Die Projektgegner hatten zu ihrer eigenen Informationsveranstaltung vor Ort eingeladen. Foto: factum

Eine Versammlung wird zum letzten großen Schlagabtausch über einen Parkhausbau. Einfache Argumente drohen in der Grundsatzdebatte überhört zu werden.

Herrenberg - Der Riss verläuft durch die Stadt und quer durch den Ratssaal. In einem umständlichen Prozedere stimmen die Stadträte Punkt für Punkt über ihren „Integrierten Mobilitäts-Entwicklungsplan“ ab, einen bundesweit nahezu einmaligen Meilenstein der Verkehrspolitik, wie der Baubürgermeister Tobias Meigel anmerkt. Punkt C, Ziffer drei, einer von 19, ist ausgenommen. „Darüber entscheiden die Bürger“, sagt der Oberbürgermeister Thomas Sprißler.

Am Wahlsonntag stimmen die Herrenberger per Bürgerentscheid über den Bau eines kombinierten Park- und Geschäftshauses in ihrem Stadtzentrum ab, an der Hindenburgstraße, neben der Volksbank. Wie die Abstimmung im Gemeinderat enden würde, ist bekannt. Draußen hängen Plakate, die für ein Ja werben. Christdemokraten und Freie Wähler haben sie drucken lassen – gemeinsam mit interessierten Bürgern, wie als Fußnote vermerkt ist.

Die heutigen Projektgegner hatten siebenmal für den Bau gestimmt

Auf der Gegenseite standen zuerst die Grünen, inzwischen stehen dort auch die SPD und die Frauenliste. Vertreter von ihnen werden gegen den Bauplan sprechen, wenn am Donnerstag bei einer Bürgerversammlung das Für und Wider sicherlich hitzig diskutiert wird. In der Vergangenheit hatten die heutigen Projektgegner siebenmal für den Parkhausbau gestimmt, mal indirekt als Bestandteil übergeordneter Pläne wie eben das Mobilitätskonzept, mal direkt. Alle Beschlüsse fielen einstimmig.

Daran hatte der parteilose Oberbürgermeister erinnert und gemahnt, eine Stadt sei handlungsunfähig, wenn mehrfach bestätigte Vorhaben bei ihrer Verwirklichung gestoppt würden. Die Verhandlungen mit Investoren hatten bereits begonnen. Die politische Konkurrenz kommentierte die Kehrtwende unfreundlicher.

Der Gemeinderat hat sich selbst entmachtet

Freie Wähler und CDU hätten den Bau mit ihrer Mehrheit durchsetzen können. Der Gemeinderat hatte sich aber in einem Akt, der wohl nur in der selbst erklärten Mitmachstadt Herrenberg unstrittig sein kann, selbst entmachtet. Nachdem Projektgegner begonnen hatten, Unterschriften für ein Bürgerbegehren zu sammeln, hatten die Stadträte entschieden, dass ihnen diese Arbeit abgenommen werden soll. Seither bereiten die Rathausoberen selbst den Bürgerentscheid vor – gegen ihre eigene Überzeugung.

Die Dankbarkeit dafür hält sich in Grenzen. Das Amtsblatt hatte dem Bürgerentscheid eine Sonderbeilage gewidmet. Pro und Kontra standen gleichrangig nebeneinander, alle Fraktionen kamen zu Wort. Zuvor war um jede Formulierung gerungen worden. Die Projektgegner beschieden, die Broschüre sei mangelhaft. Unter anderem fehle die Information, dass wegen der neuen Einfahrt Staus von einem Kilometer Länge zu erwarten seien.

Außerhalb des Wahlkampfs hätte das Thema wohl keine solche Wucht entfaltet

Ansonsten drohen einfache lokale Argumente in einer Grundsatzdebatte um Klimaschutz und den Fluch des Verbrennungsmotors überhört zu werden. Was die Stadt spaltet, sind höchstens 100, womöglich sogar nur 50 öffentliche Parkplätze. Die Zahl steht noch nicht fest. Im Gegenzug sollen kleinere Parkflächen umgewidmet werden. Dies sind Bausteine eben jenes Generalplans für die Mobilität der Zukunft. Dessen oberstes Ziel ist es, den historischen Fehler der autogerechten Stadt zu korrigieren. Darin herrscht Einigkeit über alle Fraktionen des Gemeinderats hinweg. Nicht zuletzt hätte das Thema mit einiger Sicherheit keine solche Wucht entfaltet, wenn am 26. Mai nur über ein Parkhaus abgestimmt würde, nicht auch über die Zusammensetzung des Gemeinderats.