Horst Seehofer übte in einem Interview scharfe Kritik an der AfD. Foto: dpa/Michael Kappeler

In einem Interview übt Horst Seehofer 2018 harsche Kritik an der AfD. Der Text stand zeitweise auch auf der Ministeriumsseite. Das geht zu weit, urteilt Karlsruhe. Die Bundesregierung muss Neutralität wahren.

Karlsruhe - Bundesinnenminister Horst Seehofer hat mit der Veröffentlichung eines AfD-kritischen Interviews die Partei in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt. Der frühere CSU-Chef hätte den Medienbericht nicht auf der Internetseite seines Ministeriums einstellen dürfen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach einer Klage der AfD. Damit habe Seehofer gegen seine Pflicht zur staatlichen Neutralität im Regierungsamt verstoßen. (Az. 2 BvE 1/19)

„Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung endet dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt“, sagte der scheidende Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Dienstag bei seiner voraussichtlich letzten Urteilsverkündung. Insbesondere müsse der Rückgriff auf mit dem Amt verbundene Ressourcen unterbleiben.

Keine persönlichen Konsequenzen

Mit der Entscheidung unterstreicht der Zweite Senat bereits zum wiederholten Mal, dass ein Minister nicht die Autorität seines Amtes nutzen darf, um am politischen Meinungskampf mitzuwirken. Äußert er sich als Parteipolitiker, gelten diese Beschränkungen nicht.

Direkte Konsequenzen für Seehofer hat das Urteil nicht. Das Interview steht schon lange nicht mehr auf der Internetseite.

Das Interview hatte Seehofer im September 2018 der Deutschen Presse-Agentur gegeben. Unmittelbar davor hatte die AfD-Fraktion versucht, im Bundestag den Haushalt des Bundespräsidenten diskutieren zu lassen. Ihr Vorwurf: Frank-Walter Steinmeier habe „für eine linksradikale Großveranstaltung“ geworben, indem er ein Konzert gegen Rassismus der zeitweilig vom Verfassungsschutz beobachteten Linkspunkband Feine Sahne Fischfilet unterstützt hatte.

Seehofer kommentierte das in dem Interview mit den Worten: „Das ist für unseren Staat hochgefährlich.“ Man könne nicht „wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln“. „Das ist staatszersetzend.“ Außerdem sagte er: „Die stellen sich gegen diesen Staat. Da können sie tausend Mal sagen, sie sind Demokraten.“

„Beitrag zur politischen Hygiene“

Nach der Veröffentlichung hatte das Ministerium den dpa-Text zu den anderen Medienberichten auf seiner Homepage gestellt. Das allein wurde Seehofer jetzt zum Verhängnis. Die Richter beanstanden ausdrücklich nicht die Äußerungen an sich. Aus dem Gesamtzusammenhang werde klar, dass Seehofer als Parteipolitiker gesprochen habe. Er sei auch zu Themen befragt worden, die nicht sein Ressort betreffen.

Das Innenministerium wollte das Urteil zunächst nicht kommentieren. Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla sagte: „Der Bundesvorstand wird AfD-Wähler und Parteimitglieder auch weiterhin vor Diffamierungen schützen.“ Der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen nannte das Urteil einen „Beitrag zur politischen Hygiene in Deutschland“.

Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser betonte, es sei zwar ein Fehler gewesen, das Interview auf der Webseite des Ministeriums zu veröffentlichen. An der Richtigkeit der von Seehofer getroffenen Aussage ändere das aber nichts. „Die AfD ist und bleibt in ihren Zielen staatszersetzend“, sagte Strasser.

Die AfD hatte in einem ähnlichen Fall schon einmal erfolgreich gegen die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) geklagt.