Esslingen will einen von der Stadtgesellschaft geliebten Steg abreißen. Die Abrissgegner verstehen die Verwaltung nicht. Die wiederum versteht die Abrissgegner nicht. Es ist kompliziert.

Esslingen - Noch steht der Esslinger Alicensteg. Aber er ist dem Abriss geweiht. Mit knapper Mehrheit beschloss der Esslinger Gemeinderatsausschuss für Technik und Umwelt, die Fußgängerbrücke abzureißen. Damit ist eigentlich eine Entscheidung gefallen, aber die Diskussion in der Stadt über das Pro und Contraeines Abrisses ebbt nicht ab.

Der Steg der Herzen

Der Alicensteg verbindet Jakobsweg und Merkelpark, den Zollberg und die Innenstadt, die Vergangenheit und die Gegenwart. Er ist ein Symbol für viele Esslinger, die sich traditionell der Stadt verpflichtet fühlen. „Der Alicensteg muss erhalten bleiben!“, fordert etwa die 91 Jahre alte Irmgard Mangold. Über die Abrisspläne schüttelt sie nur den Kopf: „Ich kann so was überhaupt nicht verstehen!“

Kopfschütteln allerdings auch bei den Befürwortern des Abrisses. Eine kleine Putzkolonne hatte sich Anfang Januar getroffenund die gesperrten Waldweg-Treppen, die vom Zollberg zum Steg führen, sauber gemacht. Mitarbeiter der Verwaltung sollen in einer Ausschusssitzung ziemlich verständnislos auf diese Aktion reagiert haben. Tobias Hardt, Stadtrat aus der Fraktion der Linken war sowohl bei der Putzaktion als auch in der Ausschusssitzung dabei. „Ich wurde gleich drei Mal gerügt“, erinnert er sich. Unter anderem von einem Gemeinderatsmitglied der Freien Wähler. Der im Sommer scheidende Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht, gleichfalls von den Freien Wählern, habe diese Kritik noch mal verstärkt. Laut Hardt sagte er: „Ich kann auch nur den Kopf darüber schütteln.“

Uwe Heinemann, der Leiter des Tiefbauamtes, nahm die Reinigungsaktion sogar zum Anlass, nun erst recht auf den Abriss zu drängen. Jetzt sei der Steg für Spaziergänger noch attraktiver, so sein Argument. Täglich gingen nun Menschen über den gesperrten Alicensteg und gefährdeten auf diese Weise die Autofahrer auf der B 10. Der Steg führt über die viel befahrene Bundesstraße hinweg. Teile des losen Belags könnten von Passanten auf die Fahrbahn gestoßen werden, was zu „fatalen Unfällen“ führen könnte, so Heinemann. „Durch diese Aktion sehen wir jetzt Gefahr im Verzug. Der Abriss des Alicenstegs ist deshalb unbedingt notwendig.“

Eine Aussage, die bei der Gegenseite erneutes Kopfschütteln auslöst. Hardt: „Diese Gefahr bestand vor der Putzaktion genauso wie jetzt.“ Und Andreas Fritz, Gemeinderat der Grünen, spricht von einer „konstruierten“ Begründung, um dem Steg den „Todesstoß“ zu verpassen. Tatsächlich passiert es immer wieder überall in Deutschland, dass Steine von Brücken auf Autobahnen oder Schnellstraßen geworfen werden.

Aussichten auf einen Neubau?

Der Abrissbeschluss enthält allerdings ein vage Option, irgendwann einmal den Steg neu zu bauen. Darüber soll dann Ende des Jahres diskutiert werden. Inzwischen mehren sich allerdings die Warnungen, dass ein solcher Neubau vielleicht gar nicht möglich ist. Sowohl die Esslinger Ortsgruppe des Fußgänger-Lobbyvereins Fuss als auch Hardt machen auf den Plan aufmerksam, die B 10, die unter dem Steg verläuft, sechsspurig auszubauen. Damit sei der Neubau des Alicenstegs „auf absehbare Zeit ausgeschlossen, zumindest aber höchst fraglich“, so Jörg Exner vom Verein Fuss. Hardt geht davon aus, dass keine neuen Bauwerke genehmigt werden, die den Ausbau der B 10 stören könnten.

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