Georgien ist das Gastland der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt. Foto: dpa

Wer ängstlich auf die Krise reagiert, macht große Fehler, sagt Tom Kraushaar vom Klett-Cotta Verlag im Interview und erklärt, wie ein Ausweg für die Verlage aussehen könnte.

Stuttgart - Bei der Frankfurter Buchmesse wird es mehr denn je um die Probleme der Branche gehen – denn immer weniger Menschen greifen zu einem Buch. Der verlegerische Geschäftsführer des Stuttgarter Verlages Klett-Cotta erklärt im Interview, warum das so ist – und was man dagegen tun kann.

Herr Kraushaar, fahren Sie in diesem Jahr mit einer anderen Stimmung als sonst zur Buchmesse?

Ein bisschen schon. Weniger weil ich von den Krisensymptomen an sich beunruhigt wäre, sondern weil ich befürchte, dass die Branche sich diesmal sehr mit sich selbst und ihrer ökonomischen Zukunft beschäftigen wird. Dagegen hat sich die Messe im letzten Jahr als ein Kristallisationspunkt der Gegenwart präsentiert, wo wichtige gesellschaftliche Konflikte ausgetragen werden. Da war die Frankfurter Buchmesse weit mehr als ein Handelsplatz und Branchentreff.

Ist es nicht höchste Zeit, dass sich die Branche über sich selbst Gedanken macht?

Man kann der Buchbranche wohl kaum vorwerfen, dass sie sich in der Vergangenheit zu wenig über die eigenen Probleme Gedanken gemacht hätte. Aber ja, ich glaube Verleger und Buchhändler könnten große Fehler machen, wenn Sie nicht entschlossen auf die Veränderungen des Marktes reagieren. Zugleich kann man aber beobachten, dass tatsächlich große Fehler gemacht werden, weil Verlage panisch auf die Krise reagieren. Angst ist eben kein guter Verleger.

6,5 Millionen weniger Leser sind ja keine Schwarzmalerei. Was kann man dagegen tun?

Wenn man sich die Studie des Börsenvereins sehr genau anschaut, dann findet man in Ihre unzählige Anregungen für Verlage und insbesondere Buchhändler, Leser zurückzugewinnen. Vieles hat damit zu tun, wo und wie man ins Gespräch mit den Lesern kommt. Und letztlich werden wir den Leser mit guten Büchern begeistern müssen, das ist unser Job. Aber es geht auch darum, so wie auch in den Krisen der Vergangenheit, an den verlegerischen Standards festzuhalten. Das sind Qualitätsstandards, aber etwa auch Standards im Umgang mit unseren Mitarbeitern und Autoren. Dafür ist es hilfreich, die Ruhe zu bewahren.

Die kleinen Verlage, denen das Wasser bis zum Hals steht, werden das als Hohn empfinden.

Die Verlagspleiten der jüngsten Zeit sind tragisch und für jeden Bücherliebhaber schmerzhaft. Es hat leider zuletzt kleine, programmatisch sehr gute Verlage getroffen. Doch um darüber zu sprechen, müsste man die Hintergründe kennen.

Die Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger und Thomas Knubben fordern in ihrem Tübinger Memorandum, dass die Politik zum Schutz der kleinen Verlage interveniert. Ist das der richtige Weg?

Im Gegensatz zu anderen Kulturbereichen kommt die Buchbranche weitestgehend ohne direkte Subventionen aus. Es gibt Literaturpreise und die indirekte Förderung durch die Buchpreisbindung oder den verringerten Mehrwertsteuersatz. Trotzdem ist die Summe, die in die Herstellung und Verbreitung von Büchern investiert wird, relativ gering. Dennoch bin ich der Meinung, dass ab einer gewissen Größenordnung Verlage ohne direkte staatliche Subventionen auskommen sollten. Jedoch ist es als kleiner Verlag nahezu unmöglich, bestimmte Wachstumsschwellen aus eigener Kraft zu überschreiten. Hier könnte der Staat helfen.

Was nützt Förderung, wenn die Leser wegbleiben?

Die Leser kommen zurück, wenn wir gute Ideen haben. Sollten Fördermaßnahmen bewirken, dass kleinere Verlage mit neuen Ideen in das Konkurrenzumfeld der Größeren treten, könnte das der Kreativität der ganzen Branche zugute kommen. So können wir aus der Krise lernen.

Lesen Sie hier: Wer liest denn überhaupt noch Bücher?

Und in unserer Grafik finden Sie einen Überblick über den deutschen Buchmarkt: