Obwohl es sich finanziell nicht immer lohnt, steht sich Ruth Kleinmann jeden Freitag die Beine in den Bauch. Foto: Caroline Holowiecki

Ruth Kleinmann ist die einzige Standbetreiberin auf dem Sillenbucher Wochenmarkt, die auch in dem Stadtbezirk lebt. Mit ihren bald 78 Jahren trotzt sie immer wieder freitags Wind und Wetter.

Sillenbuch - Es regnet in Strömen. Der Wind pfeift, und vorwinterlich kalt ist es obendrein. Das Sauwetter lockt an diesem November-Freitag nur wenige Kunden auf den Sillenbucher Wochenmarkt. Doch Ruth Kleinmann ist da. Eigentlich ist sie so gut wie immer da, und das seit der Markt besteht, wie sie sagt. „Da war er noch da drüben“, erklärt sie und zeigt in Richtung Ostfilderfriedhof. Die Hände sind die einzigen Körperteile, die sie nicht dick eingemummelt hat. Um den Kopf hat sich Ruth Kleinmann einen Schal gewickelt, mehrere Lagen aus Pullovern, Jacken und Westen schützen ihren Körper vor der Kälte, an den Füßen trägt sie feste Winterschuhe. Verzagt wirkt sie indes nicht. „Bewegung ist gesund. Tät’ ich daheim hocken, hätt’ ich einen Vitamin-D-Mangel. Draußen hat man gute Gedanken und kann mit den Leuten schwätzen“, sagt die Blumenverkäuferin.

Ruth Kleinmann ist eine Marktfrau, wie man sie sich vorstellt. Urschwäbisch, kernig, robust, mit Händen, denen man ansieht, dass sie ein langes Leben lang viel geschafft haben. Die Seniorin hat schon immer in der Landwirtschaft gearbeitet, wie sie sagt. „Ich bin gebürtig von Echterdingen, mein Mann ist von Sillenbuch.“ Auf Feldern in Ruit und Echterdingen pflanzen sie und ihre beiden Kinder auch nach dem Tod des Vaters bis heute Blumen an.

Sie gehört zu den ältesten Verkäufern

Die Sonnenblumen, die Ruth Kleinmann an diesem tristen Tag verkauft, sind eigene, der Rest wurde zugekauft. Noch an zwei weiteren Ständen auf dem Areal im Riedenberger Einkaufszentrum werden Sträuße und Gestecke angeboten. „Eigentlich ist das für das kleine Märktle zu viel“, sagt sie. Heute gebe es Blumen schließlich in jedem Supermarkt für schmales Geld, gibt sie zu denken. „Manches Mal lohnt es sich gar nicht“, sagt sie. Dennoch steht sie sich Freitag für Freitag von 10 Uhr bis zum frühen Abend die Beine in den Bauch. „Ich bin immer die Letzte, weil meine Tochter sonst nicht reinfahren kann“, sagt Ruth Kleinmann. Manchmal übernimmt die Tochter auch den Verkauf. An diesem Freitag bindet sie daheim jedoch Sträuße für den Samstagsmarkt in der Innenstadt, erklärt die Mutter.

Die ältere Frau, die im Sillenbucher Stadtteil Heumaden lebt, ist aus mehreren Gründen ein Unikat auf dem Wochenmarkt. Mit ihren bald 78 Jahren gehört sie zu den betagtesten Verkäufern, vielleicht ist sie sogar die älteste. „Ich wüsste grad niemand, der älter wäre“, sagt sie, während sie den Blick über die tropfnassen Buden schweifen lässt. Was indes jeder hier sagt: Ruth Kleinmann ist die einzige Beschickerin auf dem Sillenbucher Wochenmarkt, die auch im Bezirk lebt. Und sie wird dem Markt auch noch eine Weile erhalten bleiben, denn ans Aufhören denkt sie nicht. Nichts schaffen, das kommt für Ruth Kleinmann nicht in Frage. „Es steht schon in der Bibel, man soll von den Ameisen lernen“, sagt sie. Dann lacht sie auf. „Wenn ich zu Hause wäre, weiß ich ganz gewiss, wäre ich krank.“