Rauchschwaden dringen durch das zerstörte Dach: Im September 1930 ist dieser Teil von Schloss Hohenheim abgebrannt. Foto: Universitätsbund Hohenheim

Vor 90 Jahren ist der Südflügel des Hohenheimer Schlosses abgebrannt. Wiederaufgebaut wurde er erst sehr viel später.

Stuttgart - Es muss große Panik ausgebrochen sein, als der Südflügel des Schlosses Hohenheim am späten Abend des 20. September 1930 Feuer gefangen hatte: Zwei Tage später berichtete das „Stuttgarter Neue Tagblatt“ von „gellenden Hilferufen“ gegen 21.30 Uhr. Das Feuer war – offenbar aufgrund eines Kaminschadens – im südlichen Flügel des damals sogenannten Ochsenhofes ausgebrochen, der heute als Osthof bezeichnet wird. Bemerkt wurden die Flammen zunächst von der Tochter der Wirtin der dort angesiedelten Speisewirtschaft.

Nachdem die freiwilligen Feuerwehren der umliegenden Ortschaften bald merkten, dass sie gegen die Flammen wenig ausrichten konnten, musste die Stuttgarter Berufsfeuerwehr zu Hilfe gerufen werden. Derweil wurde in der Wohnung eines Hochschullehrers ein Fenster eingeschlagen, um ihn und seine Familie auf die nahende Gefahr aufmerksam zu machen. Manche Bewohner halfen offenbar bei den ersten Löschversuchen, andere kamen aus anderen Gründen: „Der weithin sichtbare Lichtschein hatte bereits eine große Zahl von Zuschauern angelockt“, berichtete das „Stuttgarter Neue Tagblatt“.

Die sahen einen anfangs offenbar durch Wassermangel erschwerten Kampf gegen die Flammen: Laut der Darstellung von Hans-Jürgen Philipp in der Ausgabe der „Birkacher Notizen“ vom September 2020 war das Hohenheimer Wasserreservoir nämlich schnell versiegt. „Erst als die Vaihinger Motorspritze am Hohenheimer Freibad und dann die Stuttgarter Motorspritze am Langen See anlegte und als endlich der zweite Anschluss an die Filderwasserversorgung vollzogen war und das Pumpwerk der Neckarwerke nach telefonischer Verständigung den ganzen Pumpendruck nach Hohenheim verlegte, war das Schlimmste, der Wassermangel, behoben“, schreibt Hans-Jürgen Philipp.

Rauchschwaden über dem Schloss

„Etwa gegen drei Uhr morgens war die größte Gefahr gebannt“, schrieb das „Stuttgarter Neue Tagblatt“. Dennoch bot sich dessen Reporter am Morgen danach ein Bild der Zerstörung: Die Wirtschaft, die Brennerei des Technologischen Instituts sowie mehrere Schulen und Dienstwohnungen waren abgebrannt: „Über dem Schloss lagen dicke, schwere Rauchschwaden. Gespensterhaft hoben sich die ausgebrannten Ruinen am Morgenhimmel ab. Dazwischen flackerte eine Flamme erneut auf, da sich das Feuer nicht unterkriegen lassen wollte.“

Außer den Gebäuden wurden große Mengen an eingelagertem Getreide und Futtermittel Opfer der Flammen. Mehrere Familien wurden zunächst obdachlos, niemand kam ums Leben. Laut der Darstellung von Hans-Jürgen Philipp in den „Birkacher Notizen“ wurden bis 1933 zwar die beiden stark beschädigten Nord-Südflügel wiederhergestellt, auf den Wiederaufbau des völlig zerstörten 85 Meter langen Südflügels wurde demzufolge jedoch verzichtet. Stattdessen wurde laut Philipp „später an dessen Stelle eine Baumreihe gepflanzt, um die architektonische Geschlossenheit der Schlossanlage vorzutäuschen“. Erst Ende der sechziger Jahre wurde der Südflügel des Hohenheimer Schlosses wieder aufgebaut.