Migranten und Flüchtlinge stehen neben ausgebrannten Hauscontainern im Flüchtlingslager Moria. Foto: dpa/Angelos Tzortzinis

Die humanitäre Krise auf der griechischen Insel Lesbos hat ein neues Ausmaß angenommen. Nachdem Helfer seit Monaten die überfüllten Lager kritisieren, kam es nun zu Ausschreitungen unter den Bewohnern mit einer toten Frau.

Lesbos - Lokalpolitiker und Hilfsorganisationen warnten seit Wochen vor drohenden Unruhen im überfüllten Aufnahmelager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Am Sonntagabend bewahrheiteten sich die Befürchtungen: Bei schweren Ausschreitungen starb eine Frau in einem brennenden Wohncontainer. Auch am Montag blieb die Lage in dem Camp angespannt. Am späten Sonntagnachmittag brachen an zwei Stellen im Lager Brände aus. Laut Augenzeugenberichten sollen randalierende Migranten die Feuer gelegt haben. Polizei und Feuerwehr rückten an, wurden aber von den Randalierern mit Steinwürfen, Knüppeln und Eisenstangen angegriffen. Auch zwei Löschfahrzeuge wurden demoliert. So konnten sich die Flammen ausbreiten.

Einsatz von Tränengas

Als die Polizei die Migranten mit Tränengas zurücktreiben und die Feuerwehr endlich löschen konnte, waren bereits acht Wohncontainer ausgebrannt. In einem fanden die Feuerwehrleute die verkohlte Leiche einer jungen Frau. Für anfängliche Berichte, wonach auch ein Säugling in den Flammen ums Leben gekommen sei, gab es zunächst keine offizielle Bestätigung. Die Nachricht vom Tod der Frau löste neue Ausschreitungen aus. Die Randalierer demolierten zahlreiche Einrichtungen des Camps, steckten Müllcontainer in Brand und verwüsteten die Büros der Lagerleitung sowie der Asylbehörde. Bei den Auseinandersetzungen wurden zahlreiche Menschen verletzt.

Überfüllte Unterkünfte

In Moria, dessen Unterkünfte und sanitäre Anlagen für 3000 Menschen ausgelegt sind, sind nach offiziellen Angaben aktuell 12 305 Menschen eingepfercht. Weil alle Wohncontainer belegt sind, hausen Tausende in selbst gezimmerten Unterschlägen oder Campingzelten. Sie warten auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge. Aber das dauert Jahre. Insgesamt harren auf den Ägäisinseln 29 223 Menschen aus – mehr als doppelt so viele wie noch im April. Und der Migrationsdruck wächst ständig: Im September kamen mehr als 9000 Schutzsuchende. Das ist die höchste Zahl innerhalb eines Monats seit Inkrafttreten des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei im März 2016.

Sondersitzung in Athen

Am Montag beriet in Athen das Kabinett in einer Sondersitzung über die Lage. Die Regierung hat angekündigt, dass sie in den nächsten Tagen bis zu 12 000 Migranten aus den überfüllten Insellagern aufs Festland bringen will. Wo sie unterkommen sollen, ist aber bisher unklar. Auch die Lager im Landesinnern sind überbelegt. Der für die Migrationspolitik zuständige Vizeminister Giorgos Koumoutsakos will am Mittwoch nach Ankara fliegen, um dort mit der türkischen Regierung zu beraten, wie der Flüchtlingsstrom gebremst werden kann. Am Donnerstag und Freitag kommen Bundesinnenminister Horst Seehofer, sein französischer Amtskollege Christophe Castaner und der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos nach Ankara und Athen. Dabei geht es um weitere Finanzhilfen für die Türkei. Auch Griechenland ruft nach Hilfe: Die Regierung wünscht sich mehr Unterstützung der EU bei der Bearbeitung der Asylanträge und eine gerechtere Verteilung der ankommenden Migranten.