Auf dem Balkon des alten Reichstagspräsidentenpalais gehen die Gespräche weiter. Auf dem Foto von links nach rechts: Anton Hofreiter (Grüne), Christian Lindner (FDP), Volker Bouffier (CDU) und Reinhard Bütikofer (Grüne) Foto: dpa

Die Jamaika-Partner geben weiterhin nur sehr vage Bekenntnisse ab – diesmal in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft. Auch die in Stuttgart diskutierte Blaue Plakette ist ein Thema.

Berlin - CDU, CSU, FDP und Grüne sind am Donnerstag nach achtstündigen Sondierungen ohne eine formelle Einigung in zentralen Politikbereichen auseinandergegangen. Teilnehmer betonten zwar, die Diskussion sei sachlich gewesen. Doch weder zu Außenpolitik und Verteidigung noch zur Familien-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik wurden Ergebnisse vorgelegt. Am Mittag präsentierten die Generalsekretäre lediglich ein gemeinsames Papier zu den Themen Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das vor allem offene Punkte auflistet. Begleitet wurde der Verhandlungstag von atmosphärischen Spannungen und Gereiztheiten. Geplant sind nun neue Gesprächsformate und mehr Spitzenrunden. Vor allem Unionsvertreter bezeichneten das bisherige Verfahren der Abstimmung als zu schleppend.

FDP-Verhandlungsführer Michael Theurer sah in der Verkehrspolitik zumindest bei drei Oberzielen Einigkeit: „Wir wollen saubere Luft, wir wollen Grenzwerte einhalten und Fahrverbote vermeiden.“ Bei den Maßnahmen, wie das zu erreichen ist, herrscht Uneinigkeit. „Die Blaue Plakette ist in den Jamaikagesprächen sehr strittig gewesen“, sagte CDU-Chefverhandler Thomas Strobl dieser Zeitung. Da dies „schon bei den Koalitionsverhandlungen in Baden-Württemberg der Fall“ gewesen sei, schlägt der Vizeministerpräsident das grün-schwarze Modell aus Stuttgart zur Lösung auch im Bund vor: „Im Südwesten haben wir einen Weg gefunden – mit großzügigen Ausnahmen für Handwerk und Wirtschaft und langen Übergangsfristen bis zu einer tatsächlichen Marktdurchdringung von 80 Prozent aller Fahrzeuge über Nachrüstungen und neue, extrem emissionsarme Motoren.“

Minimalkonsens zu landwirtschaftlichen Themen

Während der frühere Verkehrsminister Alexander Dobrindt als CSU-Verhandlungsführer die Plakette als andere Form eines Fahrverbots sieht und strikt ablehnt, möchte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter gerade damit pauschale Verbote verhindern. „Erstens brauchen die Kommunen ein wirksames Instrument zur Luftreinhaltung – und das ist vor allem die Blaue Plakette“, so Hofreiter: „Zweitens muss die Autoindustrie dreckige Diesel mit Hardware nachrüsten.“

Ernüchtert reagierten die Grünen auch auf den Minimalkonsens zu landwirtschaftlichen Themen. Ob er mit dem vorliegenden Papier zur Agrarpolitik auf einem Parteitag bestehen könne, wurde der Schleswig-Holsteiner Robert Habeck am Donnerstag gefragt. „So noch nicht“, lautete die kurze Antwort des Kieler Umweltministers: „Wir haben keine einzige Maßnahme, nur eine schöne Skizze.“

Wobei das Wort „Skizze“ schon hochgegriffen ist. Denn einig sind sich die Parteien allein darin, dass Umwelt- und Tierschutz wichtige Bestandteile der Landwirtschaft sind. Was das konkret bedeutet, blieb offen. Es liege noch ein „schwieriges großes Werkstück“ vor den Jamaikasondierern, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

Das ist fraglos richtig, wie der Schlagabtausch zwischen Scheuer und Michael Kellner, dem Bundesgeschäftsführer der Grünen, zeigte. „Wir schützen die Bauern. Wir sind stolz auf die Landwirtschaft“ – damit hatte Scheuer sein Statement begonnen. Worauf Kellner erwiderte: „Wir schützen die bäuerliche Landwirtschaft, die Bienen und nicht die Agro-Industrie.“ Deshalb, so Kellner, sei es bemerkenswert, was die Sondierung erreicht habe. Gemeinsam sei nun anerkannt, dass „wir eine andere Politik wollen“. Es gehe darum, Ackergifte zu reduzieren, den Tieren mehr Platz im Stall zu verschaffen und ein Tierwohllabel für Lebensmittel einzuführen. Als Kellner vortrug, verdüsterte sich Scheuers Miene, bis er Kellner ausdrücklich widersprach. Der habe nur das Grünen-Programm vorgetragen. Scheuers Einspruch war ein Novum. Bisher hatten sich die Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grünen auf den Pressekonferenzen nach den Sondierungsrunden nicht beharkt.