Niklas Stark (vorn) schaufelt den Ball weg von Mario Gomez – und ins Tor von Hertha BSC Foto: Baumann

Mit Dusel und mit Gomez: Der VfB Stuttgart trifft wieder. Beim Rückrundenstart der Fußball-Bundesliga musste allerdings ein Missgeschick von Hertha BSC helfen. „Aber Eigentore“, schreibt StN-Autor Gunter Barner in seiner Kolumne, „sind auf Dauer auch keine Lösung.“

Stuttgart - Wenn nicht alles täuscht, schoss der Mensch sein erstes Eigentor schon im Paradies. Weil es Eva mit dem Apfel partout nicht erwarten konnte. Aber manchmal ist das Leben gerecht: Bestimmt hat es deshalb so lange gedauert, bis auch Frauen Fußball spielen durften. Nach christlicher Regel jedenfalls macht uns dieser Schuss ins falsche Tor das Leben schwerer als unbedingt nötig.

Sehnsucht nach einem offensiven Facharbeiter

Ganz besonders aber dem VfB Stuttgart, der wieder mal alles Glück der Welt brauchte und ein Eigentor, um Hertha BSC in die Knie zu zwingen. Nicht ganz zufällig hatte das wieder entdeckte Lieblingskind des weiß-roten Schicksals seine Beine im Spiel: Ganz und gar unerheblich dabei ist, ob das Karma von Mario Gomez den Ball ins Netz beförderte oder Unglücksrabe Niklas Stark. Es zählt allein das Ergebnis. Und womöglich ist es für die Freunde gepflegter Fußballkultur nur klug, sich an die tröstenden Worte eines Kollegen zu halten: „Das mit dem Fußball wird völlig überbewertet.“ Ungeachtet dessen keimte im Betrachter die unstillbare Sehnsucht nach einem Facharbeiter auf, der im Bestreben das Spielgerät schnell in die Nähe des gegnerischen Tores zu befördern, nicht zwangsläufig über das eigene Gehwerkzeug stolpert. Aber Namen von ehemaligen VfB-Größen wie Robert Schlienz, Buffy Ettmayer, Asgeir Sigurvinsson, Hansi Müller, Carlos Dunga oder Krassimir Balakov aneinanderzureihen, erscheint nach aktuellen Maßstäben so hilfreich wie eine Zwiebel ohne Taucherbrille zu schneiden: Es treibt dem Sportsfreund nur die Tränen in die Augen.

Wenn der Schuss nach hinten losgeht

Allerdings lehrt uns nicht zuletzt die VfB-Fußball-Geschichte: Öfter mal ein Eigentor ist auf Dauer auch keine Lösung – weil der Schuss im dümmsten Fall nach hinten losgeht. Worauf wohl auch die mit Lebensweisheit getränkte Frage eines unbekannten Fußball-Lehrers zielt: „Warum sollten wir die Eigentore der anderen schießen?“ Erinnert sei überdies an den Sports-Kameraden Georg „Schorsch“ Niedermeier, der in der VfB-Abstiegssaison gleich zweimal das zweifelhafte Vergnügen hatte, die Früchte seiner Abwehrarbeit aus dem eigenen Tor zu fischen: Beim 1:4 gegen Borussia Dortmund und beim 1:3 gegen den FC Bayern. Weil sich bis zu diesem Zeitpunkt der Saison bereits vier weitere VfB-Meisterschützen in der Richtung geirrt hatten, meldete die Statistik einen Bundesliga-Eigentorrekord. Unter den Geehrten: Kevin Großkreutz. Ein Spezialist für Eigentore in des Wortes doppelter Bedeutung. Er ermunterte dieser Tage die Fans von Borussia Dortmund in ihrem Vorhaben, ein Montagabendspiel durch Streik zu ächten. Ohne jedoch im selben Atemzug die Höhe seines Lohnverzichts zu benennen. Bisher wurde jedenfalls nicht bekannt, dass die Profis des SV Darmstadt 98 ihre Gehälter von der Caritas beziehen.

Das zeigt: Eigentore werden nicht nur auf dem Spielfeld geschossen. Das Missgeschick, in bester Absicht das genaue Gegenteil des eigentlichen Vorhabens zu bewirken, ereilt den Menschen in allen Lebenslagen. Zum Beispiel dann, wenn er im unerschütterlichen Glauben die lieben Kollegen zu erheitern, die Pantomime eines Chefs zelebriert, der rein zufällig hinter ihm steht.

Beckenbauers Kunststück: zwei in einer Woche

Unbestritten dienen Eigentore im Sport wie im richtigen Leben zur Einübung erhöhter Frustrations-Toleranzen. Franz Beckenbauer etwa gelang das Kunststück 1975 zweimal binnen einer Woche. Seine Erkenntnis: „Wenn du ein Eigentor schießt, bist du der letzte Depp.“ Michael Ballack leitete mit einem Eigentor die Schmach ein, die im Mai 2000 in einer Niederlage bei der SpVgg Unterhaching mündete und Bayer Leverkusen am letzten Spieltag den Meistertitel kostete. Das Schicksal, unser ständiger Begleiter - diesseits und jenseits des Rasens. Oder wie Freiburgs Torhüter Richard Golz einmal erkannte: „Mal bist du Hund, mal bist du Baum.“