Kampfhubschrauber Tiger im Camp Castor im malischen Gao: In Mali nimmt die Bundeswehr am UN-Stabilisierungseinsatz Minusma teil. Foto: dpa

Bekämpfung von Fluchtursachen oder Versacken im Sahara-Sand? An der aktuellen Ausweitung der deutschen Militär-Präsenz im Sahel scheiden sich die Geister.

Stuttgart - Großen Ankündigungen folgen in diesem Fall schnell Taten. Vor gut einem Jahr beschloss die seit 2014 existierende Staatengruppe G5 Sahel (Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger, Tschad) die Aufstellung einer gemeinsamen 5000-Mann-Truppe von Militär und Polizei, der G5FC. Seit Herbst steht dieser Verband. Noch in diesem Jahr soll er voll einsatzbereit sein. Seine Aufgabe: den grenzüberschreitenden Terrorismus, Drogen- und Menschenschmuggel eindämmen, den Frieden wiederherstellen.

Das ist eine sehr große Aufgabe in einer riesigen Region, die von Aufständen zahlreicher, in schnell wechselnden Bündnissen kämpfender Milizen heimgesucht wird. In der die staatlichen Strukturen schwach sind und kriminelle Banden stark. In der die Wüste immer mehr Weideland verschlingt – und durch die die wichtigsten Routen afrikanischer Migranten auf ihrem Weg nach Libyen und Europa führen.

Entsprechend groß fällt die internationale Unterstützung für die G5FC aus. Auf einer Geberkonferenz am 23. Februar in Brüssel kamen Zusagen für 414 Millionen Euro zusammen. Davon allein 176 Millionen aus der EU, voran Deutschland und Frankreich. Kanzlerin Angela Merkel versicherte, Deutschland wolle zwischen 2017 und 2020 der Sahelregion mit 1,7 Milliarden Euro Entwicklungshilfe aufzuhelfen. Generell betonen europäische Regierungen, es gehe dabei um die Stärkung staatlicher Strukturen, nicht bloß um s Militär.

Engagement der Bundeswehr wächst

Das aber müsste erst einmal Bedingungen schaffen, unter denen sich Entwicklungshilfe entfalten kann. Dafür kam die G5FC mit französischer Unterstützung bereits zum Einsatz: Ende Oktober in der Grenzregion Burkina Faso-Mali-Niger, im Januar zwischen Mali und Mauretanien.

Auch das große Engagement der Bundeswehr in der Region soll nun noch größer werden. Sie ist mit rund 1000 Soldaten an der UN-Mission Minusma in Mali beteiligt, mit rund 150 weiteren an einer Ausbildungsmission der EU für die malischen Streitkräfte (EUTM Mali). Die Bundesregierung beschloss am Mittwoch, eine Verlängerung zu beantragen.

Es sind Erfahrungen aus diesen seit 2013 währenden Einsätzen, die Kritiker einer Ausweitung deutscher Militärpräsenz in der Sahelzone auf den Plan rufen. Die 15 000-Mann-Mission Minusma (11 800 Soldaten, knapp 3000 Polizisten und Helfer) hat bereits mehr als 160 Gefallene zu beklagen. Das macht diesen UN-Friedenseinsatz zum verlustreichsten überhaupt, gemessen an der Einsatzdauer. Die innermalischen Konflikte greifen trotz massiven Eingreifens auswärtiger Mächte vom Norden auf das Herzstück der Landwirtschaft im Zentrum des Landes aus. Deutsche Ausbilder berichten, dass ihre malischen Schüler, die meist aus dem Süden stammen, immer weniger Neigung zeigten, ihr Leben in diesen Konflikten zu risikeren.

Keine Beteiligung an Antiterroreinsätzen

Noch nimmt sich die Ausweitung des Bundeswehr-Engagements in der Region durch die Unterstützung für die G5FC bescheiden aus. „Ausbildungskurse für G5-Kräfte, Lieferung von Krankenwagen an Mali und von Fahrzeugen an Niger, Bau einer Landebahn im malischen Gao, Unterstützung des G5-Hauptquartiers in Niger“, zählt das Auswärtige Amt an bisher geleisteter Hilfe auf.

Zur Ausbildungshilfe sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums: „Es erfolgt keine Begleitung in Kampf- oder Terrorbekämpfungseinsätze“. Doch seitens der UN werden Rufe genau danach laut. Der Verzicht auf diese Begleitung hat schon in Afghanistan den Beitrag der Bundeswehr von dem vieler anderer Nato-Armeen unterschieden. Und wurde von diesen – wenn auch nie offiziell – kritisiert. Ändert die Bundesregierung ihre Haltung, wären Kämpfe deutscher Soldaten mit lokalen Milizen und mit Terroristen quasi garantiert.

Ohne Verzahnung mit den auszubildenden afrikanischen Truppen im Einsatz könnte sich allerdings deren Menschenrechtstreue als heikles Thema erweisen. Erfahrungen mit Militär und Polizei von G5-Staaten legen solche Befürchtungen nahe. „Die EU betrachtet es als grundlegend, dass die G5FC innerhalb von Recht und Gesetz operiert“, sagte ein Sprecher unserer Zeitung. Im Verteidigungsministerium heißt es dazu, es sei „handlungsanleitend“ für die deutsche Hilfe, „dass gerade das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitskräfte“ Voraussetzung für Stabilität sei. Daher soll Rechtstreue im Unterricht eine große Rolle spielen.

Grüne und Linke wettern dagegen

Die Risiken sind nicht die einzigen Gründe, warum Grüne und Linke im Bundestag gegen das stärkere Eingreifen im Sahel wettern. „Insbesondere die Regierungen im Tschad und im Niger halten sich mit einem System aus Korruption und Gewalt an der Macht“, sagt die grüne Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger. Ihre Abgeordneten-Kollegin Sevim Dagdelen von der Linken stimmt zu: „Mit Militärberatern für Diktaturen und weiteren Waffenexporten in die Region wird die Bundesregierung für weitere Fluchtursachen sorgen.“ Dagdelen stört sich auch daran, dass Deutschland gemeinsame Sache mit Saudi-Arabien macht, einem der größten Geldgeber der G5FC. Schließlich gehe die Stärke islamistischer Terrororganisationen im Sahel „wesentlich“ auf saudische Unterstützung zurück.

Die Außenexperten Nils Schmid und Roderich Kiesewetter von SPD und Union halten dagegen: Es sei der richtige Ansatz, „zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in der R egion“ beizutragen, sagt Schmid – alles in Verantwortung der afrikanischen Staaten, betont Kiesewetter. Schmid ist sich sicher: „Wir müssen uns auf einen längeren Zeitraum einstellen, bis nachhaltige Erfolge sichtbar sein werden.“ Das betrifft vor allem auch den „politischen Prozess“ unterstreicht Kieswetter.