Ein Flugblatt aus dem Jahr 1949: von Beginn an war der Bund der Steuerzahler für einen gläsernen Staat und ein sparsames Haushalten der Öffentlichen Hand. Foto: Scan StZ

Im Herbst 1949 wurde der Bund der Steuerzahler in Stuttgart gegründet. Seine Forderungen von damals, in der Frühzeit der Bundesrepublik, haben eine überraschende Aktualität.

Stuttgart - Direkt vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof kam es zu einem Menschenauflauf. Ein Reporter des „Spiegel“ berichtet, Polizisten hätten bereits zu ihren Gummiknüppeln gegriffen, um die nicht angemeldete Versammlung aufzulösen. Aber dann hätten die Beamten bemerkt, dass es sich nicht um einen gefährlichen Aufruhr handelte. Die Menschen stauten sich friedlich diskutierend um einige Flugblattverteiler einer bis dahin unbekannten Organisation: dem „Bund der Steuerzahler e.V.“

Auf den Flugblättern, die an diesem Herbsttag des Jahres 1949 verteilt wurden, standen vier Fragen: „Sind die heutigen Steuergesetze gut? Werden Sie vernünftig angewendet? Was geschieht mit den Steuergeldern? Werden sie zweckmäßig verwendet?“ Es sind Fragen, die noch immer aktuell sind. Und sie werden weiterhin gestellt vom selben Bund der Steuerzahler, der in diesen Tagen seinen siebzigsten Geburtstag feiert.

Aus der Taufe gehoben wurde der Verein wenige Tage vor der Flugblattaktion im Gasthof „Zur Krone“ in Stuttgart-Uhlbach. Dort, wo am 21. Oktober 1949 sieben Männer den Verein gründeten, wollen siebzig Jahre später die heutigen Vorsitzenden der Landesverbände „die Historie noch einmal aufleben lassen“, wie Zenon Bilaniuk sagt, der Vorsitzende des baden-württembergischen Landesverbandes und stellvertretende Präsident des Bundesverbandes. „Wir werden zwar nicht den gleichen Wein trinken, aber immerhin einen Tropfen der gleichen Rebe.“

Staatshaushalt als Geheimsache

Die Gründer des baden-württembergischen Steuerzahlbunds waren vor allem Finanzwissenschaftler und Kaufleute aus dem Südwesten. Zum ersten Präsidenten wurde Hermann Wunderlich gewählt, damals einer der Haupttreuhänder der Heinkel-Werke. In seiner Wohnung am Stuttgarter Gähkopf entstand die Idee zur Vereinsgründung. Zu den Erstmitgliedern gehörte aber auch Heinrich Kuntze, ein Wirtschaftsredakteur der „Stuttgarter Zeitung“.

Angetrieben wurden die Steuerrebellen von ihrer Wut auf einen Staat, der seine Etats als Geheimsache behandelte. Und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Westdeutschland teilweise horrend hohe Steuerbelastungen – mit einem Spitzensatz bei der Einkommensteuer von 95 Prozent, einem Körperschaftsteuersatz von 60 Prozent und hohen Vermögensteuern. Von Beginn an setzte sich der Steuerzahlerbund für einen transparenten Staat, für niedrige Steuern und gegen öffentliche Geldverschwendung ein.

„Sorgloser Umgang mit Steuergeldern“

Zumindest beim Wunsch nach einem in Finanzdingen gläsernen Staat ist er weit vorangekommen. „Alle Haushalte werden heute offengelegt“, sagt Bilaniuk, „sodass jeder Steuerzahler sehen kann, wofür sein Geld ausgegeben wird.“ Größere Erfolge konnte der Verband auch beim Kampf gegen die „Kalte Progression“ im Steuerrecht, für die Erhaltung der Entfernungspauschale und bei der Aufnahme der Schuldenbremse ins Grundgesetz verbuchen.

Unvermindert trommelt der Steuerzahlerbund allerdings für Steuersenkungen und gegen Geldverschwendung. Seine populären Markenzeichen sind das „Schwarzbuch“, in dem einmal im Jahr Fälle des „sorglosen Umgangs mit dem Geld der Steuerzahler“ angeprangert werden, und die Schuldenuhr. In roten Ziffern wird über dem Eingang der Berliner Zentrale der aktuelle Schuldenstand der öffentlichen Hand abgebildet. Immer wieder unterstützt der Steuerzahlerbund auch einzelne Bürger vor Gericht gegen die Finanzbehörden – aktuell bei der Klage eines bayrischen Ehepaars gegen den Solidaritätszuschlag.

Nicht nur deshalb wird der Verband oft mit Steuerberatern oder Lohnsteuerhilfevereinen verwechselt. „Wir machen aber keine individuelle Steuerberatung“, sagt der Präsident des Bundesverbandes, Reiner Holznagel. Der Steuerzahlerbund sei eine „altruistische“ Interessenvertretung, die sich für eine solide Finanzpolitik und einen besonnenen Umgang mit Steuergeldern einsetze.

„Skandalisierungsinstrumente mit begrenztem Lernwert“

An der beschworenen Selbstlosigkeit des Steuerzahlerbunds gibt es jedoch Zweifel. Kritiker werfen ihm vor, mit seinen medienwirksamen Aktionen Effekthascherei zu betreiben. „Das sind Skandalisierungsinstrumente mit begrenztem Lernwert“, urteilte bereits vor einigen Jahren der Lobbyismus-Forscher Rudolf Speth. Zudem gibt es Zweifel, dass der Verband mit seinem lautstarken Einsatz für Niedrigsteuern und einen gertenschlanken Staat wirklich die Interessen der großen Mehrheit der Steuerzahler vertritt. In dem Verein organisiert seien vor allem Kleingewerbetreibende und Freiberufler – und das spüre man auch in seinen politischen Forderungen.

Der Verband selbst hat dazu keine exakten Zahlen. Allerdings habe sich die Mitgliederstruktur in den letzten Jahren stark verändert. „Der Anteil von Handwerkern oder Einzelhändlern ist zurückgegangen, der Anteil von Rentnern und Arbeitnehmern hat zugenommen“, sagt Bilaniuk. Mit rund 210000 Mitgliedern ist der deutsche Steuerzahlerbund vermutlich immer noch die weltweit größte Vereinigung von Steuerzahlern. Um die Jahrtausendwende allerdings waren hier noch mehr als 400000 Steuerzahler organisiert.