Täglich staut sich der Verkehr durch den Ditzinger Teilort. Foto: factum/

Die Heimerdinger Umfahrung wird seit Jahrzehnten gewollt und nun seit Jahren geplant. Das ist einer Bürgerinitiative zu wenig.

Ditzingen - Erstmals gehen die Heimerdinger auf die Straße, um für eine Verkehrsentlastung zu demonstrieren. Der Wille bei der Verwaltung sei vorhanden, konstatiert Hans-Peter Stamp von der Bürgerinitiative Südumfahrung. Doch der allein reiche nicht aus, um das Bauprojekt umsetzen zu können.

Kaum fährt die Strohgäubahn nach Jahren wieder nach Heimerdingen – und schon gehen die Heimerdinger auf die Straße. Was ist da los?

Ich bin nicht gegen die Strohgäubahn. Doch wenn man eine Maßnahme macht, muss man auch den Kontext betrachten. Die Firma Mauser wurde aus Ditzingen hierhin umgesiedelt mit der Maßgabe, sie bekomme einen Anschluss an die Umgehungsstraße. Jetzt ist die Firma Mauser da, wird im Herbst ihre 130 Lkw-Fahrten bringen und die Straße ist noch nicht gebaut. Hätte man die Bahn zusammen mit der Straße gemacht, hätte ich kein Problem. Die Anbindung Heimerdingens ist optimal. Aber wenn die Schranken alle halbe Stunden runtergehen, stehen die Autos da mit laufendem Motor.

Das bedeutet?

Seit Jahren messen wir den Feinstaub. Alle halbe Stunde sind die Ausschläge zu sehen. Die fünf Autos aus Heimerdingen sind nicht das Problem, sondern der Durchgangsverkehr. Man hätte die Bahn machen können – aber eben zugleich mit der Straße.

Gewohnheiten hinterfragen

Fahren Sie mit der Strohgäubahn?

Ich habe mir für die Ferien vorgenommen, selbst mit der Bahn nach Korntal zu fahren, in die S-Bahn umzusteigen und dann bis zum Charlottenplatz zu fahren. Aber ganz ehrlich: Ich bin schneller, wenn ich mit dem Auto zehn Minuten bis Stuttgart-Giebel fahre und in die U 6 umsteige.

Die Macht der Gewohnheit ist groß.

Ich bin vor eindreiviertel Jahren umgestiegen vom Auto auf die Stadtbahn. Ich war kein Bahnfahrer, die ersten drei Wochen dachte ich, ich sterbe, ich wusste nichts mit mir anzufangen. Mittlerweile sage ich, es war das Beste, was ich machen konnte. Ich fahre bis zum Charlottenplatz, laufe zwei Minuten und bin da. Warum fährt die Strohgäubahn nicht bis nach Stuttgart-Zuffenhausen?

Das ist eine andere Diskussion.

Das sind Puzzleteile. Aber bleiben wir realistisch. Wir klagen auf hohem Niveau. Trotzdem: wenn die Kommunalpolitik die Bürger 40 Jahre an der Nase herumführt, ist das schlecht. Die Straße ist seit 40 Jahren im Gespräch. Ich meine, auch den Knackpunkt dafür ausgemacht zu haben, dass sie noch immer nicht gebaut ist.

Nämlich?

Es gibt keinen, der die Straße will und in der Position ist, das Projekt auch zu machen. Nehmen Sie als Beispiel die Umfahrung Schöckingen. Herr Makurath wurde gewählt und hat die Straße eröffnet. Aber es ist nicht sein Verdienst. Da war ein Herr Oettinger dabei und ein Regierungspräsident. Sie wollten die Straße, sie war deren Kind. Ich mache Herrn Makurath nicht den Vorwurf, er wolle die Straße verhindern. Aber ihm fehlt die nötige Motivation. Wenn er die Straße baut, bekommt er zwei Monate lang dreimal die Woche einen Schulterklopfer und alle sind stolz auf ihn. Das ist alles. Wenn er eine Firma ansiedelt, bedeutet das Steuereinnahmen für die Stadt – und das rechnet sich. Das ist die Motivation.

Die Stadt zahlt, das Land freut sich?

Sie meinen wirklich, es hängt allein an der Motivation?

