Seit Jahrzehnten macht sie Lokalpolitik – und hat sich unter anderem für einen S-Bahn-Anschluss ihres Heimatorts Kirchberg verkämpft. Nun tritt Gudrun Senta Wilhelm als Bundestagskandidatin für die FDP im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd an.

Kirchberg - „Ihre Bundestagskandidatin“ steht in großen Lettern auf der Heckklappe des dunkelblauen Autos, mit dem Gudrun Senta Wilhelm auf den Parkplatz des Bahnhofs in Kirchberg einbiegt. „Mein Wahlkampf-Flitzer“, sagt die 63-jährige Kirchbergerin, die bei der Bundestagswahl für die FDP im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd kandidiert, und lacht: „Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht geblitzt werde.“ Kurz darauf kündigt ein leises, sirrendes Geräusch eine nahende S-Bahn an. Dass letztere in Kirchberg hält, ist auch Gudrun Senta Wilhelm zu verdanken. „Als ich 1994 in den Gemeinderat von Kirchberg gewählt worden bin, hatten wir noch keinen S-Bahn-Anschluss. Ich habe gleich von Anfang an dafür gewirbelt.“

Gudrun Wilhelm war leidenschaftliche Marathon-Läuferin

Fast 20 Jahre musste sie wirbeln, hat aber, wie sie sagt, „den Glauben nie aufgegeben“. Und die Puste ist ihr, einer leidenschaftlichen (Marathon-)Läuferin, auch nicht ausgegangen. Im Dezember 2012 war es soweit. Seither gelangen Kirchberger in knapp 40 Minuten von ihrer im Grünen gelegenen Bahnstation mit dem alten roten Backsteingebäude zum Hauptbahnhof Stuttgart. „Das schaffen Sie mit keinem Auto“, sagt Wilhelm. Nicht mal mit dem blauen Wahlkampf-Flitzer.

Mobilität sei ihr ein Anliegen, betont die FDP-Kandidatin, die an ihrer Partei vor allem das schätzt, was sie „den Freiheitsgedanken“ nennt, denn einen „diktierenden Staat“, den mag sie nach eigenem Bekunden nicht. Mit dem Anschluss an die S-Bahn war das Thema Verkehr nicht erledigt. Sie hat weitergewirbelt: für einen Bus, der die Kirchberger zum Bahnhof bringt. Für Boxen, in denen pendelnde Radler ihre Drahtesel verstauen können.

Parteikollegen nennen sie ein „Stehaufweible“

Momentan plädiert die 63-Jährige dafür, das recht komplizierte Tarifzonen-Modell des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart durch ein schlichtes Zwei-Zonen-Modell zu ersetzen: die Zone 1 wäre Stuttgart, die Zone 2 alles drumherum. „In der S-Bahn habe ich dafür viel Zuspruch von Bürgern bekommen“, erzählt Wilhelm, die von Parteikollegen schon mal als „Stehaufweible“ tituliert wird.

„Alles, was ich mache, mache ich lange“, sagt Gudrun Senta Wilhelm. Ein Beispiel? „Ich bin seit 45 Jahren verheiratet.“ Ihren ersten Marathon ist sie 1993 gelaufen, nachdem sie eine Hirnthrombose erlitten und überstanden hatte. Einen langen Atem hat die Kirchbergerin auch 1996 im Zuge des Landtagswahlkampfs bewiesen: „Ich wollte Klaus Kinkel, der damals Außenminister war, nach Kirchberg holen.“ Wilhelm schrieb Briefe, schickte Faxe, klemmte dem Minister bei einem FDP-Parteitag eine Speisekarte mit ihrer Bitte unter den Scheibenwischer. Keine Reaktion.

Gudrun Wilhelm holte Klaus Kinkel in die Gemeindehalle

Befragt nach ihren Plänen, erzählte sie einem Schreiber der Lokalzeitung von ihren vergeblichen Versuchen. Der schrieb daraufhin sinngemäß: die Lokalpolitiker an der Basis rödeln und die da oben interessiert es nicht. „Ich habe den Artikel ausgeschnitten, an Kinkels Büro gefaxt und sofort Antwort bekommen“, erinnert sich Wilhelm. Kinkel kam in die Kirchberger Gemeindehalle, sprach vor vollem Haus und zollte der Wahlkämpferin angesichts von 400 Zuhörern mit folgenden Worten Respekt: „Sie hat mich bedroht, sie hat mich erpresst – aber sie hat Wort gehalten.“

