Die bunt gestaltete Turnhalle erfreut wieder die Betrachter. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ehre wem Ehre gebührt: Mehrere Jahre wurde über die Urheberschaft der künstlerischen Wand an der Jahn-Turnhalle falsch berichtet. Nun klärt der Künstler selbst den Irrtum auf.

Stuttgart - Jahrzehntelang mit Graffiti verschmiert, plötzlich mit farbiger Frische ausgestattet: Die Säuberung und Aufhübschung der Fassade der Turnhalle der Jahn-Realschule beim Kurpark in Bad Cannstatt war eine so erfreuliche Entwicklung, dass uns dies Ende Dezember einen Artikel Wert war. Schlagzeile: „Pfahlers Kunst erstrahlt in altem Glanz.“ Das Problem: Es ist gar kein Werk vom 2002 verstorbenen Georg Karl Pfahler, sondern von: Hansjerg Maier-Aichen aus Leinfelden.

Die Mitteilung, dass die farbigen Schrägstreifen von der vorherigen Verunstaltung befreit worden waren, erreichte uns kurz nach Weihnachten. Ein Nachbar aus der Wildbader Straße, selbst Maler und Grafiker, hatte uns auf seine eigenen jahrelangen Bemühungen hingewiesen, die Turnhallen-Fassade an der Schmidener Straße sowie auch jene am Eingangsbereich der Sporthalle von den Schmierereien zu befreien. Auf diese Weise könne das Werk Pfahlers, den er selber noch von seiner Studienzeit an der Stuttgarter Kunstakademie kenne, sich wieder richtig entfalten. Und nachdem die Stadtverwaltung die Säuberung und farbliche Wiedergutmachung veranlasst hatte, gebühre den Beamten im Rathaus durchaus ein Lob.

Zweifel an Pfahlers Urheberschaft hatte es bis dahin keine gegeben

Noch am Tag der Veröffentlichung in unserer Zeitung kam die Reaktion eines Lesers. „Mit obigem Artikel liegen Sie falsch“, tadelte der Leser. „Entweder haben Sie sich nicht richtig informiert oder Sie wurden falsch informiert.“ Beauftragt mit Kunst am Bau an der Schule gewesen sei schließlich ein ganz anderer, nämlich aus Leinfelden-Oberaichen, und nicht der genannte Pfahler. Und zum Beleg schickte der Leser noch mehrere Zeitungsausschnitte vom Februar 1976 mit, in denen es etwa hieß, dass „der Grafiker Hansjerg Maier-Aichen die Halle künstlerisch ausgeschmückt“ habe.

Auf die Mitteilung reagierten wir zunächst recht perplex. Zweifel an Pfahlers Urheberschaft hatte es bis dahin keine gegeben. Nicht nur, weil der Nachbar so überzeugt war, sondern auch, weil in etlichen Artikeln in diversen Zeitungen der vergangenen Jahre immer die Rede von Pfahler als Urheber gewesen war.

Der nun logischerweise unvermeidliche Rechercheauftrag führte zunächst zum Leiter der Jahn-Realschule. Doch das Ergebnis brachte geringen Erkenntnisgewinn: „Ich habe keine Informationen oder Unterlagen darüber, wer die Fassade gestaltet hat“, schrieb Andreas Führinger-Cartier in seiner Antwort. „Allerdings ist, wie im Artikel beschrieben, schon seit Jahren im Zusammenhang mit der notwendigen Renovierung die Rede von Pfahler.“ Also doch Pfahler?

Der tatsächliche Urheber ist Grafiker Hansjerg Maier-Aichen

Statt der vom Rektor empfohlenen Nachforschung bei der Stuttgarter Stadtverwaltung kürzen wir den Weg ab – und versuchen es auf direktem Weg telefonisch an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, wo der Bildhauer, Designer und Kurator Maicr-Aichen als Professor unterrichtet. Zwar ist er gerade nicht in der badischen Großstadt, doch kurze Zeit später kommt der Kontakt mit ihm in seinem Heimatort Leinfelden doch zustande.

Und nun gibt’s keine Zweifel mehr: Maier-Aichen bestätigt, dass tatsächlich er der Urheber der Kunstwerke an der Realschul-Turnhalle ist. Einerseits reagiert er belustigt über diese „skurrile kleine Geschichte“. Es sei „schon erstaunlich, dass sich dieses ,Kunst am Bau’-Projekt bereits seit 2008 mit fremden Federn schmückt, ohne dass das bemerkt wurde“. Andererseits verweist er natürlich zurecht auf „transparenten Informationsfluss und Copyright/Intellectual Property“. Ganz klar: Falschinforationen darüber, wer eine solche Wand künstlerisch gestaltet, gehören umgehend korrigiert.

Die Gestaltung der Cannstatter Turnhalle ist ein Frühwerk des Designers

Maier-Aichen hat im Übrigen eine imposante Vita vorzuweisen. Von 1963 bis 1967 studierte er Malerei und Bildhauerei in Deutschland, Frankreich und den USA. 1983 gründete er die mittlerweile international renommierte Designmarke „Authentics“, 1997 wurde er in Paris mit dem Europäischen Designpreis ausgezeichnet. Neben seiner Hochschultätigkeit gilt sein besonderes Augenmerk „dem internationalen Designnachwuchs, den Schnittstellen zwischen Design, Naturwissenschaften und der Kunst, einem kritischen Blick auf die wachsende Mittelmäßigkeit von Designproduktionen und den Überproduktionen von Konsumgütern, die ökologisch und ökonomisch kaum mehr vertretbar sind“, wie er erläutert.

Die Gestaltung der Cannstatter Turnhalle Mitte der 70er Jahre ist so gesehen eher ein Frühwerk des Designers. Ein „skurriler Tatbestand“, wie Maier-Aichen es einschätzt? Einerseits ja. Aber auch bei der Darstellung dieses Falls ist man der Wahrheit verpflichtet. Es gilt festzuhalten: Die Ehr gebührt Maier-Aichen, nicht Pfahler. Bleibt nun nur noch zu hoffen, dass der aktuell schöne Anblick der Jahn-Realschule die Betrachter nicht nur aus der Nachbarschaft noch lange erfreut.