Nein. So eine Straße plant eine Stadt nicht fünfmal im Jahr. Deshalb tut sie sich schwer damit. Man muss nacharbeiten. Ich kann nicht erwarten, dass alles gleich beim ersten Mal passt. Aber sechsmal hat man nacharbeiten müssen. Dreimal hätten auch gereicht. Wenn ich etwas wirklich will, strenge ich mich an und mache es richtig. Will ich eine Genehmigung erhalten, muss ich die Form einhalten, ob mir das gefällt oder nicht. Das ist beim Hausbau nicht anderes. Wenn der Bauantrag nicht den Vorgaben entspricht, bekomme ich keine Baugenehmigung.

Warum haben Sie jetzt demonstriert?

Letztes Jahr im Herbst hieß es, wir sind kurz vor der Abgabe des RE-Entwurfs. . . .

. . . der Entwurf nach den Richtlinien des Straßenbaus ist zwingend . . .

Jetzt sind wir kurz vor den Ferien, und es gibt noch keine Genehmigung. Das war der Anlass für uns, um auf die Straße zu gehen.

Was kann ein kleiner Verein ausrichten?

150 demonstrierten, der Verein hat rund 200 Mitglieder.

Das ist zu wenig für den Ort. Doch kein alteingesessener Heimerdinger war bereit, in den Vorstand zu kommen. Sie sind so frustriert. Sie warten seit 40 Jahren auf die Straße und sagen ’Die Straße kommt nicht mehr’. Es ist schwer. Wir haben aber auch einen Gerlinger unter den Mitgliedern, der bei Porsche arbeitet. Er muss hier immer durchfahren.

Für die Straße wurde erstmals demonstriert. Sind Sie selbst denn Demo-erfahren?

Nein. Ich kam ohne Megafon. Das mache ich nie wieder. Ich habe sofort am Abend ein Megafon gekauft. Und die Hemminger haben sich ein bisschen beklagt, dass wir sie nicht informiert hatten. Herr Makurath hat eine ganze Stunde mit uns diskutiert, das war gut. Er sagte, wir demonstrierten vor dem falschen Haus, wir müssten vor dem Ministerium demonstrieren. Doch ich bin nach wie vor der Meinung, es liegt nicht am Land.

Das Land hat inzwischen sogar eine finanzielle Beteiligung gefordert – wohlgemerkt für den Bau einer Landesstraße.

Es ist wie am Arbeitsmarkt. Wenn ich etwas möchte, muss ich mich bewegen. Wenn nicht, kommt Perouse, kommt Geislingen und baut zuerst eine Umfahrungsstraße.

Vier Millionen sind nicht nichts.

Das war der Goodwill, um weiter nach vorne zu kommen, weil die Schlange lang ist. Das ist Usus, das machen alle. Wir wissen dieses auch zu schätzen und rechnen der Kommune das auch hoch an.

Das freut das Land.

Natürlich. Doch es erhöht auch die Anzahl der machbaren Projekte. Ist dem Oberbürgermeister die Straße nun wichtig oder nicht?

Sie sind verärgert über die Verwaltung?

Ich bin nur in der Hinsicht verärgert, dass sie den Bogen dessen, was sie uns zumuten will und kann, ziemlich oft überspannt. Denn auch wenn die Planung genehmigt ist – längst sind nicht alle notwendigen Grundstücke gekauft. Wer hindert die Stadt daran, bereits in die Verhandlungen zu gehen? Fakt ist, die Stadt hat mit den Leuten noch gar nicht gesprochen, zumindest nicht mit allen.

Bemerkenswert, dass die Bürger jetzt erst laut werden, oder nicht?

Es hat einen Anstoß von außen gebraucht, weil die Einwohner inzwischen schon lethargisch sind.

Sie selbst wohnen auch bereits seit fünf Jahren hier. . .

Wir haben uns nach der Demo gefragt, warum wir das nicht schon früher gemacht haben. Aber ich muss ehrlich sagen, ich habe den Erfolg nicht gesehen. Ich war nicht überzeugt davon, dass eine Demo mehr bringt als die Arbeit, die wir tun. Wir haben für Gespräche zwischen Land, Kommune und uns gesorgt. Man hat versucht, der Straße ein Gesicht zu geben. Doch wir sind alle grün hinter den Ohren, wir müssen dazulernen. Wir sind ein junger Verein. Glauben Sie nicht, wie schwierig es war, die politische Färbung herauszuhalten. Wir wollen in keine Ecke gestellt werden – weder links noch rechts. Wir wollen die Straße.