Ausnahmsweise hemdsärmelig: Matthias Werwigk beim Straßenwahlkampf in Bad Cannstatt. Foto: Leif Piechowski

Am 22. September ist Bundestagswahl. Wen schicken die Stuttgarter nach Berlin? Wir stellen die Kandidaten der fünf im Bundestag vertretenen Parteien in Kürze vor. Heute: Matthias Werwigk (FDP).

Stuttgart - Eigentlich ist Matthias Werwigk ein Mann, der mit Zahlen umgehen kann. Immerhin ist der 62-jährige promovierte Wirtschaftswissenschaftler seit 1981 im Bankgeschäft tätig. Als Bankdirektor jongliert er auf den Geschäftsfeldern Geld und Kredit, Kapitalmarkt und Börse, Vermögensbildung und Steuer täglich mit Zahlen. Mit richtig hohen Zahlen.

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Doch wenn es um die eigene Person geht, scheinen die Zahlen weniger wichtig. Als Werwigk zum Bundestagskandidaten im Wahlkreis Stuttgart II nominiert wird, kennt er die entscheidenden Kennzahlen. Auf dem Listenplatz 33 und als Kandidat in einem Wahlkreis mit vielen einfachen Arbeitnehmern ist er ein Mann auf verlorenem Posten. Er weiß das, aber das ficht ihn nicht an. Über die Frage, warum er den ganzen Sommer, viele Abende und manches Wochenende für eine aussichtslose Kandidatur opfert, kann Werwigk nur schmunzeln. „Ich bin ein politisch interessierter Mensch“, sagt er und nippt beim Gespräch in der Mittagspause an einem alkoholfreien Weizenbier.

Als krasser Außenseiter gilt Werwigk. Wie aber kann er sich für einen aussichtslosen Wahlkampf motivieren? „Mit Menschen zu diskutieren ist ein Vergnügen“, versichert der Kandidat. „Jede Podiumsdiskussion bringt einen voran beim Versuch, eigene Vorstellungen präziser zu formulieren.“ All das halte ihn geistig beweglich. Doch die Gleichsetzung eines Wahlkampfs mit einem Gratiskurs in Gehirnjogging für ältere Herren lässt Werwigk nicht gelten.

„Man muss mehr haben als ein Girokonto und ein Sparbuch“

Das politische Interesse ist aus dem Lebenslauf, den Werwigk auf der Internetseite der Landes-FDP veröffentlicht hat, auf den ersten Blick nicht abzulesen. Aufgelistet sind dort eine ganze Reihe von Ehrenämtern und Posten wie Elternbeirat, Jugendschöffe, Vorstandsmitgliedschaften bei den Freunden der Stuttgarter Philharmoniker, den Freunden der Akademie der bildenden Künste, im Verein Alt-Stuttgart, im Förderkreis Hospiz, im Kirchengemeinderat und in der Evangelischen Schulstiftung. Unerwähnt bleibt aber das einzige politische Wahlamt, das Werwigk bis 2009 in den Gemeinderat Stuttgart führte. „Für eine weitere Amtszeit bin ich nicht mehr angetreten, denn die Bankenkrise hat mich beruflich stark gefordert.“

Als Leiter der Abteilung Privat Banking ist Werwigk mit etwa 40 Mitarbeitern bei einer baden-württembergischen Bank für Kunden „mit höheren Ansprüchen und besonderem Beratungsbedarf“ zuständig. Die Frage, wie man Mitglied in diesem erlesenen Kundenkreis wird, beantwortet Werwigk schmunzelnd. „Man muss mehr haben als ein Girokonto und ein Sparbuch.“

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In erlesenen Kreisen fühlt sich auch der Wahlkämpfer Werwigk wohl. Zu einem Treffen mit der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte Werwigk vor wenigen Wochen „360 Menschen, die nicht der FDP angehören“, in sein Privathaus eingeladen. „Ein Drittel war im Urlaub, ein Drittel hat abgesagt.“ Ein Drittel aber, „darunter viele Juristen, Ärzte, Ingenieure und Nachbarn“, kam. Diese „Multiplikatoren“, wie Werwigk sie nennt, diskutierten nach dem Vortrag der Ministerin über die Abhörpraktiken der US-Geheimdienste angeregt über persönliche Selbstbestimmung, individuelle Freiheitsrechte und Toleranz. „Wegen dieser Grundsätze bin ich 1990 in die FDP eingetreten“, sagt Werwigk.