Mehr Geld, mehr Erfolg? Die Gleichung geht im deutschen Fußball nicht mehr auf Foto: Fotolia

Der deutsche Fußball hat viel Geld, kaum noch internationalen Erfolg und wenig Lust auf neue Ideen. Höchste Zeit, das Unternehmen neu zu justieren.

Stuttgart - Start-up-Unternehmen, so stand neulich zu lesen, scheitern am häufigsten dann, wenn sie berauscht vom eigenen Erfolg die Fähigkeit verlieren, sich konsequent zu erneuern. Dabei lehrt der Fußball, dass nicht automatisch zum Torjäger wird, wer einmal einen Ball ins Netz gestolpert hat. So betrachtet war Christian Seifert gut beraten, den Spielführern des deutschen Fußballs einmal die Meinung zu geigen. Der Prinzipal der Deutschen Fußball-Liga (DFL) forderte beim Neujahrsempfang für die Steil-, Quer- und Rückpass-Experten ein Bekenntnis zur Spitze, nannte 2017 ein Jahr der verpassten Chancen und bekannte sich zu den Segnungen des wachsenden Kapitalverkehrs. Immer mehr Einnahmen aus Fernsehverträgen und Marketing-Maßnahmen zu verlangen, rief der amtlich bestellte Geldeintreiber, sei das eine, die Kohle hirnlos zu verpulvern das andere.

So jedenfalls waren die Worte des DLF-Geschäftsführers dem Sinn nach zu verstehen. Weil die Liga aber Jahr für Jahr höhere Umsätze, Gewinne und Besucherzahlen meldet, fragte sich ein Teil der erlesenen Gesellschaft, ob hier nicht einer so lange den Kopf über der Suppe schüttelt, bis er ein Haar darin findet. Die anderen dagegen nickten so heftig, dass sie Gefahr liefen, mit geschädigter Nackenmuskulatur den Heimweg anzutreten.

Gefürchtet wie tote Stubenfliegen

Wie so oft im Leben gibt es aber nicht nur defensiv oder offensiv, Schwarz oder Weiß. Richtig ist wohl, dass der 18er-Club an der Spitze des deutschen Fußballs die weiter wachsenden Überlegenheit des FC Bayern München lauthals beklagt, selber aber nicht die Spur einer Idee hat, wie diesem Zustand zu begegnen wäre. International sind deutsche Mannschaften, mit Ausnahme der Lederhosen, inzwischen so gefürchtet wie tote Stubenfliegen. Und die nationalen Darbietungen der meisten Teams sind im Vergleich zu früheren Zeiten zwar athletischer, aber in Technik und Ausführung durchschnittlich, wenn nicht jämmerlich.

Zwar flackert an den Leuchttürmen der Liga hin und wieder ein Lichtlein auf. Aber nur, um im nächsten Moment wieder zu erlöschen. Borussia Dortmund, beispielsweise, unternimmt seit einem Jahr alles, um den Bayern ja nicht mehr gefährlich zu werden. Jetzt dreht dreht der ewigen Liebe BVB sogar der lustlose Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang eine lange Nase. Es ist ein Jammer.

Konzept schlägt Kreativität

Das Mantra vom Umkehrspiel, vom Ballbesitzspiel, von Pressing und Gegenpressing hat sich in die Festplatten vor allem der jungen Konzepttrainer derart tief eingebrannt, dass es ihnen fast als Luxus gilt, eigene Spielideen zu entwickeln. Vielleicht könnte beim FC Bayern ja auch der Busfahrer auf der Bank sitzen. Aber ganz ehrlich: Die Unaufgeregtheit von Jupp Heynckes ist eine Wohltat. „Taktik und Systeme“, wetterte der geschasste TV-Experte Mehmet Scholl, „können die Spieler inzwischen furzen.“ Das ist zwar nicht der feine englische Stil, aber nicht nur beim VfB Stuttgart kommt die Kunst zu kurz, auch dann noch mit dem Ball etwas Sinnvolles anfangen zu können, wenn der gut organisierte Gegner die Räume eng macht. Im steten Bestreben im Stile einer Ziehharmonika mit Mann und Maus zu verteidigen und zu stürmen, droht die individuelle Klasse der Ausnahmekönner zu verkümmern. Aber Fußball ist nicht nur Kopf, sondern auch Bauch.

Die Trägheit der Gedanken

Diesseits und jenseits des Spielfelds gilt: Wo der Stillstand zum Programm wird, ist der Rückschritt nicht mehr weit. Und die Trägheit der Gedanken allein mit guten Geschäftsbilanzen und dem Zwang zur Tradition zu rechtfertigen, kommt dem Versuch gleich, einen Fehlpass dem Mitspieler in die Schuhe zu schieben. Die Liga braucht Ideen, Mut zur Erneuerung und die Courage, für ihre Werte zu kämpfen. Der Fußball könnte profitieren von eine Diskussionskultur, die Antworten sucht auf Fragen, die sich mit der wachsenden Kluft zwischen Teilen der Fangemeinden und dem Geldtransferbetrieb Fußball auseinandersetzen. Wie hält man es mit der jetzt schon ausgehöhlten 50+1-Regel? Kippt sie ganz? Wo beginnt das Spiel, wo endet die Show? Wie hält es der Fußball mit Moral, Ethik und Anstand? Mit Gewaltexzessen? Was bedeutet es, international konkurrenzfähig zu sein? Wo stößt die weltweite Vermarktung an ihre Grenzen?

Zwar beteuern die Club-Bosse, darunter auch VfB-Präsident Wolfgang Dietrich, dass man Kommerz und Tradition vereinen könne. Nachhaltige Konzepte, die über kosmetische Korrekturen hinaus gehen, hat aber noch kein Verein geliefert. Der Dauerzwist um von Sugar-Daddys alimentierte Vereine wie RB Leipzig oder 1899 Hoffenheim ist nach wie vor nicht beigelegt. Im Gegenteil: In Martin Kind versucht der nächste Club-Chef die Ausnahme von der 50+1-Regel zu erwirken. Nötigenfalls vor Gericht. Teile der Anhängerschaft von Hannover 96 leisten erbitterten Widerstand.

Ideen gegen Geld

Unbestritten ist: Die englische Premier League und die Spaniens Primera Division haben deutlich mehr Geld zur Verfügung als die Bundesliga. Aber mit dem wachsenden Einfluss von Investoren ohne gewachsene Verbindung zum Club, wird der Fußball mehr und mehr zum Spekulationsobjekt. Der Konter des deutschen Fußballs ließe sich so formulieren: Ihr habt mehr Geld, wir die besseren Ideen.