Cem Özdemir auf dem Parkdeck des Züblin-Parkhauses, wo die Betreiber des Projektraums Ebene 0 einen Dachgarten angelegt haben. Özdemir nennt ihn „kleines Paradies“. Foto: Peter Petsch

Am 22. September ist Bundestagswahl. Wen schicken die Stuttgarter nach Berlin? Wir stellen die Kandidaten der fünf im Bundestag vertretenen Parteien in Kürze vor. Heute: Cem Özdemir (Grüne).

Stuttgart - Cem Özdemir wurde 1965 geboren, er wuchs in Bad Urach auf. „Ich habe es meinen Eltern nicht immer leicht gemacht“, sagt er. Seine Entscheidung, mit 15 den Grünen beizutreten, kam bei diesen so schlecht an wie sein Entschluss, nicht zur türkischen Armee zu gehen oder Vegetarier zu werden.

Heute kann man sich nicht vorstellen, dass er spontan einige Tiere befreit und bei sich, seiner Frau und seinen zwei Kindern im Berliner Stadtteil Kreuzberg einquartiert. In seiner Jugend jedoch trat er gern schnell in Aktion, wenn ihm eine Sache am Herzen lag.

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Auch heute noch merkt man ihm dieses Feuer an, das er für eine Herzenssache entwickeln kann. Im Generationenhaus Heslach ereifert er sich leidenschaftlich, nachdem ein junger Mann den Vorwurf erhoben hat, alle Politiker seien Lobbyisten. „Diese Haltung, einfach pauschal gegen alle Politiker zu wettern, ist nicht recht und bringt uns auch nicht weiter“, sagt Özdemir mit Nachdruck. Er fällt dabei keineswegs aus der Rolle, aber seine Rolle des Politikers tritt – zumindest ein kleines Stück weit – zurück hinter den Menschen Özdemir. Dieser ist nur sehr schwer zu greifen: Özdemir ist ein Vollblutpolitiker. Er kann druckreif reden und passt sich den unterschiedlichsten Situationen geschmeidig an: Mal tritt er hemdsärmelig auf, mal mit Sakko, mal spricht er Hochdeutsch, mal Schwäbisch.

„Wir müssen mehr sparen – in Stuttgart würde mir da das eine oder andere Großprojekt einfallen“

Dabei dreht er sein politisches Fähnchen nicht im Wind. Seine Meinung zu Stuttgart 21 vertritt er, egal, wo und mit wem er spricht. Auch ungefragt, etwa wenn es um das Thema Steuern geht: „Wir müssen mehr sparen – in Stuttgart würde mir da das eine oder andere Großprojekt einfallen.“ Er weiß aber auch, dass die Grünen nicht mehr allen S-21-Gegnern grün sind. „Wir haben unsere Meinung nicht geändert. Sollte es noch eine realistische Chance geben, auszusteigen und Milliarden zu sparen, dann würde ich mir das wünschen.“

Özdemir geht offensiv damit um, dass er sich – anders als sein schärfster Konkurrent Stefan Kaufmann (CDU) – eben nicht als Stuttgarter Politiker um das Mandat für den Bundestag bewirbt. Sondern als Bundespolitiker, der viele Erfahrungen und Beziehungen auf Bundesebene mitbringt – und der sich in Berlin mit „durchsetzungsstarker Stimme für Stuttgart einsetzen möchte“. Dem Vorwurf, die Belange der Stuttgarter nicht zu kennen, begegnet er mit Hausbesuchen. „Wir klappern Straßenzug für Straßenzug die Wohnungen und Häuser ab und reden mit den Bürgern“, sagt Özdemir, der auch eine Wohnung in Stuttgart hat.

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„Drei Hüte“ trage er im Wahlkampf: als Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, als Spitzenkandidat in Baden-Württemberg und als Direktkandidat im Wahlkreis Stuttgart I. Die dreifache Belastung hat sich auch schon bemerkbar gemacht: Kurzzeitig musste er den Wahlkampf wegen eines Hexenschusses aussetzen.