Wer unglücklich fällt, kann sich auch auf den weichen Bodenmatten verletzten. Deshalb werden spezielle Kurse zum sicheren Klettern und sicheren Stürzen angeboten. Foto: z/Vels

Bouldern ist längst in der breiten Masse angekommen, in diesem Jahr ist es sogar erstmals olympische Disziplin. Im Vels in Stuttgart-Möhringen kommt dennoch seltener der Krankenwagen als früher. Der Geschäftsführer erklärt, woran das liegt – und wie man als Anfänger Stürze vermeidet.

Möhringen - Absolute Konzentration, die komplette Anspannung des eigenen Körpers und dann immer wieder das Gefühl, den nächsten Griff erklommen zu haben: Im Gegensatz zu Sportarten wie Joggen, Radfahren oder Fitnesstraining, wo die Gedanken durchaus mal in völlig verquere Bahnen abdriften können, ist es beim Bouldern schlicht unmöglich, an irgendetwas anderes als ans Bouldern zu denken. Dies ist mit ein Grund, warum das Klettern ohne Seil und ohne Sicherung in vergleichsweise niedriger Höhe für immer mehr Menschen die perfekte Sportart darstellt: Anstrengung und zugleich das Gefühl, völlig abschalten zu können.

Erstmals olympische Disziplin

Als Nischensport angefangen, ist Bouldern inzwischen in der breiten Masse angekommen. Laut dem Deutschen Alpenverein eröffnen seit 2011 jedes Jahr im Schnitt 24 neue Kletter- und Boulderhallen. Dieser Trend ist auch hier zu beobachten: Erst im November 2019 hat der Active Garden in Waiblingen eröffnet, vor einem guten Jahr das Roccadion in Böblingen. In wenigen Wochen kann erstmals im Stuntwerk in Kirchheim/Teck geklettert werden. Und: In diesem Jahr wird Bouldern erstmals olympisch; als Teil des Kletterdreikampfs.

Dominic-Marc Siegesmund, der Geschäftsführer des Vels in Stuttgart-Möhringen (ehemals: Café Kraft), glaubt, dass Bouldern auch deshalb so beliebt ist, weil es ein leicht zugänglicher Sport sei: „Man braucht nur Sportklamotten und Kletterschuhe. Die Erstanschaffungskosten sind relativ gering, um den Sport betreiben zu können.“

Herumrennen ist in der Boulderhalle nicht erlaubt

Diese leichte Zugänglichkeit führt aber auch dazu, dass regelmäßig Menschen in der Boulderhalle aufschlagen, die sehr wenig Ahnung von dem Sport und dessen Verletzungspotenzial haben. Letztens sei zum Beispiel eine Familie mit vier Kindern gekommen, erzählt der Geschäftsführer. Die Kleinen seien wild umhergerannt und hätten eine echte Gefährdung dargestellt. Irgendwann sei dann das Personal eingeschritten: „Wir haben der Familie den Eintritt zurückgezahlt und erklärt, dass der Besuch für diesen Tag beendet ist.“ Boulderhallen sind eben keine Indoor-Spielplätze.

Von solchen Fällen abgesehen spricht der 30-Jährige aber in den höchsten Tönen von seinen Gästen. Denn nicht nur durch das vom Team getragene Qualitätsmanagement und einen neuen Routenbau, sondern auch durch das friedliche und kooperative Verhalten der Kletterer habe die Zahl der Unfälle sogar abgenommen. „2018 endete noch einer von 7500 Besuchen mit dem Krankenwagen, und einer von 23 000 Besuchen mit einer Verletzung, bei der es keinen Krankenwagen brauchte“, sagt er. 2019 sei es nur noch einer von 12 000 Besuchern gewesen, der einen Krankenwagen gebraucht habe, und einer von 12 500 Besuchern, der sich verletzte, aber keinen Krankenwagen benötigt habe.

Aufwärmen ist die beste Prävention

Generell passieren rund zwei Drittel der Unfälle Anfängern. Klassiker sind unkontrollierte Stürze auf die Matte, wodurch sich die Besucher Bänder- oder Gelenkverletzungen zuziehen – etwa am Sprunggelenk, dem Knie, dem Ellenbogen, der Schulter oder dem Handgelenk. Leistungssportler erleiden unterdessen eher Unfälle durch Überlastung, sagt Siegesmund. Doch obwohl Bouldern ein Sport mit Gefährdungspotenzial ist, will er kein klassisches Aufsichtspersonal in der Halle. Allerdings sind jeden Tag Trainer vor Ort, die unter anderem Kurse geben. „Die alleinige Präsenz der Trainer in Kombination mit der Team-Kleidung trägt zu einem guten Verhalten der Besuchern bei.“

Zudem legt Siegesmund Wert auf die Nutzungsordnung, die alle Gäste unterschreiben müssen. Darin wird zum Beispiel erklärt, dass es verboten ist, übereinander zu klettern und dass das Spielen im Boulderbereich untersagt sei. Zusätzlich werden Einsteiger-Kurse angeboten, in denen die Teilnehmer unter anderem sicheres Klettern und sicheres Stürzen lernen.

„Und die beste Verletzungsprävention für Anfänger liegt aus meiner Sicht darin, dass sie sich richtig und lange genug aufwärmen.“ Einige Besucher würden zum Beispiel vor dem Bouldern eine kurze Runde auf den Feldern hinter der Halle joggen gehen. „Des Weiteren sollten Anfänger auf die Erschöpfungssignale Ihres Körpers hören und das Bouldern bei eintretender Ermüdung für diesen Tag beenden. Das kann bei den ersten vier Besuchen schon nach 45 Minuten der Fall sein.“ Wenn man dies beherzige, könne nur noch wenig schief gehen, verspricht Siegesmund.