Ex-Fifa-Chef Blatter, suspendierter Uefa-Präsident Platini (re.): Abpfiff Foto: dpa

Wer in die Keksdose greift, riskiert, dass ihm jemand auf die Finger klopft. Jetzt hat es zwei Leuchttürme des internationalen Fußballs erwischt. Joseph Blatter und Michel Platini. Das Mitleid hält sich in Grenzen.

Stuttgart - Dass sie so kurz vor Weihnachten keine Polonaise mehr mit der Ethik-Kommission starten würden, war irgendwie klar. Dass die Hüter von Recht und Moral beim Welt-Fußballverbands (Fifa) aber derart humorlos urteilen würden, trieb Joseph S. Blatter (79) und Michel Platini (60) erst einmal die Farbe aus dem Gesicht. Wenn eine höhere Instanz das Urteil nicht noch kassiert, werden sich die beiden in den kommenden acht Jahren ihre Tickets selber kaufen müssen, um zu sehen, was sie am meisten mögen: Fußball. Ansonsten sind sie auf den Sportplätzen der Welt so willkommen wie das Abstiegsgespenst.

Und das alles, weil sie mit einem Deal aufflogen, den sie 1998 eingefädelt und 2011 zu Ende gebracht hatten. Michel Platini, einst Ziehsohn und Kronprinz des Alleinherrschers auf dem Fifa-Thron, kassierte 1,8 Millionen Euro für eine vierjährige Beratertätigkeit in Diensten des Welt-Fußballverbands. Dumm nur, dass bis heute niemand so richtig sagen kann, wofür genau. Auf schriftliche Abmachungen hatten die beiden verzichtet. Anrüchiges vermögen die beiden trotz allem bis heute nicht darin zu erkennen. Jetzt kommt es knüppeldick.

Bitter für Blatter, unerträglich für Platini

Das ist natürlich bitter wie Galle für Jospeh S. Blatter, dem es nach 41 Jahren noch nicht einmal mehr vergönnt sein wird, seine Ära beim Fifa-Kongress am 26. Februar nächsten Jahres selbstredend zu beenden. Und es ist unerträglich für den stolzen Franzosen Michel Platini, Präsident der europäischen Fußball-Union (Ufea) und einer der weltbesten Fußballer bis heute. „Sein Handeln entbehrte ethischen Verhaltens, verstieß gegen die anwendbaren Gesetze und zeugte von einem Missbrauch seiner Stellung“, schrieben ihm die Ethiker ins Zeugnis. Den Vorwurf der Korruption gegen Blatter hielten die Fifa-Richter zwar nicht mehr aufrecht, sie reden aber von einem Interessenskonflikt, von der Annahme und Gewährung von Geschenken und sonstigen Vorteilen. Blatter muss 48 000 Euro Strafe zahlen, Platini soll 77 000 Euro überweisen. Und sei das alles nicht schon schlimm genug, ermittelt gegen Blatter noch die Schweizer Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der „ungetreuen Geschäftsbesorgung“.

Natürlich wollen die Delinquenten die Urteile anfechten. Weshalb Blatter noch am Montagmorgen leicht derangiert mit unrasiertem Gesicht und einem Pflaster unterm Auge seinen Konter mit einem Zitat von Nelson Mandela einleitete: „Es geht um Menschlichkeit.“ Dann ereiferte sich der Schweizer über die Ethik-Kommission und deren Vorsitzenden, den Münchner Richter Hans-Joachim Eckert. „Wir werden als Lügner hingestellt.“ Es sei eine Schande. „Ich werde kämpfen, für mich, für die Fifa, für Gerechtigkeit“, schimpfte Blatter. Platini sprach von einer „Farce und einer Inszenierung“. Es sei ein erbärmliches Urteil.

Dekadentes Königreich

Sollte irgendwann jemand nach Stoff für eine neuzeitliche Tragikkomödie forschen, im Welt-Fußball wird er fündig. Die Freunde, die im Streit um das höchste Funktionärsamt im Weltfußball zu erbitterten Feinden wurden, gehen als traurige Gestalten unter mit ihrem Königreich, das an Dekadenz fast alles zu bieten hatte. Aber beide behaupten unverdrossen von Raffgier, gekauften Stimmen, manipulierten Wahlen, Schmiergeldern und Bestechungsgeschenken nichts gewusst zu haben.

So recht will ihnen das niemand abnehmen. Auch nicht der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der allerdings selbst wenig Grund hat mit dem Finger nach Zürich zu zeigen. DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball forderte grundlegende Weichenstellungen, in struktureller und personeller Hinsicht. Wohl auch in der Hoffnung, der gestürzte König möge mit seiner Drohung nicht recht behalten. „Ich komme wieder. Es ist noch nicht zu Ende.“