Anika Knöll unterstützt seit September den Stadtjugendring von L.-E. Foto: Natalie Kanter

Soziale Einrichtungen auf den Fildern setzen nach dem Aus des Zivildienstes auf BFD’ler. Der Wegfall der Zivis kostet Behindertenwerkstätten viel Geld.

Filder - Tausende Flyer und Plakate wanderten in den vergangenen drei Tagen durch die Hände von Anika Knöll. Werbung für Veranstaltungen des Stadtjugendrings (SJR) L.-E. musste gedruckt, geschnitten, gefaltet, gestapelt und an Schulen, Rathäuser, Büchereien und andere öffentliche Einrichtungen verschickt werden. „Das Abzählen war schon etwas mühselig“, sagt die 19-Jährige. Gleichzeitig klingelte ständig das Telefon. Vereine wollten Spielgeräte, Zelte und Fahrzeuge abgeben oder ausleihen.

Die junge Frau absolviert seit September 2012 ihren Bundesfreiwilligendienst beim SJR. Sie betreut Schüler in deren Mittagspause, bereitet Veranstaltungen vor und ist für die Terminplanung des Materialverleihs zuständig. Sie koordiniert also wer, was, wann ausleihen kann. „Das ist eine verantwortliche Tätigkeit. Die Vereine verlassen sich darauf“, sagt Geschäftsführer Frank Stüber.

Anika Knöll radelt jeden Morgen von ihrem Leinfeldener Elternhaus zum Echterdinger Kulturforum, um für 400 Euro im Monat eine 39-Stunden-Woche zu stemmen. Sie arbeitet als Bufdi, weil „soziales Engagement gut ankommt“ – bei Arbeitgebern und auch bei Universitäten. Die 19-Jährige legt ihren kleinen Verdienst auf die hohe Kante. Sie spart das Geld für ihr Studium. Sie will Übersetzerin für Französisch und Italienisch werden.

Bufdis wie Knöll ersetzen die früheren Zivis. Ohne sie stünden viele soziale Einrichtungen vor Problemen. „Wir müssten dann einen Betreuer mehr einstellen“, sagt Miranda Belz. „Und die Arbeit am Kind selbst würde zu kurz kommen.“ Belz leitet auf dem Musberger Aktivspielplatz den Hort. Der Aki hatte vor Kurzem „einen lebenspraktischen Menschen mit handwerklichen Geschick“ als neuen BFD’ler gesucht. Und wurde fündig. Ein junger Mann wird von März an die Mitarbeiter unterstützen. Er fungiert als Hausmeister, ist für die Hygiene zuständig und darf sich beim Bau von Seifenkisten und Hütten austoben.

Wegfall der Zivis kostet viel Geld

Den Filderstädter Karl-Schubert-Werkstätten kostet der Wegfall des Zivildienstes viel Geld. Der Koordinator der Werkstatt, Christof Mellinghaus, spricht von einer Kostenexplosion. Er schätzt die Mehrbelastung pro Jahr auf mehr als 10 000 Euro. Mehr als 30 Zivis hatten vor dem Wegfall der Wehrpflicht dort gearbeitet. Sie brachten die Behinderten von zuhause zur Arbeit und wieder zurück. Der Fahrdienst wurde professionalisiert. Die Werkstätten haben Fahrer eingestellt. Ein Busunternehmen und die Johanniter sind für die Einrichtung unterwegs. Die Stellen der freiwilligen Helfer wurden reduziert. BFD’ler wirken vor allem bei der Gruppenarbeit mit.

Anika Knöll lernt derweil in Seminaren die Rechte und Pflichten der Bundesfreiwilligendienstler. Sie tauscht sich dort mit anderen Helfern aus und berichtet, dass manche Einrichtung ihren Bufdis lediglich 250 Euro zahlen. „Wenn sie eine Fahrkarte brauchen und jeden Mittag Geld für ein Essen, ist das Geld schnell weg“, sagt sie.

Die Höhe der Aufwandsentschädigung wird mit der Einsatzstelle selbst verhandelt. Gibt es weitere Unterschiede zum Zivi? „Der Zivildienst war ein Pflichtdienst“, antwortet Stüber. „Für den BFD entscheiden sich die Menschen freiwillig, also ganz bewusst.“ Die Richtlinien seien noch in der Entwicklung. Der Dienst nähere sich dem freiwilligen sozialen Jahr an.

Zwei Frauen absolvieren beim Stadtjugendring ein soziales Jahr. Sie sind hauptsächlich für die pädagogische Arbeit, also die Betreuung von Kindern, zuständig. Sie unterstützen Knöll aber auch. So bringen sie beispielsweise einen kaputten Bus in die Werkstatt, während die 19-Jährige mit der Presse spricht.