Mit über 86 Prozent wurde Lindner von den Delegierten erneut zum Parteivorsitzenden gewählt. Foto: dpa

FDP-Parteichef Christian Lindner hat beim Bundesparteitag für eine neue Erkennbarkeit geworben– durch das Thema Wohnen und endlich auch bei der Klimapolitik.

Berlin - Christian Lindner ist mit 86,64 Prozent als FDP-Vorsitzender wiedergewählt worden. Er erhält am Freitag auf dem 70. FDP-Parteitag in Berlin 519 von 599 gültigen Delegiertenstimmen. Lindner sagt danach, dies sei ein tolles Ergebnis, das ihn motiviere, weiterzumachen. Seine neue Generalsekretärin übertrumpft ihn wenig später sogar noch: Die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg kommt auf 92,8 Prozent. Die 38-jährige Juristin löst damit Nicola Beer ab, die Spitzenkandidatin der Liberalen bei der Europawahl ist.

Wenig zuvor: Fast anderthalb Stunden schon spricht Lindner in einer mäandernden Rede. Die Delegierten folgen dem Vortrag mit regelmäßigem, freundlichen Beifall. Von den Sitzen fühlt sich niemand gerissen, eher in einen behaglichen Dämmer geredet, geborgen in dem guten Gefühl, dass die Liberalen nach außerparlamentarischen Horrorjahren wieder eine stabile Kraft sind. Dann findet Lindner doch noch eine zündende Formel, die liberales Lebensgefühl und tagespolitische Kampfrhetorik zusammenbindet: „Bauen statt Klauen“ heißt die Drei-Wort-Waffe.

Das Klauen bezieht sich auf die Berliner Pläne zu einem Referendum, dass die Enteignung eines großen Wohnungskonzerns zum Ziel hat. Das ist ein gutes Thema für die FDP, denn es zeigt die Unterschiede zur Konkurrenz. „Wir garantieren das private Eigentum“, sagt Lindner. „Keine einzige neue Wohnung“ würde durch die Enteignung geschaffen. Der Markt funktioniere. Knappes Angebot erzeuge hohe Preise, also müsste schneller und günstiger gebaut werden. „Linkspopulismus“ nennt Lindner die Enteignungskampagne. Er setzt ihr die FDP-Forderung nach einer Abschaffung des Enteignungsparagraphen 15 des Grundgesetzes entgegen.

Lindners Missverständnis beim Klimaschutz

Für die FDP ist das Thema ein Gottesgeschenk. Sie kann sich erkennbar machen. In letzter Zeit ist das nämlich nicht so einfach gewesen. Das lag vor allem daran, dass der öffentliche Diskurs zunehmend von einem Thema bestimmt worden ist, bei dem die Liberalen nicht so recht präsent waren: die Klimafrage. Und wenn die FDP erkennbar wurde, dann nicht unbedingt in sehr vorteilhafter Weise. Lindners oft verkürzt widergegebene Bemerkung, Klimaschutz sollten lieber die Profis machen, ist ihm als Generalangriff auf die protestierenden Schüler ausgelegt worden. Ganz so war sie nicht gemeint.

Eigentlich wollte der FDP-Chef darauf hinweisen, dass eine Klimakatastrophe nur durch technische Entwicklungen vermieden werden könne. Das aber ist Aufgabe der Forscher und Ingenieure. Lindner erklärt das nochmal: „Bei den Jamaika-Verhandlungen saßen der Politologe Lindner, der Soziologe Dobrindt und die Theologin Göring-Eckardt zusammen und diskutierten über Antriebstechniken.“ Das müsse schiefgehen. Lindner strickt daraus einen roten Faden. Die Klimadebatte präge eine „besondere Emotionalität“, wie schon bei Flüchtlingsdebatte oder den Diskussionen um den Ausstieg aus der Kernenergie. Das führe zu rigorosen Vorschlägen, denen die FDP „bessere Wege und mildere Mittel“ entgegensetzen will. Die Forderungen der Schüler zur Verteuerung der Energiekosten führten zu Mehrkosten von 8000 Euro im Jahr für eine vierköpfige Familie. Diesem „ökologischen Autoritarismus“ setzt die FDP ein Modell entgegen, bei dem jeder Bürger sich Rechte am CO2-Verbrauch kaufen müsse. Die Erlöse aus diesen Zertifikat-Verkäufen sollten an die Bürger gehen.

FDP soll zu neuem Kampfgeist motiviert werden

Bessere Wege, mildere Mittel. Die will die FDP auch bei der erhitzten Dieseldebatte. Wo bleibe eigentlich die Empathie für die Familien auf dem Land, die darauf angewiesen seien, mit ihren Fahrzeugen, auch Diesel-Pkws, in die Städte einfahren zu können, will der Parteichef wissen. Oder für die Familien, die Jobs in der Autoindustrie haben, die aufgrund politischer Vorgaben möglicherweise vor einem schleichenden Niedergang stehe. Immer gehe es um „Fragen der Verhältnismäßigkeit“, ökologische Ziele bräuchten auch demokratische Legitimation.

Ob das reicht, um der FDP in der Klimapolitik neue Erkennbarkeit zu geben, bleibt abzuwarten. Aber Lindner will seine Partei hier zu mehr Kampfgeist motivieren. Die Partei dürfe sich nicht mehr „abhängig machen vom Applaus des Tages“. Es sei nicht schlimm, „angegriffen zu werden, weil man für etwas steht“, schlimm sei es nur, für nichts zu stehen. Deshalb soll die FDP durchaus kritisch mit der „Friday-for-Future-Bewegung“ umgehen. Ihr auch zu widersprechen, sei eben auch eine Art, sie ernst zu nehmen. Dagegen sei das Lob der Regierenden für die jungen Aktivisten nur „opportunistisch“. Genau das aber will die FDP nicht mehr sein.