Mutmacher: Ministerpräsident Winfried Kretschmann versichert den Bürgermeistern in der Gerlinger Stadthalle, es sei eine großartige Herausforderung, Krisen bewältigen zu können. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Mehr Geld, weniger Ärger: Die Bürgermeister im Land wollen ihren Beruf attraktiver machen, wenigstens ein bisschen. Sie machen sich Sorgen um den Nachwuchs und um sich selbst. Sorgen sind das, die nicht nur die Amtsinhaber umtreiben sollten.

Wären die vielen Herren und die wenigen Damen, die in der Gerlinger Stadthalle versammelt sind, nicht so wohlgeraten, dann würden sie vielleicht raus auf die Straße ziehen. Mit Trillerpfeifen und Plakaten, auf denen steht „Mehr Kohle“ oder „Mehr Respekt“.

Grund genug hätten sie. Doch die Herren und Damen sind Bürgermeister, sie treffen sich zu ihrer Verbandsversammlung. Auf die Straße gehen sie nicht, aber dem Ministerpräsidenten Kretschmann ein paar Zusagen abringen, das wollen sie schon. Sie machen sich Sorgen um ihren Berufsstand.

Ein kurioses Bewerberfeld

Wer das Örtchen Schwanau im Ortenaukreis nicht kannte, lernte es im März kennen. Dort sendete ein Radiosender einen so inspirierenden Beitrag über die nahende Bürgermeisterwahl, dass plötzlich elf Personen Chef von Schwanau werden wollten. Bis dahin hatte es keine einzige Bewerbung gegeben.

Wirklich weiter brachte das Schwanau allerdings nicht, dessen langjähriger Bürgermeister nicht mehr antrat. Denn unter den zahlreichen Kandidaten waren zwar vielfältige Berufsbilder, vom Busfahrer über den Zeitungszusteller bis zum Buchbinder, allerdings nur ein einziger qualifizierter Bewerber. Und der zog letztlich aus gesundheitlichen Gründen zurück.

Mehr Anreize für Amtsinhaber

Michael Makurath hat sich über diese Posse nicht allzu sehr gewundert. Bürgermeister, das weiß der Oberbürgermeister von Ditzingen, ist kein Beruf für jeden oder jede. Allerdings hat Michael Makurath die große Sorge, dass so etwas wie in Schwanau noch öfter passieren wird. Weil der Beruf nicht mehr als attraktiv genug gilt. Als Präsident des Verbands baden-württembergischer Bürgermeister, der Makurath auch ist, hat er deshalb ein paar Forderungen.

Zum Beispiel, dass die Zulage, die Stadtoberhäupter ab ihrer dritten Amtszeit bekommen, später auf ihr Ruhegehalt angerechnet wird. Und dass zu diesen Amtszeiten auch Dienstjahre in Wahlämtern anderer Kommunen angerechnet werden. Damit das Zählen bei einem Wechsel nicht von vorne beginnt. Klingt nicht besonders revolutionär? Würde aber, schätzt Makurath, sehr helfen, den Beruf des Bürgermeisters „in schwieriger Zeit attraktiv zu halten“.

Ein ungeliebter Rekord

Den Rekord, den Benedikt Paulowitsch hält, ist keiner, auf den man stolz sein kann. Der Bürgermeister von Kernen war so lange Amtsverweser, wie noch kein Bürgermeister im Land vor ihm. Ende September 2019 war Paulowitsch im Remstal gewählt worden, doch antreten konnte er sein Amt nicht. Einer der seiner Gegenkandidaten, der schillernde Thomas Hornauer, hatte Einspruch eingelegt. Hornauer, das zur Einordnung, hatten 0,4 Prozent der Berechtigten gewählt. Bis die Sache letztlich vor Gericht geklärt war, vergingen fast zwei Jahre. Erst seit Januar 2022 ist es Benedikt Paulowitsch gestattet, im Gemeinderat über die Belange der Kommune mit abzustimmen, deren Bürgermeister er ist.

Auch in kleineren Kommunen sollten Bürgermeister-Kandidaten eine gewisse Anzahl an Unterstützungsunterschriften vorlegen, schlägt der Bürgermeister-Verband vor. Und: Wird eine Wahl angefochten, sollte der Sieger das Amt dennoch mit allen Rechten antreten können. Zwei Maßnahmen, sagt Makurath, die das Feld der Juxkandidaten eingrenzen könnten.

Viel Arbeit, wenig Anerkennung

Der Ministerpräsident kennt die Forderungen, der Verband trägt sie schon lange vor. Winfried Kretschmann weiß auch, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, dass langjährige und verdienstvolle Bürgermeister einfach immer weiter machen. Viele haben keine Lust mehr – oder werden, früher kaum vorstellbar, abgewählt. Und er weiß aus eigener Erfahrung, dass der Ton so viel rauer geworden ist und die Zahl der Anfeindungen so viel größer und auch brutaler. Und die Arbeit so viel fordernder. Wohnungsnot, Kitaplätze, Energiewende, Flüchtlinge, Corona, und und und – und alles gleichzeitig.

Der Landeschef versteht die Stadtchefs

Was also kann der Landeschef tun für die Stadtchefs? Zaubern nicht, das war den rund 200 Teilnehmern in Gerlingen schon vorher klar. Aber ernst nehmen. Die Sache mit der Anrechnung der Zulage werde „ganz konkret“ geprüft, sagt Kretschmann etwa. Und auch, ob Bürgermeister mehr Geld aus ihren kommunalen Nebentätigkeiten für sich behalten können. Hürden für Juxkandidaten einzuziehen, hält er für nachvollziehbar; auf den Amtsverweser zu verzichten für schwierig. Was, wenn seine Wahl wirklich ungültig war? Vielleicht aber könne man wenigstens regeln, dass diese Prüfung rascher vonstatten geht.

Im August wird es wieder spannend

Die Seele der Bürgermeister streicheln, das kann der Ministerpräsident auch. Es sei auch eine großartige Herausforderung, Krisen bewältigen zu können. „Dafür hat man Sie gewählt!“, sagt Kretschmann und bekommt kräftigen Applaus.

Ob das hilft?

In Schwanau, dieser berühmt-berüchtigten Gemeinde im Ortenaukreis, ist es nun übrigens so: Nach einigem nicht minder kuriosen Hin und Her begann das Prozedere von vorn, und im August steht wieder die Wahl des neuen Bürgermeisters auf dem Plan. Bis jetzt gibt es vier Bewerber, einer davon hat Erfahrung in der Kommunalpolitik.