An der Wernerstraße 10 sollen 124 Apartments mit insgesamt 248 Betten entstehen. Foto: Wolf-Architekten

Dem geplanten Boardinghouse an der Wernerstraße 10 fehlt noch die Baugenehmigung. Das Regierungspräsidium entscheidet, wie es weitergeht.

Stuttgart-Feuerbach - Die Markt und Service gGmbH (MuS) möchte an der Wernerstraße 10 ein sogenanntes Boardinghouse betreiben. Spätestens im Januar 2019 sollte der Neubau mit seinen 124 Apartments eigentlich eingeweiht werden. So war zumindest der Plan beim Tochterunternehmen des Caritasverbandes Stuttgart. „Dieser Zeitrahmen ist auch in unserem Pachtvertrag verankert. Aber so ist der Termin nicht zu halten“, betonte Gerhard Sohst am vergangenen Dienstag.

Der MuS-Geschäftsführer war in der jüngsten Sitzung des Bezirksbeirats zu Gast, um den Lokalpolitikern das Boardinghouse-Projekt vorzustellen. Doch das wichtigste Papier fehlt bislang: Die Baugenehmigung. „Wir sind nur die Pächter des Gebäudes. Deshalb kann ich Ihnen leider nicht sagen, warum es zu Verzögerungen kommt. Wir stecken da nicht drin. Aber wir haben von größeren Schwierigkeiten mit dem Baurechtsamt gehört“, sagte Sohst, der die Namen der Investoren noch nicht nennen darf.

Trotz den Verzögerungen war der zweite MuS-Geschäftsführer Werner Neubrandt am Dienstag frohen Mutes, dass es bald losgeht. Er rechnet mit einer Bauzeit von 15 Monaten: „Ja, eigentlich hätte schon längst gebaut werden müssen. Aber wir hoffen, dass der Startschuss noch im März fällt.“

Ein Chemieunfall und seine Folgen

Danach sieht es allerdings überhaupt nicht aus. Auf Nachfrage unserer Zeitung schildert die Leiterin des Baurechtsamtes, Kirsten Rickes, den Verfahrensstand: „Der Bauantrag wurde am 31. Juli eingereicht, war aber erst am 21. Dezember 2017 vollständig und konnte danach in den Ämterumlauf gehen.“ Dabei habe sich herausgestellt, dass der geplante Neubau „im möglichen Einwirkungsbereich eines Störfallbetriebs nach der Seveso-Richtlinie liegt“.

Benannt ist diese europäische Richtlinie nach dem Ort eines schweren Chemieunfalls, der sich am 10. Juli 1976 in der Chemiefabrik Icmesa ereignete, als bei der Herstellung des Desinfektionsmittels Hexachlorophen ein Überdruckventil platzte. Die Folgen für das norditalienische Städtchen Seveso und die umliegende Region waren verheerend. Das soll nicht mehr passieren, deshalb wird im direkten Umfeld von sogenannten Störfallbetrieben, die mit gefährlichen Stoffen wie zum Beispiel Chlor oder Phosphor arbeiten, noch mehr Wert auf die Sicherheit gelegt. Mit Störfallbetrieb ist in diesem Feuerbacher Fall die Firma Bosch gemeint.

Die Seveso-Richtlinie gibt es zwar schon seit vielen Jahre, „aber Anfang 2018 wurde sie nochmals geändert“, sagt Rickes. Die Mindestabstände zwischen Neubau und Störfallbetrieb scheinen das Problem zu sein. Alte Bauvorhaben wie das benachbarte Gästehaus von Bosch, das 2016 an der Wernerstraße bezogen wurde, seien von der neuen Richtlinie nicht betroffen. Nun müsse das Regierungspräsidium prüfen, ob beziehungsweise unter welchen Bedingungen eine Baugenehmigung für das neue Projekt an der Wernerstraße 10 erteilt werden darf.

Langzeitgäste, Touristen und Geschäftsreisende sollen eine Bleibe finden

Am 27. Februar sei das Regierungspräsidium (RP) vom Baurechtsamt angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten worden, „inwieweit der in der Umgebung liegende Betriebsbereich nach der Störfall-Verordnung Einfluss auf dieses Vorhaben hat“, sagt RP-Pressesprecherin Saskia Becker auf Nachfrage unserer Zeitung. „Die dahingehende Prüfung der Sachlage ist derzeit in Arbeit. Ein abschließendes Ergebnis liegt noch nicht vor, da noch nicht alle Sachverhalte geklärt sind. Daher können wir in diesem laufenden Verfahren zur Zeit keine weiteren Angaben machen.“

Unabhängig von allen Verzögerungen plant das Inklusionsunternehmen MuS an der Wernerstraße 10 einen Beherbergungsbetrieb – mit 124 Apartments, 248 Betten, einer Lobby mit Aufenthaltsbereich, einem Multifunktionsraum sowie einem Caféshop. Alle Apartments sollen mit Dusche, WC und Kitchenette ausgestattet werden. Das Gästehaus soll eine Alternative zu klassischen Hotels sein. Die Zielgruppe: Langzeitgäste, die für ein paar Wochen in Stuttgart arbeiten sowie Touristen und Geschäftsreisende.

Bis zu 41 Mitarbeiter sollen an der Wernerstraße beschäftigt sein. Zehn Stellen sind für Menschen mit Behinderung angedacht, die an der Rezeption, im Service, in der Haustechnik und dem Housekeeping angesiedelt sind. „Auch bei diesem Projekt steht nicht im Vordergrund, ein Hotel zu betreiben, sondern wie immer: Menschen mit Behinderung in Arbeit zu bringen“, betonte Gerhard Sohst.

Die MuS betreibt seit 2004 zwei CAP-Lebensmittelmärkte in Stuttgart (Obertürkheim und Untertürkheim) und beschäftigt derzeit 40 Mitarbeiter, von denen 21 schwerbehindert sind.