Johannes Vogel (39) ist seit Mai 2021 stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die Liberalen könnten nach der Wahl das Zünglein an der Waage sein. FDP-Vize Johannes Vogel erklärt, welche Bedingung unbedingt erfüllt sein muss, damit seine Partei in eine Koalitionsregierung eintritt.

Stuttgart - Die SPD liegt zur Zeit in den Umfragen vorn. Aber die Liberalen setzen eine hohe Hürde für eine von Olaf Scholz geführte Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. „Christian Lindner hat für uns eine rote Linie gezogen: Wir gehen in keine Regierung, die höhere Belastungen beschließt“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Johannes Vogel, unserer Zeitung. „Darauf können die Bürgerinnen und Bürger sich verlassen, da geht es um unsere Glaubwürdigkeit.“ Sowohl die Sozialdemokraten wie die Grünen setzen sich ausdrücklich für Steuererhöhungen ein.

Neuer Kurs in der Rentenpolitik

Der FDP-Vize kritisiert zudem den Renten-Kurs des SPD-Kanzlerkandidaten scharf. „Man darf es Scholz nicht durchgehen lassen, dass er nur mit Sprüchen aber ohne Plan agiert“, sagte Vogel. „Wir brauchen in der nächsten Legislaturperiode eine große Rentenreform, unser Vorschlag dafür ist die Gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild. Sonst verspielen wir die Zukunft der Rente und die Handlungsfähigkeit des Staates.“

Der Eintritt der Babyboomer in den Ruhestand werde das System weiter unter Druck setzen. Wenn die Rentenpolitik von SPD und Union fortgesetzt werde, steige der Beitragssatz in Richtung 25 Prozent, sagt Vogel. „Oder wir erhöhen den Steuerzuschuss immer weiter. Der liegt heute schon bei über 100 Milliarden Euro pro Jahr. Dann gingen wir in Richtung der Hälfte des Bundeshaushaltes und es bliebe kaum noch Geld für Investitionen wie Bildung oder eine handlungsfähige Bundeswehr übrig.“

Modell der Gesetzlichen Aktienrente

Die FDP habe das Modell einer Gesetzlichen Aktienrente vorgelegt und sich von Experten bestätigen lassen, dass auf diese Weise Renten- und Staatsfinanzen stabil blieben und das Rentenniveau langfristig sogar wieder steige, betonte der FDP-Vize. „Ich würde ja gern mit unseren Wettbewerbern über deren Konzepte diskutieren. Das fatale ist: sie haben keine.“

Vogel hält eine von Scholz geführte Regierung selbst in dem Fall nicht für zwingend, dass die SPD die meisten Wählerstimmen bekommt. „Wir kommen in einem neuen Parteiensystem mit vier mittelgroßen Parteien an. In dem geht es weniger darum, wer stärkste Partei ist, sondern mehr darum, welche Mehrheit sich auf eine gemeinsame Richtung für das Land verständigen kann.“ Ziel der Liberalen müsse sein, dass es im Bundestag keine rot-grün-rote und keine schwarz-grüne Mehrheit gibt. „Die inhaltlichen Schnittmengen mit der Union bei möglichen Dreierbündnissen sind auf Bundesebene nach wie vor am größten.“

Lob für Laschet

2017 hatte die FDP Gespräche mit CDU und Grünen zur Bildung einer Jamaika-Koalition platzen lassen. Sie sah damals einen mangelnden Reform-Willen bei Kanzlerin Angela Merkel. „Jetzt sagt auch die CDU: Wir wollen ein Gestaltungsjahrzehnt“, so Vogel. „Dass mit Armin Laschet Modernisierung möglich ist, erlebe ich in Nordrhein-Westfalen – aber da wirken auch die Freien Demokraten als Antrieb.“

Die FDP müsse aber nicht um jeden Preis in die Regierung. Nach dem Jamaika-Scheitern vor vier Jahren hätten die Liberalen viel Kritik erfahren, erklärt Vogel: „Aber: Wir haben gezeigt, dass wir nicht für ein paar Dienstwagen in eine Regierung gehen. Dafür haben wir zugleich viel Anerkennung bekommen. Diese innere Unabhängigkeit werden wir uns bewahren.“