Die ständige Präsenz der Polizei zeigt in der Klett-Passage Wirkung. Das spürt der Einzelhandel dort sehr deutlich. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Manche hatten bereits abgeschrieben, dass die Klett-Passage am Hauptbahnhof jemals zu einer normalen Einkaufsmeile wird. Nach nur wenigen Wochen Einsatz der Sondertruppe Sicherheitskonzeption Stuttgarter gibt es tatsächlich Grund zur Hoffnung.

Stuttgart - Ein junger Mann, der in der Öffentlichkeit Bier trinkt, mehr Verstöße gibt es nicht. Das ist natürlich nur eine Momentaufnahme des Treibens in der Klett-Passage, einem bekannten Brennpunkt der Stadt, wo sich viele Trinker, Bettler aus Osteuropa und Drogenhändler aufhalten. Seit einigen Wochen ist die jahrelang geschlossene Wache in der Passage wieder offen, die Polizei mit 20 Mann der Sondertruppe Sicherheitskonzeption Stuttgart (SKS) im Einsatz. Mieter berichten, dass sich die Lage in nur kurzer Zeit massiv verbessert hat.

Die Polizei selbst will zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Bilanz ziehen, wie effektiv die Truppe arbeitet. „Wir werden unsere Erkenntnisse nach sechs Monaten zusammenfassen, noch ist es für uns zu früh für Bewertungen“, sagt Stephan Widmann, ein Sprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart. Mit seiner Zurückhaltung stellt er das Licht der Kollegen, die täglich vor Ort im Einsatz sind, ein wenig unter den Scheffel.

Frauen fürchten Belästigung

Die Mieter in der Klett-Passage zeigen sich nämlich geradezu begeistert von der Arbeit der Polizei, die Passage sicherer zu machen und die Aufenthaltsqualität dort zu heben. „Es ist viel besser geworden, seit die Polizei mehr Präsenz zeigt“, sagt Ursula Lemme, Verkäuferin beim Kiosk Eckert, der vis-à-vis zu einer Einbuchtung liegt, wo sich die Trinkerszene gerne aufhält.

Heute ist dort niemand und von Müll weit und breit keine Spur. „Manchmal treffen sich dort schon noch Menschen, aber das ist kein Vergleich zu den vielen Schlägereien, die wir hier vorher hatten“, so Lemme weiter. Probleme im Kiosk hatte sie mit der Klientel aber nie: „Es kommt darauf an, wie man mit den Leuten redet.“

Auch Stephanie Waschitschek, Filialleiterin beim Schuhgeschäft Tamaris gegenüber, lobt das neue Revier. „Wenn das Umfeld hier besser ist, kommt die Kundschaft lieber rein. Man merkt, dass das Geschäft besser läuft“, sagt sie. Auch als Frau habe sie sich aufgrund der häufig aggressiv auftretenden Randgruppen in der Klett-Passage oft nicht sicher gefühlt – und das, obwohl Waschitschek deutlich über 1,80 Meter groß ist und eigentlich sehr unerschrocken wirkt.

Polizeiposten ist rund um die Uhr besetzt

Dass Frauen besonders mit der Klientel in der Unterführung zu kämpfen haben, beobachtet auch Amir T., Mitarbeiter bei Dunkin’ Donuts, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. „Die werden hier häufig sehr offensiv angebaggert“, sagt er. Und auch wenn er sieht, dass sich die Situation in den vergangenen Wochen verbessert habe, stört er sich dennoch am ziemlich unverblümten Drogenhandel, der den Alltag in der Klett-Passage mitprägt.

Grund des Erfolgs der Polizei dürfte die Strategie sein, die die SKS in der Klett-Passage fährt. „Wir laufen nicht einfach Runden, sondern gehen ganz gezielt dorthin, wo Brennpunkte zu entstehen drohen“, sagt Polizeisprecher Widmann. Das sind vor allem die erwähnte Trinkerecke am Zugang zur Stadtbahn, die Treppen zur Königstraße hin, wo sich organisierte Bettlerbanden aufhalten und der Weg Richtung Schlossgarten, wo sich der Hauptumschlagsort für den Drogenhandel befindet. Dadurch, dass der Polizeiposten rund um die Uhr besetzt ist, befindet sich das Geschehen jetzt ständig unter Beobachtung.

Kunstwerke lösten Shitstorm aus

Versuche in der Vergangenheit, die Klett-Passage, die mit 300 000 Passanten zu den am stärksten frequentierten Orten Stuttgarts zählt, attraktiver zu machen, zeigten häufig wenig Wirkung. Das Rauchverbot wird nicht von allen eingehalten, der Einsatz klassischer Musik wurde in der jüngsten Vergangenheit häufig diskutiert, aber nie umgesetzt. Und die Idee, Obdachlosen durch entsprechend platzierte Kunstwerke Übernachtungsmöglichkeiten wegzunehmen, endete für das Ordnungsamt in einem saftigen Shitstorm in sozialen Netzwerken und Kritik aus der Stuttgarter Künstlerszene.

Auch wenn es ein Katz-und-Maus-Spiel für die Behörden bleibt, der Lage Herr zu werden – offenbar fruchten Personalkontrollen und Platzverweise bei den Randgruppen noch am besten. 10 000 Personalien hat die Polizei dort seit Anfang des Jahres aufgenommen und 1000 Platzverweise ausgesprochen. Mit der SKS dürften es schnell noch deutlich mehr werden.