Strohfeuer seien eben nicht ihr Ding, wenn sie etwas anpacke, dann mache sie es gründlich, sagt die Politikerin aus Kirchberg. Als sie in den Kreistag gewählt worden sei, habe sie mit dem Verwaltungs-, Schul- und Kulturausschuss geliebäugelt, erzählt Wilhelm. Doch ihre Fraktion hatte den Jugendhilfeausschuss für sie vorgesehen. Nun gut. „Ich habe mich reingefuchst und richtig Freude daran bekommen.“

Sie hat den Verein „Politik mit Frauen“ mitgegründet

Mehr Frauen für politische Ämter zu begeistern, das ist Gudrun Senta Wilhelm wichtig. Deshalb hat sie den Verein „Politik mit Frauen“ gegründet, in dem sich Frauen unterschiedlichster Parteien zusammengeschlossen haben. „Das Ziel ist, Frauen die Hemmschwelle zu nehmen“, sagt Wilhelm.

Ein Baustein ist dabei ein Mentoring-Programm, das Neueinsteigerinnen mit Mandatsträgerinnen zusammenbringt, die ihnen Tipps und Tricks, Spielregeln und Strategien für das Politikgeschäft verraten. Nur so lasse sich der Frauenanteil in politischen Gremien erhöhen, ist Gudrun Senta Wilhelm überzeugt. Und hofft, Listenplatz 28 hin oder her, dass sie künftig den Frauenanteil im Bundestag erhöhen wird. Wofür sie dann beispielsweise wirbeln würde? „Für weniger Bürokratie. Ich würde Gesetze mit einem Verfallsdatum versehen.“

Über Gudrun Senta Wilhelm

Privat Gudrun Senta Wilhelm ist am 25. Mai 1954 geboren und in Kirchberg an der Murr aufgewachsen. Sie hat das Helene-Lange-Gymnasium in Markgröningen besucht und ist das älteste von neun Kindern. Seit 45 Jahren ist sie verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und vier Enkelkinder. Von Beruf ist sie Bankkaufrau. Sie ist zudem Pilates-Lehrerin und gibt Sportkurse, zum Beispiel unterrichtet sie das Fitness-Programm Fünf Esslinger. Ende 2016 hat sie für ihr ehrenamtliches Engagement das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.

Politisch Im Jahr 1994 hat Gudrun Senta Wilhelm erstmals für den Gemeinderat Kirchberg kandidiert und ist auch gewählt worden. Seit 1996 ist sie Vorsitzende des FDP-Ortsverbands Backnanger Bucht. Drei Jahre später gelang ihr der Einzug in den Kreistag Rems-Murr, seit dem Jahr 2014 sitzt sie auch in der Regionalversammlung. Gudrun Senta Wilhelm hat bereits bei der Bundestagswahl 1998 kandidiert. Damals schaffte sie nach Bundesaußenminister Klaus Kinkel das zweitbeste Erststimmenergebnis für die FDP im Land. Um den Frauenanteil in der Lokalpolitik zu erhöhen, hat sie den Verein Politik mit Frauen gegründet. Das überparteiliche und überkonfessionelle Frauennetzwerk mit rund 250 Mitgliedern aus ganz Deutschland setzt dabei auf Mentoring

Fünf Fragen, fünf Tweets

Wir haben die Bundestagskandidaten aufgefordert, die Fragen im Stil der Internet-Kurznachrichten-Plattform Twitter zu beantworten. Dort sind für eine Nachricht maximal 140 Zeichen erlaubt.

1.) In fünf Jahren kommt der Strom in meiner Steckdose aus... ...Quellen, die Familien und alle mit kleinem Einkommen nicht in den Ruin treiben, weil unter alternativen Energien fairer Wettbewerb herrscht.

2.) ...ist die Rente sicher, weil… ... die FDP im Bundestag dafür sorgt, dass realistische Rentenkonzepte durchfinanziert werden, bei denen die Rente die Binnennachfrage stärkt.

3.) …ist das Feinstaubproblem in Stuttgart… … Schnee von gestern, weil alle Lkw sauber sind, Benziner-Pkw ab Ende 2017 wie die Diesel Partikelfilter erhalten und Kohleheizung tabu ist.

4.) …sind Flüchtlinge im Rems-Murr-Kreis… … hoffentlich alle nach geglückter Aus- und Fortbildung bei Vollbeschäftigung in Lohn und Brot, Kunden, Steuerzahler und Stützen des Staates.

5.) ...Schon heute würde ich an Donald Trump gerne Folgendes twittern:... ...Entspann dich. Amerika ist durch seine Verpflichtung gegenüber liberalen demokratischen Werten aufgestiegen: individuelle Freiheit, Menschenrechte, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Pressefreiheit.