Sabine Jörger ist eigens von Möhringen nach Musberg geradelt, um ihr Blut zu spenden. Foto:  

Warum geben Menschen ihr Blut für andere, die sich nicht kennen? Wir haben uns bei einer Spendenaktion in der Musberger Festhalle umgehört. Die Beweggründe sind ganz unterschiedlich.

Leinfelden-Echterdingen - Blut spenden kann Leben retten: Das habe ich am eigenen Körper erfahren. Denn ohne Blutkonserven wäre ich gestorben. Nur ein vollständiger Blutaustausch konnte mein Leben kurz nach der Geburt retten. Zu verdanken habe ich das einem engagierten Ärzteteam und Menschen, die ihr Blut gespendet haben. 38 Jahre liegt das bald zurück, und ich erfreue mich bester Gesundheit. Ein wertvolles Geschenk, für das ich ein Leben lang zu Dank verpflichtet bin.

Allerdings sinkt die Bereitschaft der Menschen, ihr Blut zu spenden. Deutschlandweit sind es nur noch drei Prozent. Einige dieser Lebensretter habe ich am Donnerstag bei der Blutspendeaktiondes Deutschen Roten Kreuzes in der Musberger Festhalle getroffen und mich mit ihnen unterhalten. Was bewegt diese Frauen und Männer dazu, ihren wertvollen Lebenssaft für fremde Menschen – wie damals für mich – herzugeben?

Nach dem Blutspenden fühlt sich Sabine Jörger fit

„Meist treffen wir bei den Blutspendeterminen auf die gleichen Gesichter“, sagt der Bereitschaftsleiter der DRK in Leinfelden-Echterdingen, Ron Wüst. Wer einmal gespendet hat, der komme meist auch wieder. Einer dieser Mehrfachspender ist Beate Richter aus Leinfelden. Mit 18 Jahren ist sie zum ersten Mal zur Blutspende gegangen. „Damals bin ich gleich zweimal hintereinander umgekippt, weil ich zu wenig getrunken und gegessen hatte“, erinnert sich die mittlerweile 57-Jährige. Abschrecken ließ sich die Frau davon nicht. Inzwischen hat sie sich zum 65. Mal jeweils einen halben Liter Blut abzapfen lassen. „Ich möchte damit etwas Gutes tun“, sagt Richter.

Sabine Jörger ist mit ihrem Rad eigens aus Möhringen zum Blutspendetermin in Musberg gefahren. „In Möhringen hatte ich keine Zeit, deshalb bin ich jetzt hier“, sagt die Frau, die ebenfalls Mehrfachspenderin ist. Auf Blutspenden könne schließlich jeder einmal angewiesen sein, sagt die 54-Jährige. Umso wichtiger sei es, dass viele Menschen spenden gehen. „Außerdem tut es mir gut, ich fühle mich danach richtig fit“, berichtet sie, während ihr Blut durch einen dünnen Plastikschlauch in den sterilen Beutel fließt.

Die Fragen nach dem Sexualleben gefallen nicht jedem

Eike Schwenn sitzt derweil sichtlich angespannt auf einem Stuhl, kaut auf einer Brezel und trinkt Cola. Auf Anordnung vom Ärzteteam. Der 18-Jährige ist zum ersten Mal bei der Blutspende. Seine Freundin Annabel Tietz hat ihn überredet, mitzukommen. Bevor Eike Schwenn spenden kann, muss er sich wie alle anderen einem kurzen, ärztlichen Check-up unterziehen, bei dem unter anderem der Blutdruck, Puls und Hämoglobinwert bestimmt werden. Außerdem muss ein ausführlicher Fragebogen ausgefüllt werden.

Plötzlich schimpft eine Frau im Hintergrund: „Das ist unverschämt. Ich komme nie wieder“, sagt die Frau aus Leinfelden, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie beschwert sich über Fragen zum Sexualverhalten der Spender – und sie ist nicht die Einzige an diesem Tag. Konkret wird auf dem vor knapp einem Jahr erneuerten Bogen gefragt, ob Spender zuletzt Sex mit einem neuen oder bisexuellen Partner hatten oder ob sie Geld für Geschlechtsverkehr angenommen haben. „Mein Sexualleben geht doch keinen etwas an“, echauffiert sich auch eine ältere Frau, die laut eigener Aussage seit knapp 30 Jahren Blut spendet.

Nach acht Minuten ist Eike Schwenns Blutbeutel voll

Ron Wüst und Daniel Schnell vom DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen klären die aufgebrachten Frauen in ruhigem Ton sachlich auf. „Wir müssen zu hundert Prozent sichere Konserven in den Umlauf bringen. Dafür ist es nötig, Risikofaktoren im Vorfeld abzuklären und auszuschließen“, erklärt Daniel Schnell. Denn über den Geschlechtsverkehr können schwere Infektionen wie HIV oder Hepatitis übertragen werden. Zwar wird jede Blutspende auf Krankheiten untersucht und in Laboruntersuchungen getestet. Doch einige Infektionen sind zum Teil erst bis zu vier Monate nach der Ansteckung im Blut nachweisbar. Die Frauen lassen sich schließlich besänftigen und schreiten weiter zur Blutspende.

Zwischenzeitlich hat auch Erstspender Eike Schwenn auf der Liege Platz genommen und schaut die Decke an. Eine Ärztin legt ihm routiniert einen Zugang. Eine Krankenschwester erkundigt sich mehrmals nach dem Wohlbefinden des Mannes. Nach acht Minuten ist der Blutbeutel voll. Etwas blass, aber sichtlich stolz, gesellt sich Eike Schwenn zu seiner Freundin, die ebenfalls gespendet hat. „Es fühlt sich gut an“, betont der junge Mann. Ob er wieder kommt, weiß er noch nicht. Es gibt einen kleinen Imbiss, am Abend gehen die beiden auf eine Grillparty.

Täglich werden in Baden-Württemberg 1800 Blutspenden benötigt

Während das junge Paar sich händchenhaltend auf den Nachhauseweg begibt, bespaßt eine Krankenschwester ein Baby. Maximilian, so der Name des Jungen, beobachtet lachend, wie das Blut seiner Mama Tanja Nill den Spenderbeutel füllt. Tanja Nill ist stellvertretende DRK-Bereichsleiterin in L.-E. und selbst Krankenschwester. Bei ihrer Arbeit in der Notaufnahme einer Klinik sieht sie im wörtlichen Sinne, wohin der Lebenssaft Tag für Tag fließt.

1800 Blutspendenwerden allein in Baden-Württemberg täglich benötigt. Statistisch gesehen wird das meiste Blut zur Behandlung von Krebserkrankungen benötigt (19 Prozent). Es folgen Erkrankungen des Herzens (16 Prozent), Magen- und Darmkrankheiten (16 Prozent), Sport- und Verkehrsunfälle (zwölf Prozent). Vier Prozent der Blutspenden werden für Komplikationen bei der Geburt benötigt und retten junges Leben – wie auch mir an einem Juni-Abend vor 38 Jahren.