Judith Skudelny am FDP-Wahlkampfstand auf der Königstraße Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Sie wollen nach Berlin ins Parlament: Die zwölf aussichtsreichsten Bewerber in Stuttgart stellen wir in unserer Serie vor. Heute: Judith Skudelny, Wahlkreis I.

Stuttgart - Samstagmittag, 12 Uhr. Auf der Königstraße blasen Helfer magentafarbene Luftballons mit dem Partei-Logo auf. Auch die FDP-Bundestagskandidatin im Stuttgarter Wahlkreis I, Judith Skudelny, setzt auf die neue Signalfarbe der Liberalen, um Aufmerksamkeit bei den Passanten zu erzeugen: Ihr Lederjäckchen hat die gleiche Farbe wie die Ballons, die einstige FDP-Farbe Gelb dominiert längst nicht mehr. Ganz im Sinne des Wahlslogans der Liberalen: Denken wir neu.

„Ist es nicht eigentlich völlig egal, wen ich wähle?“ Mit dieser ketzerischen Frage ist der Passant bei Judith Skudelny an die Falsche geraten. Die 41-Jährige Mutter zweier Kinder gibt alles, um den Mann als Wähler für ihre Partei zu gewinnen. Ohne Punkt und Komma zu reden und dabei trotzdem Zwischenfragen aufnehmen und spontan zu reagieren, das ist eines der Markenzeichen der Kandidatin. Vor acht Jahren schaffte sie erstmals den Sprung in den Bundestag: Die FDP erzielte damals in ganz Baden-Württemberg knapp 19 Prozent der Wählerstimmen, die Stadträtin aus Leinfelden-Echterdingen lag mit 20,7 Prozent in ihrem Wahlkreis Stuttgart I sogar noch darüber.

Skudelny setzt auf die Freiheit des Einzelnen – auch beim Thema Mobilität

2013 dann der Absturz: Die Liberalen flogen aus dem Bundestag, und Judith Skudelny stand am Wahlabend der Schock darüber buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Die FDP war plötzlich ein Sanierungsfall. Doch die Rechtsanwältin, spezialisiert auf Sanierungs- und Insolvenzrecht, berappelte sich rasch wieder. 2015 avancierte sie zur Generalsekretärin der baden-württembergischen FDP, ist Mitglied im Bundesvorstand der Partei, und falls die FDP den Wiedereinzug in Berlin schafft, hat Skudelny nach vier Jahren Pause mit Platz 2 auf der Landesliste ein Bundestagsmandat so gut wie sicher.

Noch heute ist sie überzeugt davon, dass die FDP unter ihrem damaligen Parteichef Philipp Rösler eigentlich gute Politik betrieben hat: „Wir haben es nur schlecht verkauft.“ Mit dem neuen liberalen Hoffnungsträger Christian Lindner an der Spitze will man es diesmal besser machen. Inhaltlich hat die Umweltpolitikerin Skudelny im feinstaub- und stickoxidbelasteten Stuttgart das Thema „Mobilität ist Freiheit“ ganz vorn auf ihre Agenda gesetzt. Mit dem liberale Credo – der Freiheit des Einzelnen, selbst zu entscheiden – sind die ab 2018 drohenden Fahrverbote im Talkessel nicht zu vereinbaren: „Wir dürfen die Bürger nicht verärgern, sonst haben sie am Ende keine Lust mehr auf Umweltschutz.“ Scharf attackiert sie die grün-schwarze Landesregierung, die „Panikmache“ betreibe: „Man hätte viel früher Alternativen aufzeigen müssen“, sagt sie – und meint damit auch den Bau von Umgehungsstraßen wie der Filderauffahrt und des Nord-Ost-Rings. Mit der Verbannung der Dieseltechnologie würde man dem Klimaschutz einen Bärendienst erweisen, da ist sich Skudelny sicher. Den Einwand, Berechnungen des Bundesumweltamts hätten den Unterschied beim klimaschädlichen Kohlendioxidausstoß zwischen Benziner und Diesel längst nivelliert, lässt sie nicht gelten und attackiert gleichzeitig den politischen Gegner: „Das Bundesumweltamt war doch schon immer fest in grüner Hand.“

Eine Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen hält die Bewerberin für schwer vorstellbar

Zugleich kritisiert sie die Autoindustrie. Diese habe mit geschönten Schadstoffwerten den Verbraucherschutz nicht ernst genommen und müsse nun für die Folgen finanziell gerade stehen. Man dürfe aber nicht nur die Industrie in die Pflicht nehmen. Der öffentliche Nahverkehr müsse ausgebaut, die verschiedenen Mobilitätssysteme besser miteinander vernetzt werden. In der Energiepolitik, einem weiteren Steckenpferd der Hobbyreiterin, spricht sich Skudelny gegen deutsche Alleingänge wie etwa beim Ausstieg aus der Atomkraft aus. Die Wende könne nur gelingen, wenn Europa sich einig sei, alles andere sei ein Wettbewerbsnachteil. Grundsätzlich hält Skudelny ohnehin nichts von „hysterischen Entscheidungen“, wie sie es formuliert: „Man muss Menschen überzeugen, nicht erziehen.“

Bei der Frage, welchen Koalitionspartner sie am liebsten hätte, bliebt Skudelny strikt auf Kurs der Parteiführung: Keine Koalitionsaussage. Eine mögliche Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen freilich ist für sie nur schwer vorstellbar: „Oder können Sie sich den Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, und mich im Tandem vorstellen?“