Marc Jongen fühlt sich der Region verbunden. Foto: Simon Granville/Simon Granville

Marc Jongen kandidiert im Wahlkreis Neckar-Zaber für die AfD. Er wirbt für eine andere Erinnerungskultur und mehr Unabhängigkeit von der EU.

Besigheim - Als Treffpunkt für das Gespräch mit der Zeitung hat Marc Jongen Besigheim ausgewählt. Dort, so erzählt der AfD-Kandidat für den Wahlkreis Neckar- Zaber, war sein Wahlkreisbüro. Aktuell hat er keines, weil das Haus verkauft wurde: „Es ist für die AfD nicht leicht, Räumlichkeiten zu finden, weil es immer wieder Attacken gibt. Das will man weder sich selbst noch dem Vermieter zumuten.“ Dem Wahlkreis fühlt er sich dennoch verbunden, auch wenn er selbst in Karlsruhe wohnt. Seine Verbundenheit kommt von der Begeisterung für die Schönheit der alten Fachwerkstädte, aber auch für die Landschaft. „Die Weingegend hat für mich als gebürtigen Südtiroler etwas Heimatliches“, erklärt er. Zudem stammten zwei historische Persönlichkeiten, die für ihn schon immer wichtig gewesen seien, aus der Region: der Lauffener Friedrich Hölderlin und der Marbacher Friedrich Schiller.

Man merkt: Marc Jongen ist eher ein Schöngeist. Einer der Gründe, warum er im Bundestag in den Ausschüssen für Kultur und Bildung vertreten ist und dort, wie er sagt, seine Themen in den vergangenen vier Jahren gut platzieren konnte. Kultur ist für ihn aber auch im Hinblick auf die Erinnerungskultur wichtig: „Die ist bei uns sehr stark von der NS-Zeit geprägt. Das ist auch wichtig, denn das war ein irrsinniger Zivilisationsbruch, den man nicht bagatellisieren darf, aber man darf sich auch nicht so kasteien, dass man die Legitimität unserer Kultur in Frage stellt.“ Da sei ein besorgniserregender Kulturkampf im Gange. „Ein Volk mit einer negativen Identifizierung kann kein positives Selbstbild aufbauen“, ist er überzeugt und sieht darin auch ein Hindernis für Integration. „In den USA ist das anders, da sind die Neubürger stolz dazuzugehören“, sagt er.

Migration, wo sie zuträglich ist

Im Hinblick auf die Zuwanderung müsse man fragen: wie viel und welche ist für uns zuträglich? Er findet, der Maßstab solle die Integrationsfähigkeit in die deutsche Gesellschaft sein. „Wenn man im Arbeitsleben mit deutschen Kollegen zusammen ist und die Sprache lernt, dann funktioniert das. Aber wenn die Mehrzahl bestimmter Migrantengruppen nicht in Arbeit, sondern in die Sozialsysteme kommt, dann geht gewaltig was schief.“

Ein Rechtsdriften seiner Partei kann er nicht wahrnehmen: „Das ist weit übertrieben, das sieht man auch an den großen Kontinuitäten im Programm.“ Überhaupt, sagt er, werde „rechts“ mehr und mehr wie ein Schimpfwort gebraucht. „Dabei sind rechts und links einfach politische Strömungen. Anders ist es mit rechtsextrem und linksextrem; das ist nicht zu tolerieren.“ Vieles von dem, was heute als rechts gelte, seien früher Positionen der Mitte gewesen. Und so sieht er selbst sich als „vernünftigen bürgerlichen Politikvertreter“.

Drohende Entmachtung der Nationalstaaten durch die EU

Wichtig ist es ihm auch, das Währungssystem zu stabilisieren. „Die europäische Zentralbank hat schon seit Jahren ihren Auftrag mit dem Aufkauf von Schrottpapieren und dem Drucken immer neuen Geldes zur Eurostabilisierung überschritten. So werden die Sparvermögen langsam vernichtet.“ Er fürchtet, dass „im Schatten der Coronakrise der Weg in die Fiskalunion beschritten werden könnte“. Die EU wolle immer mehr Kompetenzen, was zu einer Entmachtung der Nationalstaaten führe. „Wenn uns die Demokratie lieb und teuer ist, müssen wir das mit Sorge betrachten. Denn Demokratie funktioniert am besten auf der Ebene des Nationalstaats. Es gibt kein europäisches Nationalvolk, sondern viele Nationen mit unterschiedlichen Interessen. Und da wird Deutschland als größter Nettozahler am Ende einfach überstimmt.“

Erinnerungskultur soll auch positive Dinge umfassen, ohne NS-Zeit zu leugnen

Persönliches
Der 53-jährige Marc Jongen ist gebürtiger Südtiroler. Seit 2011 besitzt er auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Jongen ist ledig, aber langjährig liiert. Nach dem Abitur studierte er zunächst ein Jahr lang in Wien Volkswirtschaft und wechselte dann zur Philosophie. Vorübergehend arbeitete er für die neue Südtiroler Tageszeitung in Bozen. 1999 kam er zum Doktoratsstudium an die Staatliche Hochschule für Gestaltung nach Karlsruhe. Zuletzt arbeitete er dort als Dozent für Philosophie.

Politisches
Vor seinem Eintritt in die AfD war Jongen nach eigenen Angaben nicht politisch aktiv. Den Ausschlag für sein politisches Engagement gab die Finanz- und Währungskrise, bei der die Regierung in seinen Augen versagt hat. Seit dieser Zeit ist er ununterbrochen im Landesvorstand der AfD Baden-Württemberg, zunächst als Beisitzer, aktuell ist er stellvertretender Vorsitzender. Seit 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags und dort in den Ausschüssen für Kultur und Bildung aktiv.