Serdar Tasci: Am Ball für den FC Bayern. Foto: dpa

Serdar Tasci wuchs in Altbach auf, und vielleicht hat ihn ein alter Herr mit großem Namen noch kicken sehen: Johann Herberger.

Stuttgart - In Altbach heißt Serdar Tasci nur „der Altbacher“. Das ist kein Wunder, denn in Altbach – zwischen Esslingen und Plochingen am Neckar gelegen – gibt es nicht viel. Ein gewaltiges Kohlekraftwerk, das mit seinen Wasserdampfschwaden manchmal das ganze Dorf in den Schatten stellt. Und ihn, Serdar Tasci. Profi-Fußballer, jetzt bei Bayern München. Ein großer Sohn des Dorfes, nein: der große Sohn des Dorfes. Jetzt ist Serdar Tasci wieder da. Und wenn er im Fernsehen Interviews gibt nach seinem Bundesliga-Comeback in der Startelf von Bayern München, dann wachsen die Leute in Altbach um ein paar Zentimeter. Irgendwie, denken sie, ist das noch einer von uns.

Es gibt Schlimmeres als in Altbach aufgewachsen zu sein. Als Kolumnist kann ich das beurteilen. Ich bin auch in Altbach aufgewachsen. Es gibt einen gut aufgestellten Turnverein. Dort wird geturnt und Handball gespielt. Und es gibt den Sportclub. Dort wird gekickt. Noch eine Gemeinsamkeit von Kicker und Kolumnist: Beide haben beim SCA in der F-Jugend gespielt. Der eine ist irgendwann zu den Kickers und dann zum VfB gegangen, der andere zur Zeitung – aber 20 Jahre vorher.

Als sich der VfB Stuttgart 2007 anschickte, sensationell Deutscher Fußballmeister zu werden, war der 19-jährige Innenverteidiger Tasci der Star auf dem Wasen. Wurde hoch gehandelt als kommender Nationalspieler. Fragen beantwortete er leise und vorsichtig. Und als er den Reporter am Ende des Interviews in seinem kleinen Audi mitnehmen sollte, wunderte sich Tasci ein bisschen. Nach Altbach – ausgerechnet.

Tasci taucht in Moskau unter

Die Zeiten haben sich geändert. Tasci (28) ist ein Mann geworden. Deutscher Meister 2007. Und WM-Teilnehmer 2010. Danach war Schluss mit Nationalmannschaft. Beim kriselnden VfB trat der Deutschtürke als Letzter einer „goldenen Generation“ auf der Stelle, wechselte 2013 schließlich zu Spartak Moskau – und tauchte im Putin-Land unter. Der ganz große Durchbruch des Hochbegabten? Fand nicht statt.

In Altbach weiß man nicht mehr so genau Bescheid über Tasci. Ein Haus an der Hauptstraße soll ihm noch gehören. Einen Steinwurf weiter bauen die Altbacher bald ihr neues Rathaus. Ebenfalls in der Nähe stand ein Haus, in dem mehr als 30 Jahre lang ein Mann namens Herberger gewohnt hat. Johann Herberger. Er war der Neffe des Weltmeistertrainers Sepp Herberger. Er muss ein begnadeter Kicker gewesen sein. Johann Herberger spielte – und hier wird’s spannend – bei den Stuttgarter Kickers (1949-1954), beim VfB Stuttgart (1947-1949) und bei Bayern München (1945-1946). Kommt Ihnen das bekannt vor?

Ältere Altbacher erinnern sich an den Mann, der bis zu seinem Tod 2002 ganz bescheiden am Dorfleben teilnahm. Ältere VfB- und Kickers-Fans vermutlich auch. Denn Johann Herberger war über Jahre hinweg eine feste Größe in den Oberliga-Teams auf Wasen und Waldau. Später war er bei den Kickers noch Spielausschussvorsitzender und hielt sich bei den „Fuakl“ (Furchtbar alten Kickers-Leichtathleten) fit. Gelegentlich trat er bei Einlagespielen an. Dass er dazwischen 14 Jahre lang in den USA gelebt und für einige Zeit auch die US-Nationalmannschaft trainiert hat, kann hier nur eine Randnotiz sein und ist in einer im Internet veröffentlichten Biografie nachzulesen.

Herberger und Tasci als Nachbarn

Interessant ist, dass auch Johann Herberger das Zeug zu einem großen Internationalen gehabt hätte, möglicherweise aber daran scheiterte, dass der eigene Onkel Sepp ihn nicht aufstellen wollte. Von all dem hat Herberger in Altbach nicht viel erzählt.

Johann Herberger und Serdar Tasci. Die Geschichte ähnelt sich. Und das Dörflein Altbach ist ihre Klammer. Herberger und Tasci waren ja fast Nachbarn. Womöglich sind sie sich regelmäßig auf der Straße begegnet? Unter Umständen hat der Alte den Knirps auf einem seiner Spaziergänge auf dem Bolzplatz kicken sehen? Vielleicht haben die beiden miteinander gesprochen? Ein elektrisierender Gedanke. Jedenfalls für einen Altbacher.