Kim Jong-Un im Kreise seiner Soldaten Foto: KCNA

In immer kürzeren Abständen unternimmt Nordkorea Bombenversuche mit immer höherer Sprengkraft. Der Verbündete China gerät so zunehmend außenpolitisch unter Druck.

Pjöngjang - Das Regime in Nordkorea hat am Freitag erneut eine Atombombe testen lassen. Der fünfte Kernwaffenversuch des Landes zeigte einige entscheidende Verbesserungen: Die Sprengkraft war messbar höher, zudem soll die Bombe nach Angaben der Propagandamedien deutlich kompakter gebaut sein.

Sprengkopf für Massenanfertigung

„Der Sprengkopf wurde für die Massenanfertigung standardisiert und eignet sich nun zur Bestückung von strategischen ballistischen Raketen“, verkündete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA.   Machthaber Kim Jong-un hat die Zündung der Bombe zur Feier des Gründungstags der Koreanischen Volksrepublik am 9. September angeordnet. Die neue Atomexplosion folgte damit überraschend dicht auf den vorigen Test, den Kim erst im Januar hat durchführen lassen.    Bisher erfolgten die Nuklearversuche des Landes im Abstand von je drei Jahren.

Doch Experten zufolge steht Kim unter Druck, seine Autorität zu beweisen. „Er will die Welt dazu zwingen, seinen Staat als Atommacht anzuerkennen“, sagt Politologe Wu Riqiang von der Remin-Universität in Peking.   Nordkoreas neue Bombe erzielte die größte Zerstörungskraft, die das Waffenprogramm des Landes bisher erzielt hat. Der Sprengkörper explodierte mit der Kraft von zehn- bis zwanzigtausend Tonnen konventionellem Sprengstoff – das leiteten japanische Experten aus den Erdbebenwellen ab, die die Detonation verursacht hat. Er war damit etwa doppelt so stark wie die erste je eingesetzte Kernwaffe, die Hiroshima-Bombe.

Bis jetzt fehlte das Trägersystem

  Nordkorea verfügt zwar schon seit 2006 über mehr oder minder funktionierende Atombomben. Doch bisher fehlt noch etwas: Ein Trägersystem, das sie ins Ziel bringen könnte. Die Techniker des Landes arbeiten daher mit Hochdruck daran, einerseits die Bombe kompakter und andererseits die Raketen stärker zu machen. Experten bezweifeln indessen, dass dieses Ziel schon erreicht ist. Sicher ist jedoch: Kim kommt seinem Traum von der Atomrakete schnell näher.

Die Verunsicherung wächst damit nicht nur für verfeindete Nachbarn des Landes wie Japan, sondern auch für die USA und sogar im letzten kommunistischen Bruderland China.   Was nun geschieht, hängt im Wesentlichen von der Haltung Pekings ab. Kims Regime ist ohne Handelswaren und technische Unterstützung aus China nicht lebensfähig. Die chinesische Regierung ist jedoch seit dem jüngsten Test höchst unzufrieden mit dem Verhalten des jungen Machthabers. China will die einzige Atommacht in Ostasien bleiben. Ein Wahnsinniger, der nichts zu verlieren hat, wäre auch eine Bedrohung für die Volksrepublik.   Doch kurzfristig wiegt viel schwerer, dass Kims Verhalten den USA außenpolitisch in die Hände spielt.

Raketenschild in Südkorea

Die atomare Zündelei liefert Washington einen Vorwand, in Südkorea einen Raketenschild zu installieren. Ein vergleichbares Projekt hat bereits in Europa einen heftigen Streit mit Russland ausgelöst. Die USA haben im Mai Abwehrraketen in Rumänien stationiert. Präsident Wladimir Putin sieht das als unfreundlichen Akt.   Nun läuft in Südkorea die Installation eines ähnlichen Systems an. Chinas Präsident Xi Jinping reagierte ebenso aufgebracht wie Putin. Die Terminal High Altitude Area Defense (THAAD) richtet sich zwar offiziell gegen Nordkorea. Doch die Raketenstellungen sind bestens positioniert, um auch chinesische Angriffe abzufangen.   Xis Apparat hat mit heftigen Verbalattacken auf die südkoreanische Politik reagiert. Auch erste, inoffiziellen, Handelssanktionen sind zu sehen. Chinas Zensur verweigert südkoreanischen Fernsehserien die Sendeerlaubnis. TV-Produktionen sind ein wichtiges Exportprodukt Südkoreas. China hofft offenbar, Südkorea durch steigenden wirtschaftlichen Druck zum Umdenken bringen zu können.   Jetzt funkt Kim mit dem neuen Atomtest dazwischen.

Über Strafen nachdenken

„Südkorea wird nun den Ausbau von THAAD und anderen Verteidigungssystemen noch beschleunigen“, glaubt Nordkorea-Experte Zhang Liangui von der Zentralen Parteischule der Kommunistischen Partei Chinas in Peking. „Die Spannungen in Nordostasien werden insgesamt zunehmen.“   Pjöngjang handele „höchst unklug“, warnte auch die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Das chinesische Außenministerium verurteilte den Test und forderte Nordkorea auf, keine Krise zu schaffen.   Kim geht einfach zu weit, lautet die Einschätzung in Peking. „Es ist Zeit, über extremere Maßnahmen und Strafen nachzudenken“, sagt Partei-Vordenker Zhang. Internationale Sanktionen nach dem Atomtest im Januar hätten ganz offensichtlich nicht ausgereicht. Im Gegenteil, sie scheinen Kim noch aufgestachelt zu haben.   Härtere Sanktionen würden zwar die Bevölkerung treffen – es droht dann sogar eine Hungersnot. Doch derzeit sei es am wichtigsten, die Nuklearisierung der südkoreanischen Halbinsel aufzuhalten, meint Zhang. „Die Not der Bevölkerung nach härteren Sanktionen wäre nicht die Schuld der internationalen Gemeinschaft, sondern die der nordkoreanischen Führung.“