Der Wunsch des SV Möhringen nach einem Kunstrasenplatz erhielt beim Bürgerhaushalt die meisten Stimmen. Foto: Eibner-Pressefoto

Auf die Frage, was in den Haushalt von Stuttgart soll, haben mehr als 50.000 Einwohner ihre Stimmen abgegeben. Dabei gab es viele überraschende Bürgervorschläge.

Stuttgart - Seit Montag herrscht Klarheit darüber, was sich die Bürger im städtischen Haushalt für 2018 und 2019 wünschen. Die Beteiligungsphase ist abgeschlossen und ausgewertet. Unter den 130 erfolgreichsten Vorschlägen gibt es Überraschungen mit sehr lokalen Vorhaben, aber kaum Skurrilitäten.

Die meisten Stimmen, nämlich 4945, holte der Bürgervorschlag, den Kunstrasen und die Flutlichtanlage der Sportvereinigung 1887 Möhringen zu erneuern. Auf Platz 2 landete das Neubauprojekt für das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Sillenbuch (3623 Stimmen). Rang 3 belegte die Verlängerung der Buslinie 65 von Plieningen bis Flughafen/Messe (3606 Stimmen). Auf den vierten Platz kam mit 3420 Stimmen die Idee, das Stadtbad Cannstatt noch weiterzubetreiben, wenn im Neckarpark das neue Sporthallenbad offen ist.

37,5 Prozent der Vorschläge fallen auf den Verkehr

Besonders diese Forderung wird die Verwaltungsspitze und speziell den Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) mäßig erfreuen. In der Vergangenheit hatte Föll die Pläne für das Sporthallenbad mit 50-Meter-Becken immer unterstützt, weil es als Ersatz für zwei teure Altbausanierungen gedacht war: für die Erneuerung des Stadtbads Cannstatt sowie der maroden Traglufthalle über dem 50-Meter-Becken im Inselbad Untertürkheim. Nur dies rechtfertige die fast 30 Millionen Euro teure Neubauinvestition, hatte Föll bedeutet. Die Resultate der Beteiligung wurden von der Verwaltung jetzt dennoch gelobt. Bei der vierten Auflage des Bürgerhaushalts machten nämlich noch einmal rund 13 500 Einwohner mehr mit als 2015 vor der Aufstellung des Stadthaushalts 2016/2017. Insgesamt 51 875 Personen hätten sich diesmal schriftlich und vor allem im Internet beteiligt und 1,23 Millionen Bewertungen zu Vorschlägen abgegeben, die aus der Bürgerschaft gekommen waren. Damit seien die Erwartungen erneut „weit übertroffen“ worden. Zwei Jahre zuvor hatten 38 369 Einwohner insgesamt 1,22 Millionen Stimmen verteilt. Leicht zurückgegangen ist allerdings die Zahl der Vorschläge. Diesmal lagen 3457 vor, die schließlich zu 2664 Einzelideen zusammengefasst wurden. Im Jahr 2015 waren 3732 Vorschläge eingegangen.

37,5 Prozent der Vorschläge entfielen im laufenden Jahr auf den Bereich Verkehr, 12,7 Prozent speziell auf Busse und Bahnen, 7,9 Prozent auf Stadtplanung, 7,6 Prozent auf Grünflächen, Wälder und Friedhöfe, 6,5 Prozent auf Abfall und Sauberkeit. Unter die 130 favorisierten Ideen in der Auswertung kamen allerdings weniger Verkehrsvorschläge.

Neckarwelle auf Platz 20

In fast allen Stadtbezirken wirkten mehr Menschen am Bürgerhaushalt mit als 2015. In absoluten Zahlen waren besonders die Cannstatter im größten Stadtbezirk aktiv: 6730 Teilnehmer entsprechen 9,5 Prozent der Einwohner. Die höchste Beteiligungsquote gab es mit 25,6 Prozent allerdings im kleineren Stadtbezirk Birkach. Knapp dahinter folgt der Bezirk Sillenbuch (22,8 Prozent). Aber selbst bei reger Beteiligung in kleinen Bezirken können es örtliche Anliegen in der stadtweiten Abstimmung nur schwer nach vorn schaffen. Das zeigte sich beim Vorschlag in Birkach, eine Trauerhalle für den örtlichen Friedhof zu bauen. Er kam auf Platz 94, immerhin aber noch unter die Top 100. Der Wunsch, die Katzenhilfe Stuttgart zu unterstützen, schaffte es auf Platz 36, die Kastrations- und Registrierungspflicht für freilaufende Katzen sogar auf 25. Damit rangiert dieser Vorschlag nur einen Platz hinter der Idee, die beiden Tarifzonen für den öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart zu einer Zone zusammenzufassen und einen Einheitspreis zu bilden. Viele weitere Vorschläge zum Nahverkehr, wie die Nutzung generell günstiger zu machen, finden sich auf den folgenden Plätzen.

Im Neckar eine Welle für Surfer zu generieren wie es in München geschieht, gefiel immerhin so gut, dass diese Vision auf Platz 20 kam. Die Idee einer Freitreppe am Neckar in Cannstatt zwischen Schleuse und Mühlsteg eroberte Platz 41. Der Vorschlag, aktiv gegen Bettlerbanden in Stuttgart vorzugehen, folgt auf Platz 53, die Freilegung des Nesenbachs zwischen Eberhardstraße und Oberem Schlossgarten auf Platz 56. Badeparadiese am Neckar nach Vorbildern in Paris und Basel wünschten sich so viele, dass es für Rang 76 reichte. Dass es unbestritten skurrile Vorstellungen eher schwer hatten, zeigt sich an einem Vorschlag: Die Idee, zu Aufräumarbeiten in den Wäldern Arbeitselefanten heranzuziehen, kam nicht in die Top 130.

Zu 130 Punkten will die Verwaltung dem Gemeinderat noch vor den Sommerferien Stellungnahmen vorlegen. Dabei geht es um die 100 Vorschläge mit den höchsten Stimmergebnissen und jeweils zwei Wünsche, die in den Stadtbezirken am besten abschnitten, es aber nicht auf die Top-100-Liste schafften. Danach werden die Fraktionen beraten, was sie tatsächlich in den nächsten Doppelhaushalt aufnehmen wollen. Er wird vor Heiligabend beschlossen.