Alexander Riffler lichtet mit einer selbst gebauten Camera obscura ein Cabriolet Citroen DS ab. Foto: Gottfried Stoppel

Um die fünf Minuten braucht Alexander Riffler für einen Schnappschuss. Denn der Fotograf aus Waiblingen lichtet seine Auto-Models mit einem besonderen Apparat ab: einer Camera obscura. Ein begehbares Modell will er zur Gartenschau in seine Heimatstadt bringen.

Waiblingen - Wenn Alexander Riffler einen Schnappschuss macht, dann dauert das je nach Wetterlage und Lichtverhältnissen zwischen drei und fünf Minuten. Denn der 67-jährige Waiblinger Fotograf greift bei seinem aktuellen Projekt, für das er seit anderthalb Jahren verschiedenste Autos ablichtet, nicht zum Handy oder zur digitalen Kamera. Stattdessen hat er sich auf eine schon in der Antike bekannte Vorläuferin heutiger Fotoapparate besonnen: die Camera obscura.

Ein Kasten mit einem kleinen Loch, durch welches Licht in den dunklen Innenraum fallen kann – viel mehr ist an einer Camera obscura, die auch als Lochkamera bekannt ist, nicht dran. Das Modell Marke Eigenbau, das Alexander Riffler für seine Fotoshootings benutzt, ist eigentlich eine 40 auf 50 Zentimeter große Transportbox für Fotoausrüstungen. Diese wird dank eines klitzekleinen, exakt 0,7 Millimeter messenden Löchleins in einer Seitenwand selbst zur Kamera.

Mit Stativ und Stoppuhr

Im Inneren des Kastens, an der Wand gegenüber des kleinen Lochs, befestigt Alexander Riffler mit Magneten ein großes Stück Barytpapier. Dann hievt er seine etwas sperrige Camera obscura auf ein Stativ, richtet das Loch auf sein Motiv aus, stellt die Stoppuhr seines Handys – und wartet.

„Es braucht halt seine Zeit“, sagt der 67-Jährige über diese etwas andere, entschleunigte Art des Fotografierens, die für ihn einen ganz besonderen Reiz hat. Der liegt für den Waiblinger, der als Dozent an der Kunstschule Unteres Remstal unterrichtet, in den erstaunlich detailscharfen und gleichzeitig auf das Wesentliche reduzierten Aufnahmen mit ihren vielfältigen Grautönen. Dass die Camera obscura ein auf den Kopf gestelltes, spiegelverkehrtes Negativbild erzeugt, macht ihre Bilder ungewöhnlich und für den Betrachter noch interessanter. „Man kommt von der funktionalen Betrachtung des Autos weg und schaut plötzlich auf ganz andere Sachen“, berichtet Alexander Riffler, der auch die Größe der Lochkamera-Bilder zu schätzen weiß: „Wenn man so große Bilder macht, ist man nach dem Entwickeln selbst überrascht, was auf den Fotos alles auftaucht.“

Apropos Entwickeln: das läuft wie in der guten alten Zeit, in einer Dunkelkammer, wo Alexander Riffler das belichtete Fotopapier in diversen Chemieschalen badet und so entwickelt, fixiert und wässert. Manchmal, wenn er mit dem Ergebnis gar nicht zufrieden ist, packt er seine Fotobox erneut ins Auto, fährt zum Ort des Fotoshootings und legt nochmal von vorne los.

Die Göttin schwebt über dem Asphalt

An diesem Nachmittag aber hat Alexander Riffler sein Fotomodell gleich nach dem ersten Anlauf im Kasten: Der Oldtimer Baujahr 1969, Marke Citroën, Modell DS Cabriolet, scheint auf dem Foto einige Zentimeter über dem Erdboden zu schweben – sehr passend für ein Auto, das im Französischen als déesse, also Göttin, bezeichnet wird. Das grünlackierte Schmuckstück mit schwarzen Ledersitzen gehört Peter Rech, der in Hegnach mit Autos handelt – und zwar nach eigenem Bekunden „am liebsten mit Autos, die die Welt nicht braucht“. Solche Klassiker haben bei Alexander Riffler ebenso Chancen, wie Alltagsfahrzeuge, Motorräder und Traktoren, um die der 67-Jährige seine Reihe ergänzen will. „Anfangs dachte ich, ich muss nach Berlin fahren, um an besondere Exemplare ranzukommen. Nun weiß ich: es gibt auch hier Unmengen von interessanten Autos und interessanten Menschen, die sie sammeln“, sagt Riffler, der seine Fotos bald in einer Ausstellung präsentieren will.

Um noch mehr Menschen für die Camera obscura zu begeistern, plant Alexander Riffler, in Waiblingen pünktlich zur Remstal-Gartenschau ein begehbares Modell aufzustellen, am besten im Umfeld der Galerie Stihl. „Man sitzt da drin und sieht, was draußen vor sich geht. Das ist für viele Leute eine ganz neue Erfahrung: einfach nur ruhig dasitzen und warten.“

Die Camera obscura

Begriff
: Der Begriff Camera obscura bedeutet auf Lateinisch „dunkler Raum“, handelt es sich dabei doch um einen dunklen Kasten oder Raum, in den Licht durch ein kleines Loch fällt.

Prinzip
: Jeder Gegenstand, ob er leuchtet oder reflektiert, sendet in alle Richtungen Lichtstrahlen aus, die sich geradlinig ausbreiten. Wenn diese Lichtstrahlen durch das Loch in den dunklen Raum gelangen, werden sie je nach Durchmesser des Loches gebündelt und projizieren ein Bild auf die Wand gegenüber. Die Abbildung ist seitenverkehrt und steht auf dem Kopf.

Geschichte:
Das Prinzip der Camera obscura ist lange bekannt, beispielsweise beschrieb es Aristoteles, der das Gerät dazu benutzte, um gefahrlos eine Sonnenfinsternis beobachten zu können. Leonardo da Vinci und andere Künstler verwendeten die Camera obscura als Zeichenhilfe: Man konnte in ihr die Landschaft auf Papier abmalen und dabei alle Proportionen richtig wiedergeben.

Gartenschau:
Für die Zeit der Remstal Gartenschau möchte Alexander Riffler eine begehbare Camera obscura nach Waiblingen bringen, als Standort ist der Galerieplatz angedacht. Zum Thema soll es auch Workshops geben.