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Es sind Geschichten, die nur der Fußball erzählt: Coutinhos Leihgebühr für den FC Bayern ist in etwa so hoch wie der Marktwert des gesamten Kaders vom SC Paderborn, schreibt StN-Autor Gunter Barner.

Stuttgart - Der künftige DFB-Präsident Fritz Keller sagt: „Im Fußball ist alles nur Theater.“ Aber genau das ist es, was wir an diesem Spiel so lieben. Er weckt Emotionen, er schafft Illusionen, er stiftet Identitäten und er gibt jedem das erhabene Gefühl, Teil dieses Spektakels auf einer viel beachteten Bühne zu sein.

Kellers neue Rolle

Fritz Keller, noch Präsident des SC Freiburg, beherrscht seine künftige Hauptrolle schon perfekt. Erst guckte er am Samstag Frauenfußball. Er will ja ein Präsident für alle werden. Seine Breisgau-Brasilianerinnen unterlagen dem FC Bayern mit 1:3. Nach dem Schlusspfiff verzog er kurz das Gesicht, als wolle er sagen: Schade, aber was will man machen? Dann strampelte er emissionsfrei mit dem Rad und Helm bewehrt zum Saisonauftakt in der Bundesliga. „Fritz“, riefen seine Fans am Straßenrand, „hoffentlich machst du da keinen Fehler.“

Für die Südbadener, das muss man wissen, liegen der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und Frankfurt am Main den landsmännischen Gefühlen nach kurz vor der Grenze zu Südschweden. Im Fußball kicken eben nicht einfach nur zweimal elf Männer oder Frauen gegeneinander. Es geht immer auch um den Stolz auf eine Region, eine Stadt und einen Verein. Nirgendwo sonst bekennt sich der Mensch noch so moralisch unbedenklich zu seiner Heimat.

Klinsmann und die Gemütlichkeit

Keiner hat das je besser verinnerlicht als Uli Hoeneß, der das Freizeit- und Unterhaltungsunternehmen FC Bayern immer auch so versteht, als sei es eine schützenswerte Familie. Wann immer sich die Möglichkeit bietet, lädt er am Abend vor einem Spiel im Mannschaftsquartier die Club-Chefs und den Trainer zu einem Glas Wein. Manche Runde soll schon bis zum Morgengrauen getafelt haben. Wer sich dem Ritual verweigert, tut sich den Erzählungen nach keinen Gefallen. „Der Jürgen“, verriet Uli Hoeneß einmal mit säuerlicher Miene über den gescheiterten damaligen Bayern-Coach Klinsmann, „trankt meistens nur Wasser.“

Möglich, dass sie in so einer Herrenrunde auch den Transfer des brasilianischen Neuzugangs Coutinho ausgeschnapst haben. Ein Transfercoup, ganz ohne Zweifel. Und wenn der Weltklassemann vom FC Barcelona nur einigermaßen hält, was er verspricht, dann kann er am Ende eines hoffentlich umkämpften Titelrennens den Unterschied machen zwischen den Vollgas-Fußballern von Borussia Dortmund und den abgezockten Serienmeistern aus dem Alpenvorland.

Spaß mit dem SC Paderborn

Einem Trainer wie Steffen Baumgart muss das alles vorkommen wie ein Besuch in einer fremden Welt. Die 20 Millionen Euro Leihgebühr für Coutinho entsprechen in etwa dem Marktwert seines gesamten Teams. Er muntert mit den den Nobodys vom SC Paderborn ein bisschen die Liga auf, seine Frau führt nebenbei den Fanshop von Mitaufsteiger Union Berlin.

Andere dozieren über Grundordnungen, Spieleröffnungen, über die abkippende Sechs, über Pressing, Gegenpressing, Ballbesitz- und schnelles Umschaltspiel. Über Kompaktheit hinten und Kompaktheit vorne. Steffen Baumgart runzelt die Stirn und sagt: „Fußball ist eigentlich ganz einfach. Meine Jungs sollen Spaß haben und heiß sein auf jedes Spiel. Wenn es mir gelingt, Ihnen das zu vermitteln, dann kommt der Rest von ganz allein.“ Der ehemalige Stürmer Baumgart hat nun mal am meisten Spaß, wenn die Post nach vorn abgeht: „Es geht ja wohl darum, Tore zu schießen.“

Eine Sicht der Dinge, die Bayer Leverkusen dann doch ein bisschen überraschte. Zwar reichte es noch zum 3:2-Erfolg, aber die furchtlosen Westfalen hatten den Favoriten ordentlich das Fürchten gelehrt.

Baumgarts Topclub

Ob er sich zutrauen würde auch mal einen Topclub zu trainieren, fragte Moderatorin Dunja Hayali im Aktuellen Sportstudio. Steffen Baumgart wunderte sich kurz über die Frage, dann stieß er hervor: „Wieso? Ich bin doch bei einem Topclub.“ Der Mann hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Das ist es, warum wir den Fußball lieben.