Sarrazin hat ein konfrontatives Buch geschrieben - und verdient sich goldene Nase.

Berlin - Beim Geld versagt sich Thilo Sarrazin jedes Risiko. "Ich sage immer: Das kommt aufs Konto und dann warten wir mal in Ruhe ab." Ein Honorar in Millionenhöhe soll bereits auf das Konto des ehemaligen Berliner Finanzsenators und früheren Bundesbank-Vorstands gegangen sein, seit der SPD-Politiker Ende August mit seinem umstrittenen Buch "Deutschland schafft sich ab" ein vernichtendes Urteil über Integrationsdefizite vor allem von türkisch- und arabischstämmigen Zuwanderern in Deutschland auf den Markt warf. Auch das laufende Weihnachtsgeschäft wird dem 65-Jährigen das Buchführen versüßen. Die aktuelle Druckauflage liegt inzwischen bei etwa 1,2 Millionen Exemplaren. Der Verlag schweigt selbstredend über Honorare seiner Autoren, doch Branchenexperten rechnen vor, dass Sarrazin dann mehr als drei Millionen Euro vor Steuern daran verdienen wird.

Während die SPD versucht, Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen. Nach Informationen unserer Zeitung hat Hamburgs früherer Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) eine mehr als 100 Seiten starke Erklärung für Thilo Sarrazin an das Schiedsgericht geschickt und vertritt ihn damit anwaltlich. Sowohl Sarrazins Ortsverband als auch die Zentrale im Willy-Brandt-Haus rechnen damit, dass das Parteiordungsverfahren die volle Länge von sechs Monaten überdauern wird. Die Genossen sind gespalten: Die einen meinen, die SPD sollte auf dieses Spektakel verzichten, weil Sarrazins Thesen nicht grundfalsch seien und die Partei ihn deshalb aushalten müsse. Die anderen werfen ihm wegen genetischer Ableitungen von Intelligenz reinen Sozialdarwinismus vor und wollen ihn möglichst bald hinauswerfen. Gemein indes ist allen die Sorge, dass sich der Prozess gegen den Rebellen über Monate hinzieht und vor allem den Berliner Landtagswahlkampf des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit überschattet. "Thilo Sarrazin wird uns noch viel Freude bereiten und freut sich vermutlich schon darauf", sagen führende SPD-Politiker. "Er schickt sich an, nicht nur der Aufreger des Jahres 2010 zu sein."

So wird die Auflage seines Buches wohl weiter steigen, während die SPD darum kämpft, das Ausschlussverfahren nicht zu verlieren. Entsprechend ist niemand zu Späßen aufgelegt, vom Noch-Parteifreund Sarrazin angesichts etwa augenzwinkernd Schmerzensgeld einzufordern - als Gegenleistung könne er ja in der SPD bleiben. Sehr wohl aber kann sich die Arbeitsgruppe Migration der Berliner SPD vorstellen, "dass Herr Sarrazin die hunderttausende Euro, die er durch den Verkauf seines Buches verdient, für die Bildung der Kinder aus einkommensschwächeren Schichten spendet". Die Landesparlamentarierin und AG-Vorsitzende Ülker Radziwill sagt: "Schließlich hat er die Gewinne aus dem Buchverkauf auf dem Rücken der Einkommensschwachen und sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen und durch Diskriminierung von Migrantengruppen erzielt. Daher ist es nur folgerichtig, dass er, wenn er Berlin etwas Gutes tun will, diese Gelder in die Bildungs- und Aufstiegschancen der Kinder steckt." Die Berliner Schulen warteten auf seine Spenden. Sie, Radziwill, könne ihm gerne Schulen empfehlen.

Doch Sarrazin hat noch nicht gefragt. Bei einem Fernsehauftritt betonte er sogar, dass seine Einnahmen aus dem Buchverkauf noch höher lägen als vermutet, da er besser mit seinem Verlag verhandelt habe als von vielen angenommen. Insider sind überzeugt, dass kein anderes politisches Buch je solche Aufmerksamkeit und mithin vergleichbare Verkaufszahlen erreicht hat.

"Der plötzliche Reichtum hat mein Leben nicht verändert", antwortet Ex-Banker Sarrazin, der voll pensionsberechtigt seit Oktober eine monatliche Altersversorgung von rund 10.000 Euro erhalten soll. Diese decke auch seine zuvor Ansprüche als Finanzsenator, Landes-Staatssekretär und Beamter im Bundesfinanzministerium ab. Seinen "freiwilligen Rückzug" aus dem Bundesbank-Vorstand soll er sich nach Vermittlung des Bundespräsidialamts mit weiteren 1000 Euro pro Monat vergüten lassen. Auch nach dem Erscheinen seines Buches mischt sich Sarrazin in die Migrationsdebatte ein. Notorischen Integrationsverweigern sollten Sozialleistungen so stark gekürzt werden, "dass sie unter das sozioökonomische Existenzminimum fallen".