Feueralarm in Bad Cannstatt: Im Domizil einer muslimischen Glaubensgemeinde war ein Brandstifter zugange. Foto: 7aktuell.de/Simon Adomat

Im Erdgeschoss eines viergeschossigen Hauses bricht plötzlich ein Feuer aus – das Werk eines Brandstifters. Er traf damit eine Glaubensgemeinde orthodoxer Muslime.

Stuttgart - Der Ernst der Lage ist der Feuerwehr sofort klar. Gleich mehrere Notrufe melden am Mittwoch um 21.37 Uhr, dass es in einem viergeschossigen Wohnhaus in der Daimlerstraße in Bad Cannstatt brennt. Die Feuerwehr, die nur einen Kilometer entfernt ihre Hauptwache hat, sozusagen gleich ums Eck, ist zwar schnell an Ort und Stelle. Doch die vorderen Räume im Erdgeschoss brennen schon lichterloh. Noch brisanter wird der Einsatz, als klar wird, wo es da brennt: Im Gebetszentrum der muslimischen Glaubensgemeinde Ahmadiyya Muslim Jamaat Stuttgart. Ein Anschlag?

Zum Glück sind keine Menschenleben mehr in Gefahr. „Es konnten glücklicherweise weder in der vom Brand betroffenen Wohnung noch in den Wohnungen der Obergeschosse Personen vorgefunden werden“, so der Feuerwehr-Einsatzleiter. Die brennenden Räume im Erdgeschoss waren leer. Elf Bewohner im Alter von elf bis 54 Jahren aus den darüberliegenden Geschossen im konnten sich rechtzeitig und unverletzt nach draußen retten.

Die Feuerwehr bringt den Brand, der offensichtlich in einem Büroraum ausgebrochen war, schnell mit zwei Trupps unter Kontrolle. Damit die Flammen nicht auf die darüber liegenden Geschosse übergreifen können, wird von außen mit einem Löschrohr ein sogenannter Riegel gebildet. Dann ist das Schlimmste eingedämmt. Die Nachlöscharbeiten sind am Donnerstag gegen 0.30 Uhr beendet.

Betroffene schließen politische Motive aus

Am Donnerstag gehen die Ermittlungen erst richtig los. Denn die Polizei hat Spuren eines Einbruchs gefunden. Das Feuer war im Gebetszentrum einer Gemeinschaft orthodoxer Muslime gelegt worden. Hat sich in der Daimlerstraße also ein ähnliches Drama abgespielt wie am 15. Dezember 2015 in Feuerbach, als auf ein Gebäude der türkischen Ditib-Moschee in der Mauserstraße ein Brandanschlag verübt wurde? Grund genug, dass nicht nur die Brandermittler der Kripo, sondern auch Beamte des Staatsschutzes an den Brandort ausrücken. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann. Vorerst wegen schwerer Brandstiftung.

Die Vermutung, das Motiv könnte mit den aktuell zunehmenden Spannungen zwischen Kurden und Türken zusammenhängen, seit die türkische Armee ihre Anstrengungen gegen Kurden-Milizen in Nordsyrien verstärkt – diese Vermutung teilt Kamal Ahmad nicht. „Politische Motive kann man ausschließen“, sagt der Sprecher von Ahmadiyya Muslim Jamaat Stuttgart, „wir sind keine ethnische Gemeinde, sondern eine spirituelle.“ Die 300 Stuttgarter Mitglieder stammen aus vielen Nationen, sind aber vorwiegend pakistanischer Herkunft. Man versteht sich der sunnitischen Ausrichtung des Islam verbunden. Die Ahmadiyya gelten als liberal, aber auch als wertkonservativ. Unter Muslimen sind sie deshalb Exoten, weil sie glauben, der Messias sei schon gekommen. Nun aber plagen die Stuttgarter Ahmadiyya-Gemeinde, die seit etwa zehn Jahren ihr Domizil im Haus an der Daimlerstraße unterhält, banale irdische Probleme. Zwei Räume sind durch das Feuer zerstört, besonders das Büro mit Literatur und Akten. Rauch und Ruß machen auch die anderen Räume unbewohnbar. Was aber bewegte den Brandstifter? „Er muss doch gewusst haben, dass in den Stockwerken darüber Menschen wohnen“, sagt Kamal Ahmad. Hatte sich der Täter nur geärgert, dass es nichts Wertvolles zu stehlen gab? Wollte er mit dem Feuer seine Spuren vernichten?

Der Sozialbürgermeister verspricht Unterstützung

Die Gemeinde kann mit der Hilfe der Stadt rechnen. Sozialbürgermeister Werner Wölfle versprach, dass man sich um Ersatzräume bemühen werde. „Gotteshäuser verdienen besonderen Schutz“, sagt Wölfle. Die Ahmadiyya-Gemeinde sei überdies bei zahlreichen Bürgeraktionen für Integrationsarbeit in Stuttgart aktiv. Die Aussage bestätigt die Einschätzung von Kamal Ahmad: „Nein, wir haben hier keine Feinde.“