Vor zwei Wochen ist in der Stuttgarter Leonhardskirche das erste schwule Paar gesegnet worden. Foto: Martin Stollberg

Erst zum Standesamt, dann in die Kirche, das geht nun auch im Kreis Böblingen in drei Gemeinden.

Böblingen/Leonberg - Ganz offiziell dürfen sich nun auch im Landkreis Böblingen homosexuelle Paare, die sich das Jawort geben, in der Kirche segnen lassen. Sowohl die Christuskirchengemeinde als auch die Stadtkirche in Böblingen haben in der vergangenen Woche die Erlaubnis des evangelischen Oberkirchenrats dazu erhalten, ebenso die Kirchengemeinde Nord in Leonberg.

Vor vier Jahren hatte es für einen solchen Segnungsgottesdienst für zwei Frauen, den der Böblinger Dekan Bernd Liebendörfer gehalten hatte, noch einen Rüffel von der Landeskirche gegeben. Denn der Gottesdienst war damals mit dem Kirchenrecht nicht konform. Liebendörfer steht bis heute dazu. „Wir segnen in allen möglichen Lebenssituationen Menschen: bei der Taufe, in Schulgottesdiensten, bei Trauungen, bei der Aussendung kirchlicher Mitarbeiter ins Ausland, bei Beerdigungen. Dann kann ich das nicht einer bestimmten Gruppe verweigern“, sagt er dazu. Für den Pfarrer Moritz Twele von der Christuskirchengemeinde war diese verbotene Segnung „ein wichtiger Schritt auf dem Weg “ zur jetzigen Erlaubnis. „Das hat damals große Diskussionen ausgelöst“, erinnert er sich. Mehrfach waren die Segnungen auch Thema des württembergischen Kirchenparlaments gewesen. Eine erste vorsichtige Öffnung für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, für die der Bischof 2017 einen Vorschlag vorgelegt hatte, scheiterte jedoch. Zwei Stimmen fehlten im Gremium zur benötigten Zwei-Drittel-Mehrheit.

25 Gemeinden in Württemberg bieten Segnung an

Daraufhin machten die sogenannten Regebogengemeinden in der Württembergischen Kirche mobil. Unter diesem Namen haben sich bereits 2015 Gemeinden gefunden, die die Segnung homosexueller Paare vorantreiben. In Böblingen gehört neben der Christusgemeinde und der Stadtkirche auch die Paul-Gerhardt-Gemeinde dazu. Es folgten weitere Diskussionen in der Landessynode – dem Kirchenparlament. Im März 2019 beschlossen die Mitglieder, dass in einem Viertel aller Kirchengemeinden eine Segnung homosexueller Paare möglich sein soll, wenn die Gemeinden zuvor einen genau festgelegten Prozess durchlaufen.

„Der Kirchengenderat muss mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen, die Pfarrer müssen einverstanden sein und auch die Mitglieder der Gemeinde müssen die Gelegenheit haben, sich dazu zu äußern“, zählt Twele die notwendigen Schritte auf.

Bis jetzt haben laut laut dem Kirchenrat Frank Zeeb 173 der insgesamt 1200 Kirchengemeinden in Württemberg einen Antrag gestellt. 25 Gemeinden haben das Verfahren bereits abgeschlossen – darunter drei im Kreis Böblingen. In der Stuttgarter Leonhardskirche ist kürzlich das erste schwule Paar gesegnet worden.

Kein Aufregerthema in Böblingen

In Böblingen hatte es Anfang März, kurz vor dem Lockdown, ein Gemeindeforum zum Thema gegeben. Nur 50 Leute nahmen daran teil „Dass es nur so wenige waren, hat uns schon verwundert. Andererseits ist es uns Bestätigung: Das scheint kein Aufregerthema in Böblingen zu sein“, sagt Twele. Die meisten Teilnehmer hätten dem Ansinnen zugestimmt.

Mitte der vergangenen Woche erhielt Twele dann die ersehnte Nachricht aus dem Oberkirchenrat. Er ist zufrieden mit der neuen Situation. „Auch wenn wir uns natürlich mehr gewünscht hätten.“ Und er verweist auf andere Landeskirchen, in denen die Segnung homosexueller Paare den Trauungen heterosexueller gleichgestellt sind.

So sieht es auch der Dekan Liebendörfer. „Natürlich wäre es uns lieber, wenn Segnungen ohne diese ganze Prozedur möglich wären und es keine Beschränkung auf ein Viertel der Gemeinden gebe. „Aber es ist ein erster Schritt.“ Er hat Verständnis für Kollegen und Gemeindeglieder, die sich mit dieser Neuerung schwer tun. „Auch ich bin nicht mit dieser Überzeugung zur Welt gekommen, sondern habe mich weiter entwickelt. Andere Menschen stehen an einem anderen Punkt.“

Aktuell gibt es in Böblingen keine Anfrage für eine Segnung. „Das muss sich jetzt erst herumsprechen“, sagt Twele.