wir dachten: Die Tour läuft gut und wir sind fit, von hier an geht es bergab, also lass' uns das schnell noch festhalten. Besser jetzt als in fünf Jahren. Wer weiß, wie es dann mit uns aussieht (lacht). Ich fand es spannend, die Dokumentation einer Frau zu überlassen, die in dieser männerdurchtränkten Welt vielleicht eine ganz andere Gewichtung legt und eine emotionalere Seite bei uns entdeckt.

Es ist ein fremder Blick auf das Innerste Ihrer Bandfamilie. Haben Sie durch diese Perspektive etwas Neues über sich oder Ihre Bandkollegen gelernt?

Campino: Jeder von uns hat ein bestimmtes Bild von sich selbst und wir schlüpfen voreinander in altbekannte Rollen und Muster, die wir nach all' den Jahren kaum ablegen können. In Interviewsituationen hält sich Kuddel normalerweise sehr zurück, weil er es gewohnt ist, dass ich als erstes meinen Mund aufmache. Wenn ich dann - wie im Film - nicht da bin und man ihm Zeit gibt, sagt er auch mal, wie er die Dinge empfindet und da kommen tolle Statements. Sowas macht mich nachdenklich. Ich sollte vielleicht mit meinen Äußerungen nicht immer so vorschnell sein. Und wenn ich mich selbst auf den Bildern sehe, erschrecke ich manchmal, welchen autoritären Ton ich an den Tag legen kann.

Gab es Tabus bei den Dreharbeiten, etwas, das nicht gefilmt werden durfte?

Campino: Ganz wenige, sonst würde so eine Dokumentation keinen Sinn machen. Aber unser engstes Umfeld, Lebenspartnerinnen oder Kinder, sollten nicht im Hintergrund herumlaufen, schon aus ganz praktischen Gründen: Mein Junge ist 14, ich hätte zum Beispiel große Schwierigkeiten, Paparazzi-Bilder von ihm verbieten zu lassen, wenn er andererseits in einer Doku zu sehen wäre. Bei so einer engen Zusammenarbeit ist klar, dass man sich gegenseitig auch mal nervt, es für den Film aber natürlich spannend ist, wenn es irgendwo kracht. Wir sind dieses Risiko eingegangen. Die Filmcrew hat sich immer wieder mit uns vertragen und beide Seiten waren in der Lage, zu merken, wann sie zu weit gegangen sind. Dann hat man sich entschuldigt und einfach weitergemacht.

Ihr Hörsturz wird auch dokumentiert. War es schwer, das noch einmal zu sehen?

Campino: Zu der Zeit war es eine extrem belastende Situation für mich, zumal es keine klare Diagnose gibt, woher das kommt, ob es lautstärke- oder stressbedingt ist. Es gibt auch keine wirkliche Prognose, niemand kann dir prophezeien, ob das Gehör nach so einem Vorfall wieder vollständig hergestellt wird. Jetzt, mit etwas Abstand, ist es für mich ein unglücklicher, blöder Moment gewesen, den ich einsortieren kann. Dem Film hat er tatsächlich gutgetan, weil man sieht, dass bei uns nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, sondern man auch mal ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. Er hilft, das Leben auf Tournee zu begreifen.

Kommen da Zweifel auf, welchen Weg man gegangen ist und was man seinem Körper jahrelang angetan hat?

Campino: Solche Überlegungen gibt es, aber man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Mit dem Wissen von heute hätte ich viele Dinge in meiner Jugend unterlassen, aber ich muss mit den Konsequenzen leben und schaue lieber nach vorne als zurück.

Sie sind bekannt für Ihr politisches Engagement. Werden Sie denn Angela Merkel vermissen?

Campino: Das wird sich zeigen. Je nachdem wer ihr Nachfolger wird und wie sich die politische Lage entwickelt. Jetzt schon eine Bilanz zu ziehen, halte ich für zu früh.