Wie hier der Schwarzwald, wird jetzt auch der Schurwald großflächig aus der Luft gekalkt. Foto: Landkreis Esslingen

Von Montag an fliegt ein Hubschrauber über dem Waldgebiet und verteilt Kalkstaub. Die Bodenkalkung soll der Übersäuerung des Bodens entgegenwirken und den Wald widerstandsfähiger machen.

Aichwald/Baltmannsweiler - Auch wenn kein Regen in Sicht ist –für den Schurwald gilt in den nächsten Tagen die Devise: Alles Gute kommt von oben. Statt Wassertropfen wird es feinen Kalkstaub regnen. Von Montag, 1. Juli, an werden rund um die Esslinger Kreisgemeinden Aichwald und Baltmannsweiler 500 Hektar Staatswald, das entspricht einer Fläche von mehr als 500 Fußballplätzen, von einem Hubschrauber aus gekalkt.

Für die Dauer der Befliegung, je nach Witterungsverlauf können das bis zu drei Wochen sein, sind die betroffenen Waldgebiete gesperrt. „Der Kalk an sich ist für Mensch und Tier harmlos“, sagt Anton Watzek, der Forstamtsleiter im Esslinger Landratsamt. Trotzdem müsse man immer auch damit rechnen, dass der Kalkstaub in den Streukübeln der Hubschrauber verklebt und in Klumpen herunterkommt. „Waldbesucher müssen die Sperrhinweise und Absperrbänder deshalb unbedingt beachten“, sagt der Förster.

Erholung für den stressgeplagten Wald

Die erstmals im Kreis Esslingen durchgeführte Bodenschutzkalkung ist eine langfristig wirkende Erholungsmaßnahme für den stressgeplagten Wald. Sie wirkt nicht nur der Bodenversauerung entgegen, sondern unterstützt den natürlichen Regenerationsprozess der Böden, verbessert den Wasserhaushalt, erhöht die Trockenheitstoleranz sowie die Stabilität der Bäume und wirkt sich positiv auf die Vielfalt und Häufigkeit von Kleinlebewesen am Boden aus. „Sechs Jahre nach einer Kalkung lässt sich der Erfolg an der erhöhten Zahl der Regenwürmer ablesen“, sagt die Forstingenieurin Elke Rimmele-Mohl, die den Einsatz auf dem Schurwald im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt leitet.

Wenn es am Boden kreucht und fleucht, profitieren auch die größeren Tiere im Schurwald – Rehe, Wildschweine, Füchse, und Hasen – von dem gedeckten Tisch. In den Zeiten des Klimawandels kommt zudem der Stabilität der Bäume, deren Trockenheitstoleranz und damit auch deren Widerstandskraft eine große Bedeutung zu.

Pro Tag sind 150 Flüge geplant

„Wir planen rund 150 Flüge am Tag“, sagt die Einsatzleiterin. Um die Wege kurz zu halten, ist zwischen Baltmannsweiler und dem Winnender Teilort Baach im angrenzenden Rems-Murr-Kreis eine Wiese als Umschlagplatz vorbereitet worden. Dorthin wird der Kalk mit Lastzügen gebracht und dann in den vom Hubschrauber herabgelassenen, rund eine Tonne Material fassenden Streukübel geladen. „Der Hubschrauber muss dabei gar nicht landen. Er schwebt über dem Ladeplatz, während der an einer 20 Meter langen Leine befestigte Kübel beladen wird“, sagt Elke Rimmele-Mohl.

Sie geht davon aus, dass der Pilot pro Tag über rund 60 Hektar Wald rund um die Ortschaften Schanbach, Krummhardt, Hohengehren und Baltmannsweiler fliegen und dabei rund drei Tonnen Kalk pro Hektar herabrieseln lassen kann.

Die Sünden der Vergangenheit rückgängig machen

Anton Watzeks Worten zufolge ist die Bodenschutzkalkung ein Teil des Nachhaltigkeitsmanagements der Landesforstverwaltung. Gekalkt würden nur Flächen, die durch menschlichen Einfluss versauert und durch die zunehmende Industrialisierung im 20. Jahrhundert nachhaltig geschädigt worden seien. Zwar ist der Säureeintrag laut der Forstverwaltung inzwischen wieder zurückgegangen, doch der hohe Eintrag von Stickstoffverbindungen belaste nach wie vor die Ökosysteme im Wald.

„Die Säurelast der 1970er und 1980er Jahre ist in den Waldböden zurückgeblieben“, sagt Watzek. Als Folge davon seien Nährstoffe ausgewaschen worden und ein für viele Lebewesen zu saures Milieu entstanden. „Viele Waldböden sind in ihrer Funktion als Trinkwasserfilter, Pflanzenstandort und Lebensraum nur noch eingeschränkt funktionsfähig“, stellt der Forstamtsleiter fest, zumal die Waldböden die Sünden der Vergangenheit allenfalls zu Teilen selbstständig auffangen könnten. „Mit der Kalkung erreichen wir wieder den natürlichen Zustand“, sagt Watzek.

Auch der Sauhag steht auf der Liste

Die Grundlagen für die von der Europäischen Union geförderte Bodenschutzkalkung haben Voruntersuchungen der in Freiburg ansässigen Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg geschaffen. Die Freiburger Wissenschaftler haben die potenziellen Kalkungsflächen auf der Grundlage von Bodenproben ermittelt und die geeignete Materialmischung empfohlen. Nachdem der Hubschrauber im vergangenen Jahr im Kreis Göppingen und davor schon im Rems-Murr-Kreis im Einsatz gewesen ist, steht nun der Schurwald auf dem langfristig angelegten Flugplan.

In Abstimmung mit der Naturschutzbehörde und mit dem Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz ist der Sauhag, ein ausgedehntes Waldgebiet zwischen Neuhausen, Wolfschlugen und Denkendorf, ebenfalls auf die Liste der potenziell für eine Bodenschutzkalkung in Frage kommender Anwärter gerückt. Insgesamt gibt es im Landkreis Esslingen rund 19 500 Hektar Wald. Davon sind rund 6500 Hektar in Staatsbesitz.