Am Herzensort der Kandidatin: Melanie Lang ist erst vor kurzem in die Partei eingetreten und kandidiert im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd für die Grünen. Die Studentin will sich speziell für die junge Generation einsetzten.

Backnang - Der Rückwärtsgang klemmt. Ein beherzter Zug am Schaltgestänge des Schleppers, Baujahr 1969, und das betagte Gefährt setzt sich langsam und ruckartig in Bewegung. Am Steuer sitzt Melanie Lang. Sie lenkt den Traktor auf dem elterlichen Hof in Oberschöntal, einem knapp 100 Einwohner zählenden Flecken, der zur Stadt Backnang gehört.

Dieser Weiler, diese Hofstelle, auf der die Familie seit Generationen lebt, ist der Herzensort der 28-jährigen Studentin, die bei der Bundestagswahl am 24. September im Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd für die Grünen ins Rennen geht. Wenn es die Zeit erlaubt, dann packt sie auf dem Hof mit an, die Eltern sind Nebenerwerbslandwirte.

Warum ist ausgerechnet dieser winzige Ort der Herzensort dieser jungen Frau? Manche Gleichaltrige wollen nur eins: weg von daheim. Melanie Lang war weg, sehr weit weg. Sie war nach dem Abitur auf Weltreise, hat in Dunedine im Süden der Südinsel Neuseelands studiert. Sie hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, Down Under zu bleiben. Heute indes sagt sie: „Ich habe gemerkt, dass es in Oberschöntal alles gibt, was ich in Neuseeland gesucht habe.“ Zum Beispiel Ruhe, um nach einem anstrengenden Tag komplett abzuschalten. Und Nachbarn, die sich helfen. Ein reges Vereinsleben. Während des Gesprächs an diesem regnerischen Sommertag in einer Gartenlaube fallen auch Worte wie Engagement für andere. Werte wie diesen habe sie in Oberschöntal mitbekommen.

„Meine Generation muss sich einmischen.“

Die Kandidatin, die seit 2014 Grünen-Stadträtin in Backnang, aber erst seit kurzem Parteimitglied ist, erzählt von früher. Bereits als Grundschülerin habe sie sich sehr für Politik interessiert und oft Zeitung gelesen. Später habe sie dann gelegentlich Leserbriefe an das Lokalblatt verfasst, sich bei einer Friedensinitiative engagiert und darüber geschrieben. Damals, sagt sie, „hat sich mein Blick für die Welt geöffnet“. Mit Parteipolitik indes habe sie lange „nix zu tun haben wollen“. Erst kürzlich habe sie einen älteren eigenen Facebook-Kommentar gelesen, in dem es heißt „auf keinen Fall Bundespolitik“.

Warum nun doch? Warum bei den Grünen? Und was will die Kandidatin erreichen? Melanie Lang sagt sinngemäß: Man dürfe nicht nur meckern, müsse versuchen, selbst manches besser zu machen. Eine Alternative zu den Grünen wäre eventuell die SPD gewesen, sagt sie. Aber nach einem Praktikum bei den Sozialdemokraten in Berlin habe sie den Eindruck gewonnen: Diese Partei habe keine Ideen mehr.

Lang sagt, ganz besonders am Herzen lägen ihr die Themen, die die jüngere Generation betreffen, und die Kerngebiete der Grünen, also die Umweltpolitik. Es seien schlicht zu wenig junge Leute in der Politik. Zukunftsdebatten – etwa um die Rente oder die Verkehrspolitik – müssten aber auch von jungen Abgeordneten maßgeblich bestimmt werden. „Meine Generation muss sich einmischen.“

Melanie Lang will Debatten führen über Fragen wie diese: Braucht jeder ein Auto? Ist es möglich, dass in Zukunft nur noch Busse und Bahnen fahren? Sie ist überzeugt: das Wirtschaftssystem muss sich radikal ändern, denn jeder wisse doch: Die Industrieländer verbrauchten zu viele Ressourcen. „Das kann auf Dauer nicht gut gehen“, es führe zum Klimawandel und dazu, dass sich die Menschen aus fernen Ländern auf den Weg nach Europa machten.

