Mit mobilen Tempokontrollen und stationären Blitzern versuchen die Behörden, Unfallzahlen und Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen Foto: dpa-Zentralbild

Fast doppelt so viele Autofahrer wie im Jahr zuvor sind 2014 in Stuttgart und auf den angrenzenden Autobahnen geblitzt worden. Der enorme Anstieg geht zu guten Teilen auf die neuen Anlagen an der A 8 zurück – aber nicht nur.

Stuttgart - Ein Kunststück oder einfach nur kriminelle Energie? Jedenfalls stellt es normale Autofahrer vor Rätsel, wie man am Vaihinger Schattenring in der Kurve auf 122 Sachen kommen kann, um sich ein hübsches Blitzerfoto samt Fahrverbot einzuhandeln. Und doch ist genau das im vergangenen Jahr passiert. Ein Fall, der durchaus Symbolcharakter hat: Nicht nur sind 2014 so viele Tempoverstöße wie noch nie gezählt worden, auch die Höchstgeschwindigkeiten haben sich nach oben bewegt.

Sage und schreibe 1,114 Millionen Verstöße wegen zu schnellen Fahrens sind im vergangenen Jahr im Stuttgarter Stadtgebiet und auf den angrenzenden Autobahnen A 8, A 81 und A 831 verzeichnet worden. Eine Zunahme um 84 Prozent und damit ein Rekord, der alles Bisherige weit hinter sich lässt. Zudem hat es 6118 Fahrverbote für besonders eilige Verkehrsteilnehmer gegeben – auch das ist ein Höchstwert.

Der enorme Zuwachs kommt besonders durch die vier neuen Autobahnblitzer entlang der A 8 zustande. Aber nicht allein. Auch innerhalb der Stadt gibt es deutliche Zuwächse. Und immer mehr Murren mancher Autofahrer, die sich verfolgt fühlen und Gewinnsucht der Behörden wittern. Das weist Joachim Elser, Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung, zurück: „Es geht uns darum, die Unfälle an Schwerpunkten einzudämmen und einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität in Stuttgart zu leisten.“ Jeder Verkehrsteilnehmer sei selbst dafür verantwortlich, sich an Regeln zu halten, die dem Allgemeinwohl dienen: „Dann wird er auch nicht zum Bestandteil unserer Statistik.“ Die sieht wie folgt aus:

Vollgas vor der Haustür: „In Tempo-30-Zonen haben wir aufgrund von Anwohnerbeschwerden vermehrt kontrolliert“, sagt Elser. Dementsprechend stieg auch die Zahl der Erwischten deutlich an. 52 Fahrverbote wurden ausgesprochen. Der traurige Spitzenreiter brachte es auf 94 Stundenkilometer – und drei Monate ohne Führerschein.
 
Ausfallstraßen: Trotz der Konzentration der städtischen Verkehrsüberwachung auf die Wohngebiete hat sich die Lage auch an den großen Ausfallstraßen nicht entspannt. Stadt und Polizei erwischten dort noch einmal mehr Temposünder als im Jahr zuvor. Die Zahl der Fahrverbote stieg deutlich. Auf der Wildparkstraße gingen besonders viele Raser ins Netz. Einer von ihnen brachte es auf 182 Sachen, wo 80 erlaubt sind. Ein anderer glänzte bei einer mobilen Kontrolle in der Heilbronner Straße mit Tempo 146 statt der vorgeschriebenen 50 km/h.
 
Hochbetrieb an den Starenkästen: 31 stationäre Anlagen gibt es im Stadtgebiet. Das Netz ist besonders entlang der B 14 inzwischen engmaschig. Und wie immer blitzt es besonders dort sehr häufig, wo eine Anlage neu ist. Das gilt auch für das Jahr 2014. Am neuen Standort Schattenring erwischte es allein über 80 000 Autofahrer. 274 000 waren es an allen 31 festen Blitzern, fast ein Fünftel mehr als im Vorjahr. Inzwischen gehen die Zahlen am Schattenring wieder zurück. „Die Anlagen zeigen die gewünschte Wirkung. Die deutlich überhöhten Geschwindigkeiten vor dem unfallträchtigen Kurvenbereich haben stark abgenommen“, zieht Elser ein erstes positives Fazit.
 
