Das Ende einer Ära: Elmar Brok (CDU) hört nach 40 Jahren im Europaparlament auf. Foto: dpa

Seit 1980 sitzt er ununterbrochen für die CDU im Europaparlament. Nun zieht sich der Ostwestfale Elmar Brok zurück – nicht ganz freiwillig.

Brüssel - Jetzt kommt der Brokxit. Der dienstälteste Europa-Abgeordnete, der aus Funk und Fernsehen dem Publikum vertraute Europa-Erklärer räumt nach 40 Jahren seine Büros in Brüssel und Straßburg. Elmar Brok (CDU), der im Mai 73 Jahre alt wird, geht aber nicht freiwillig. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte sich der Ostwestfale bei der Europawahl im Mai noch einmal auf sicherem Listenplatz um ein Mandat bemüht. Das wäre dann seine neunte Wahlperiode gewesen, die in Europa fünf Jahre hat. Doch seine Partei wollte ihn nicht mehr. Gegen den Widerstand von NRW-Parteichef Armin Laschet wurde Broks Kandidatur von CDU-Bezirksvorsitzenden ausgebootet.

Exzentriker und Choleriker

Brok ist ein Politiker, wie sie heute nur noch ganz selten in den Parlamenten anzutreffen sind. Das fängt schon damit an, dass der Mann – Markenzeichen Walrossschnauzer, Einstecktuch, bekennender Zigarrenraucher – gleichermaßen Exzentriker und Choleriker ist. Legendär sind die Geschichten, in denen Taxifahrer und Mitarbeiter seine schlechte Laune ausbaden mussten.

Seine Leidenschaft ist Europa. Brok über Brok: „Ich bin nicht über die CDU zu Europa gekommen, sondern über Europa zur CDU.“ Zwei Wahlperioden lang war er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Brok, der sein Jura-Studium abgebrochen hat und Journalist war, brachte es fertig, in Brüssel zeitweilig sowohl als Lobbyist für Bertelsmann als auch als Abgeordneter tätig zu sein. Er hat an allen wichtigen Vertragsänderungen – Amsterdam, Nizza und Lissabon – programmatisch mitgearbeitet. Für Journalisten ist Brok ein Segen. Er ist rund um die Uhr erreichbar, gerne bereit, seine fundierten Analysen mit ihnen zu teilen. In seiner knorrigen Art hält er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg: „Ich sage es einmal auf gut westfälisch: Das ist für die Hose.“ So gut wie kein Interviewwunsch wird abgelehnt: „Versuchen Sie es mal heute Abend auf dem Handy, um 22 Uhr muss ich aber in eine Sitzung.“

Das Tragische ist, dass er nicht erkannt hat, wann es Zeit war zu gehen. „Die Leute konnten ihn einfach nicht mehr sehen“, sagt ein anderer CDU-Abgeordneter über die Stimmung an der Basis. Bei den mittleren Funktionären in NRW war er am Schluss zwar unten durch, in der Politik ist er bis heute noch eine große Nummer. Bezeichnend dafür ist, wer sich alles zu Wort meldete, als der Listenplatz in Gefahr geriet. Nicht nur EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der der gleichen christdemokratischen Parteienfamilie angehört wie er, auch der linke Grüne Sven Giegold machte sich stark für seine erneute Kandidatur.

Erfolgreicher Strippenzieher

Brok ist nicht nur ein guter Erklärer von Europa, ein flammender Europäer, sondern auch ein erfolgreicher Strippenzieher. Er kennt sie alle, sei es die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright oder US-Präsident Georg Bush. Sein wichtigstes Arbeitsinstrument ist das Handy. Darauf ist sein Kapital gespeichert, die Nummern seiner Gesprächspartner weltweit. Darauf rufen ihn Angela Merkel und andere an, wenn sie von ihm einen Rat brauchen, darauf tippt er seine eher kryptischen SMS, stets ohne Anrede.

Besonders eng ist sein Verhältnis zu Juncker. So kam der entscheidende Tipp von Brok, als Juncker vor der letzten Europawahl einen strategischen Kopf für die Vorbereitung seiner Spitzenkandidatur brauchte. Brok vermittelte ihm Martin Selmayr, der erst als Junckers Kabinettschef und später als Generalsekretär der Kommission der wichtigste Stratege seines Mandats wurde. Juncker: „Ohne ihn wäre ich verloren.“

Dass das bevorstehende Parlaments-Aus Brok schwer trifft, muss angenommen werden. Ganz Profi lässt sich Brok aber nichts anmerken. An dem Tag, als er seinen endgültigen Verzicht bekannt gibt, lässt er mitteilen: „Ich freue mich auf das Wagnis eines Neuanfangs und meine neue Herrschaft über meinen Terminkalender.“