Melanie Lang serviert mitunter überspitzte Aussagen, zum Thema sozialer Frieden in Deutschland etwa diese: „Wenn die einen mit dem Privatjet weg fliegen, die anderen sich gar keinen Urlaub leisten können, dann geht das auf Dauer nicht gut.“ Die sozialen Sicherungssysteme müssten umgebaut werden, alle Bürger sollten in die Rentenversicherung einzahlen.

„Unser Ziel ist die Regierung.“

Und nach der Bundestagswahl? Was wollen die Grünen? „Unser Ziel ist die Regierung“, sagt die Kandidatin keck. Mit wem koalieren? „Wir sind für Gespräche mit allen offen, außer mit der AfD.“ Die Kandidatin mit Listenplatz 21 dürfte allerdings keine allzu großen Chancen haben, in den Bundestag einzuziehen. Das sieht Melanie Lang freilich anders, sagt sie jedenfalls. Zweckoptimismus?

Wenn alle kleinen Parteien in den Bundestag kämen, erklärt die Kandidatin Lang, dann würde das Parlament wegen der vielen Ausgleichsmandate übergroß. Und wenn die Grünen in Baden-Württemberg sehr gut abschneiden würden, dann, sagt die Studentin, könnte es für sie eventuell doch reichen.

Die junge Frau vom Bauernhof in Oberschöntal würde schon sehr gerne mitmischen in der großen Politik in Berlin. Und wenn es nicht reicht? Dann will sie als Lehrerin ihren Schülern Denkanstöße geben „für moralisches Handeln“.

Über Melanie Lang

Persönlich: Melanie Lang ist 28 Jahre alt. Sie ist in der Landwirtschaft auf dem elterlichen Hof bei Backnang aufgewachsen. Sie lebt in einer Wohnung auf eben diesem Hof. Seit vielen Jahren ist sie aktive Feuerwehrfrau. Sie sagt, sie liebe die Streuobstwiesen im Ländle und entspanne am besten bei einer Runde Yoga.

Politisch: Melanie Lang sitzt seit rund drei Jahren für die Grünen im Backnanger Gemeinderat.

Beruflich: Nach dem Abitur sowie einer Weltreise und einem Auslandsstudium in den Fächern Philosophie, Politik und Wirtschaft an der Otago Universität in Neuseeland arbeitete Lang zweieinhalb Jahre als Redakteurin. Sie ist als selbstständige Webdesignerin tätig und studiert derzeit an der Uni Stuttgarter Philosophie, Politik und Wirtschaft. Melanie Lang will nach dem Staatsexamen als Lehrerin an einem Gymnasium arbeiten, und das am liebsten im Raum Backnang

Fünf Fragen, fünf Tweets

Wir haben die Bundestagskandidaten aufgefordert, die Fragen im Stil der Internet-Kurznachrichten-Plattform Twitter zu beantworten. Dort sind für eine Nachricht maximal 140 Zeichen erlaubt

1) In fünf Jahren kommt der Strom in meiner Steckdose ....

...zu 60 Prozent aus Erneuerbaren Energien, weil wir in Forschung und Förderung investieren.

2) In fünf Jahren ist die Rente sicher, weil ....

...wir sie zur Bürgerversicherung für alle um- und die gesetzliche Rente sinnvoll ausbauen.

3) In fünf Jahren ist das Feinstaubproblem in Stuttgart ...

...entschärft, weil wir konsequent die Verkehrswende voran-treiben und Mobilität neu gestalten.

4) In fünf Jahren sind Flüchtlinge im Rems-Murr-Kreis ...

...gut integriert, weil wir bessere Chancen gewähren und Gemeinden bei dieser Aufgabe stärken.

5) Schon heute würde ich an Donald Trump gerne Folgendes twittern:

Too bad, that you decided to turn your back on my generation instead of leading the way to more sustainability, fairness and responsibility.