Wer Briefe bei der Post auf den Weg bringt, verlässt sich darauf, dass sie zuverlässig beim Adressaten ankommen. Foto: dpa

Rund 700 Briefe hat der Mann unterschlagen – und dabei Geld aus den Kuverts entwendet. Der inzwischen entlassene ehemalige Postmitarbeiter ist inzwischen untergetaucht. Nach ihm fahndet die Polizei.

Ludwigsburg - Einen Zwanziger soll das Enkele zu Weihnachten bekommen. Weil der Bub nicht gleich ums Eck wohnt, packen seine Großeltern den Geldschein samt Grußkarte in einen Umschlag und bringen ihn zur Post. Geld in einem Standardbrief zu versenden ruft jedoch – abgesehen davon, dass dies laut den Geschäftsbedingungen der Post unzulässig ist – zuweilen Diebe auf den Plan, manchmal in Reihen der Post selbst. Ein solcher Fall aus dem Kreis Ludwigsburg ist jetzt bekannt geworden, weil eine Adventskarte, versehen mit einem Entschuldigungsschreiben der Post, seinen Empfänger mit einem Jahr Verspätung erreicht hat.

Postintern ist die Sache bereits im Sommer aufgeflogen. Der Beschuldigte, in dessen Spind rund 700 größtenteils geöffnete Briefe gefunden wurden, erhielt danach seine Kündigung und ist laut der Staatsanwaltschaft Stuttgart inzwischen untergetaucht. „Der Verdächtige ist zur Fahndung ausgeschrieben“, sagt Jan Holzner, der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Die Beobachtung einer Kollegin führt auf die Spur des 43-Jährigen

Wie man dem 43-Jährigen auf die Schliche gekommen ist, schildert der Stuttgarter Post-Sprecher Hugo Gimber: „Anfang 2016 gab es erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in unserem Zustellstützpunkt in Ludwigsburg.“ Ein Verdacht auf besagten Mitarbeiter ergibt sich wenige Wochen später im Mai. „Von da an stand dieser unter besonderer Beobachtung des internen Ermittlungsdienstes und der Vorgesetzten.“ Nach einer eindeutigen Beobachtung einer Kollegin informierte das Unternehmen die Polizei. Als Ermittlungsbeamte den Kleiderspind des 43-Jährigen öffneten, entdeckten sie die rund 700 teils aufgerissenen Briefe. Die aufgefundene Post lasse darauf schließen, „dass der überführte Mitarbeiter seit Anfang Mai 2015 Sendungen unterschlagen hat“, sagt Hugo Gimber. Angeblich haben den Mann finanzielle Probleme zum mutmaßlichen Dieb werden lassen.

Laut Staatsanwalt Holzner hat sich der Mann offenbar nachts im Zustellstützpunkt Ludwigsburg einschließen lassen, die Briefe geöffnet und Geld – so er welches vorgefunden hat – aus den Kuverts herausgenommen. „Das erfüllt den Tatbestand des Diebstahls in Verbindung mit der Verletzung des Briefgeheimnisses“, erläutert Jan Holzner. Das bloße Öffnen alleine stelle noch keinen Diebstahl dar.

Über die Geldsumme, die der Ex-Postler hat mitgehen lassen, können die Ermittler nur spekulieren. „Nur ein kleiner Teil der Absender oder Empfänger war identifizierbar“, sagt Holzner – weil etliche Umschläge derart zerrissen waren, dass die Beamten keine Adressen mehr entziffern konnten, oder weil die Angaben auf den Kuverts fehlerhaft waren.

Dem Verdächtigen drohen eine Geldstrafe oder sogar Haft

Nach dem Mann, der seit 1992 bei der Post arbeitete, wird zwar gefahndet, ein Haftbefehl wurde jedoch nicht erlassen. „Für einen Haftbefehl müsste er Wiederholungstäter sein oder bereits anderes auf dem Kerbholz haben“ so Holzner. Dem ist offenbar nicht so.

Nach eingehender Überprüfung durch Polizei und Staatsanwaltschaft hat die Post Ende Oktober die aufgefundenen Sendungen zurückerhalten. „Sie wurden dann nach und nach zusammen mit einem Begleitschreiben, in dem sich das Unternehmen entschuldigt, an die Empfänger ausgeliefert“, sagt Post-Sprecher Gimber.

Den Flüchtigen erwartet eine empfindliche Strafe. Je nach dem, was man ihm nachweist, um welche Schadenssumme es sich handelt oder auch ob er die Tat gesteht, bewegt sich die Bandbreite zwischen einer Geldstrafe und mehreren Jahren Haft.