Volle Konzentration: Die Schülerinnen versuchen mithilfe des sogenannten Towers knifflige Aufgaben zu lösen. Foto: factum/Weise

Ob Mobbing, Shitstorm oder Hacker-Angriff – gerade Schüler sind im Internet vielfältigen Gefahren ausgesetzt. An der Mildred-Scheel-Schule in Böblingen werden Jugendliche in einem Escape Room auf spielerische Art sensibilisiert.

Böblingen - Der Hacker spricht mit verzerrter Stimme, seine Worte verhöhnen die Gruppe von Schülern, die vor dem Monitor steht: „Ihr werdet die Aufgaben sowieso nicht lösen können – und dann zerstöre ich das Leben eines unschuldigen Menschen.“ Die Jugendlichen halten sich nicht lange mit den Drohungen des gruseligen Hackers auf, der schon wieder vom Bildschirm verschwunden ist. Sie schauen sich im Raum um und prüfen verschiedene, herumliegende Gegenstände, die ihnen Hinweise geben könnten. Um aus dem Escape Room zu gelangen, müssen sie die Aufgaben lösen, die ihnen der Hacker gestellt hat. Doch viel wichtiger ist: Sie müssen herausfinden, wer das Opfer ist und es vor dem Shitstorm schützen, den der Hacker auslösen will. Die Fotos von fünf potenziellen Opfern finden die Schüler im Raum. Um die richtige Person zu finden, bleiben ihnen 45 Minuten.

Die meisten Schüler der Mildred-Scheel-Schule in Böblingen wissen, was ein Shitstorm im Internet anrichten kann. Die 16-jährige Edona Osmani war sogar selbst schon davon betroffen. Darüber reden möchte sie nicht, aber sie hat ihre Lehren daraus gezogen: „Ich bin in den sozialen Netzwerken vorsichtiger geworden“, sagt sie. Und auch ihre Mitschüler sollen für das Thema Cyber-Mobbing sensibilisiert werden – allerdings auf spielerische Weise. „In einer Klasse waren Schüler davon betroffen, deshalb kam das Thema auf“, sagt Dagmar Schön-Luetkens, die als Sozialarbeiterin an der Berufsschule tätig ist. Das Projekt der Baden-Württemberg Stiftung, das von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg und der Stiftung Weltethos angeboten wird, passte deshalb perfekt an die Schule.

Escape Rooms waren nach Unglück in Polen in die Schlagzeilen geraten

Nun dürfen sich innerhalb von zwei Tagen sieben Schulklassen durch den Escape Room rätseln. Außerdem behandeln sie das Thema im Deutschunterricht. Für die Sozialarbeiterin bringt diese besondere Art des Unterrichts gleich mehrere Erkenntnisse: „Die Schüler lernen durch Selbsterfahrung, ohne erhobenen Zeigefinger. Und wir sehen, wie sie als Gruppe funktionieren.“ Oft ergebe sich eine lebendige Diskussion nach dem Spiel.

In die Schlagzeilen geraten waren Escape Rooms Anfang dieses Jahres, als in Polen fünf Mädchen bei einem Feuer während eines solchen Spiels starben. Doch die Sicherheitsbestimmungen sind in Deutschland viel höher, beruhigt Schön-Luetkens: „Bei uns werden die Schüler außerdem gar nicht wirklich eingeschlossen.“

Begleitet wird das Projekt an der Berufsschule von den Spielleitern Adriana Fortunato und Lucas Grimm, beide angehende Lehrer. Sie führen die Gruppen in das Spiel ein und beobachten sie dann über Kameras, die in dem Escape Room angebracht sind. Wenn die Schüler nicht weiter wissen, schicken sie ihnen – im Namen des bösen Hackers – Hinweise über den Monitor. Es liegt an den Schülern, den Wahrheitsgehalt der Hinweise zu prüfen und einzuordnen. „Nur etwa 60 Prozent der Schüler kommen auf die Lösung“, sagt Adriana Fortunato. Das Niveau des Spiels sei hoch angesetzt, um einen Anreiz zu schaffen.

Die Gruppe um Edona Osmani konnte die Aufgabe nicht in der vorgegebenen Zeit lösen, dennoch hat es Spaß gemacht. „Es war anstrengend, weil wir so viel nachdenken mussten, aber auch interessant“, findet die Berufsschülerin. Etwas gelernt hat sie ebenfalls bei dem Spiel: „Ich werde sicherere Passwörter aussuchen, damit meine Accounts nicht gehackt werden können.“