Blitzlichtgewitter auf der Autobahn: Gut die Hälfte der 1,1 Millionen unliebsamen Fotos wurde an den stationären A-8-Anlagen geschossen. Doch auch bei mobilen Kontrollen der zuständigen Autobahnpolizeireviere gab es viele Ertappte. Exorbitant hoch sind nach wie vor die auf der Autobahn gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitungen. So brachte es ein Autofahrer in Höhe Möhringen auf 239 Sachen, ein anderer war auf der A 81 mit 233 Stundenkilometern unterwegs. Erlaubt sind jeweils 120.
 
Weitere Blitzer geplant: Auf der Autobahn stehen inzwischen alle geplanten Anlagen. Doch die Stadt Stuttgart hat derzeit zumindest einen weiteren Standort an der B 14 im Blick. Der Schwanenplatztunnel an der Grenze nach Bad Cannstatt wird im Zuge des Baus des Rosensteintunnels saniert. Bei dieser Gelegenheit sollen auch feste Blitzer aufgebaut werden. Das dürfte aber erst Ende 2016 so weit sein. „In diesem Jahr passiert dort definitiv nichts mehr“, sagt Elser. Autofahrer können an dieser Stelle durchatmen – und sich ansonsten öfter mal einen Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige gönnen.
 
 

Unfallzahlen gehen zurück

Seit die vier neuen stationären Autobahn-Blitzer entlang der A 8 stehen, schießt die Zahl der erwischten Fahrer in die Höhe. Das wirkt sich auch massiv auf die Landesbilanz aus. Auf den Autobahnen in Baden-Württemberg sind 2014 zwar bei mobilen Kontrollen weniger Geschwindigkeitsverstöße festgestellt worden, „durch die Einrichtung der stationären Anlagen wurde dieser Rückgang aber mehr als ausgeglichen“, sagt Wilfried Schramm, Leiter der Zentralen Bußgeldstelle in Karlsruhe. 960 000 Verfahren sind im vergangenen Jahr landesweit wegen Tempoverstößen auf den Autobahnen eingeleitet worden – stattliche 370 000 mehr als noch 2013. Der Anstieg geht allein auf das Konto der Stuttgarter Autobahnblitzer. Landesweit gab es rund 12 000 Fahrverbote, etwa so viele wie im Vorjahr. Die Zahl der Verwarnungsgeldbescheide hat die Rekordmarke von 850 000 erreicht.

Für die Landeskasse lohnen sich die Anlagen. Die vier Stuttgarter Autobahnblitzer haben im vergangenen Jahr Einnahmen in Höhe von 11,1 Millionen Euro aus Verwarnungen und Bußgeldern gebracht. Auch die Stadt Stuttgart kann sich über die Einkünfte durch ihre Blitzanlagen nicht beklagen: Sie betrugen in den vergangenen Jahren regelmäßig über 20 Millionen Euro pro Jahr, die Kosten liegen nur bei rund der Hälfte dieses Betrages.

Hauptgrund für die immer neuen Überwachungsanlagen ist laut Behörden die Unfallverhütung. Ob dieses Ziel auf der A 8 bereits erreicht wird, lässt sich schwer sagen. Die Polizei will die Lage eine Weile beobachten, bevor sie Schlüsse zieht. Klar ist allerdings: Seit die Blitzer stehen, gehen die Unfallzahlen zurück. Auf dem besonders gefährlichen Abschnitt zwischen dem Stuttgarter Kreuz und dem Echterdinger Ei hat es noch 2012 stolze 372 Unfälle mit 66 Verletzten gegeben. 2013 waren es noch 171 Unfälle mit 48 Verletzten. Im vergangenen Jahr hat es dort nur noch 151-mal gekracht, dabei wurden 45 Menschen verletzt. 2012 lag die Zahl allerdings wegen einer Baustelle besonders hoch. Nicht wenige Autofahrer bezweifeln jedoch, dass die Säulen überhaupt zur Unfallvermeidung beitragen: Sie sehen durch abruptes Abbremsen eher die Gefahr eines gegenteiligen Effekts. (jbo)