Joseph Blatter bei seiner Pressekonferenz in Zürich. Foto: dpa

Die einst mächtigsten Männer des Weltfußballs stehen vor dem Ende ihrer Karrieren. Sowohl Joseph Blatter als auch Michel Platini werden von der Ethikkommission für acht Jahre gesperrt. Beide sehen sich als Opfer und ziehen vor den Internationalen Sportgerichtshof.

Zürich - Unrasiert und gezeichnet von einem Pflaster unter dem Auge sprach Joseph Blatter nach dem wohl schwärzesten Tag seiner Funktionärslaufbahn von einer „Schande“, der ebenfalls tief gefallene Michel Platini echauffierte sich über eine „Farce“. An einem denkwürdigen Tag erhielten die vielleicht mächtigsten Männer im Weltfußball von der FIFA-Ethikkommission die Rote Karte.

Sowohl Weltverbandschef Blatter als auch UEFA-Präsident Michel Platini wurden am Montag wegen ihres dubiosen Zwei-Millionen-Deals aus dem Jahr 2011 für acht Jahre gesperrt.

Ein Urteil, das sowohl Blatter als auch Platini anfechten wollen. „Ich werde kämpfen, für mich, für die Fifa. Ich werde für Gerechtigkeit kämpfen, so wie ich es in den letzten 41 Jahren gemacht habe. Es ist noch nicht zu Ende. Ich komme wieder“, kündigte ein fahrig wirkender Blatter auf einer Pressekonferenz in Zürich an. Er werde das Fifa-Berufungskomitee einschalten, vor den Internationalen Sportgerichtshof ziehen und womöglich die Schweizer Gerichte bemühen.

Platini spricht von „Inszenierung“

Auch Platini, der am 26. Februar 2016 auf dem Fifa-Kongress Thronfolger Blatters werden wollte, kündigte weitere Schritte an. Dieses Urteil sei schon vor Monaten geschrieben worden. „Es überrascht mich nicht“, sagte der frühere französische Ausnahmefußballer und sprach von einer „Inszenierung“ und einem „erbärmlichen Urteil“, das zum Ziel gehabt habe, ihn aus dem Weltfußball zu beseitigen.

Blatter und Platini - einst eng verbunden und inzwischen längst zerstritten - sehen sich als Opfer der Fifa-Justiz. „Wir werden als Lügner hingestellt“, schimpfte Blatter auf die Ethikkommission, die er einst selbst auf den Weg gebracht hatte: „Sie hat nicht das Recht, den Fifa-Präsidenten abzusetzen. Das darf nur der Fifa-Kongress.“

Es ist die Selbstwahrnehmung eines 79-Jährigen, die es wohl auch verbietet, eigene Fehler einzugestehen. Weder Blatter noch Platini sehen etwas Anrüchiges daran, dass im Jahr 2011 zwei Millionen Schweizer Franken für Honorartätigkeiten aus den Jahren 1998 bis 2002 den Besitzer wechselten. Ein Millionen-Geschäft, für das es nicht einmal einen schriftlichen Vertrag gibt und das sogar Gegenstand von Untersuchungen der Schweizer Bundesanwaltschaft ist, die unter anderem wegen des Verdachts der „ungetreuen Geschäftsbesorgung“ ermittelt. Blatter und Platini führen an, hochrangige Exekutivmitglieder von Fifa und UEFA hätten davon gewusst.

Ethikkommission: Keine Grundlage für die Zahlung

Die Ethikkommission unter Vorsitz des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert wollte dieser Argumentation nicht folgen. Es habe keine rechtliche Grundlage für die Zahlung gegeben, hieß es in der Urteilsbegründung. Zwar wurde der Vorwurf der Bestechung und Korruption fallengelassen, dafür beanstandete die Kommission bei beiden Spitzenfunktionären einen Interessenskonflikt sowie die Annahme und Gewährung von Geschenken und sonstigen Vorteilen.

Außerdem hätten sowohl Blatter als auch Platini ihre Treuepflicht gegenüber der Fifa verletzt und gegen allgemeine Verhaltensregeln verstoßen. Dazu muss Blatter eine Geldstrafe von 50 000 Schweizer Franken zahlen, Platini wurde mit 80 000 Schweizer Franken belegt.

Dem Vorwurf, die zwei Millionen Schweizer Franken seien für Platinis Hilfe bei Blatters Wiederwahl als Fifa-Boss im Jahr 2011 gewesen, trat der Schweizer entschieden entgegen. „Warum sollte ich Stimmen der Europäer kaufen? Ich brauchte keine Stimmen. Ich hätte sowieso gewonnen“, sagte der Machtmensch, der seit 1998 an der Spitze der Fifa wirkte und bislang noch jeden Skandal überstanden hatte.

Die Fifa-Ethikhüter reagierten mit Befremden auf die heftige Kritik von Blatter. Die subjektive Einschätzung eines Verurteilten laufe fast zwangsläufig konträr zu demjenigen, der ihn verurteilt habe, hieß es aus Quellen, die der Ethikkommission nahestehen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.

Blatter führte die Fifa wie sein Königreich

Wie ein Alleinherrscher hatte Blatter die Fifa jahrelang geführt. Noch im Mai hatte er sich an seinen Posten geklammert und als Präsident dank der Stimmen aus Afrika und Asien wiederwählen lasen. Erst als der Druck der Behörden zu groß wurde, kündigte Blatter doch seinen Rückzug an. Er habe doch Verantwortung längst übernommen, behauptete Blatter am Montag. Am 26. Februar wollte er das Amt - notgedrungen - an seinen Nachfolger übergeben.

Großer Favorit auf das Spitzenamt war lange Zeit Platini. Dies dürfte nun hinfällig sein, zumal er auch noch den notwendigen Integritätscheck bestehen muss. Fraglich ist auch, ob er überhaupt noch genügend Stimmen auf sich vereinigen könnte. Der englische Verband hatte bereits angekündigt, Platini nicht zu unterstützen.

Für DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball kamen die Sperren „im Rahmen der Erwartungen“. Der Austausch von Köpfen reiche aber nicht aus, sagte Rauball in einer DFB-Mitteilung. „Es geht darum, verloren gegangenes Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Dies wird ohnehin Jahre dauern.“

Auch die UEFA wird einen neuen Präsidenten suchen müssen. Für die Fifa-Wahl hatte der Kontinentalverband bereits seinen Generalsekretär Gianni Infantino als Ersatzkandidaten aufgestellt. Noch will die UEFA aber nicht von ihrem Präsidenten abrücken: „Die UEFA unterstützt Michel Platinis Recht auf ein ordentliches Verfahren und die Möglichkeit, seinen Ruf wiederherzustellen“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Man sei „natürlich extrem enttäuscht“ über die Entscheidung.

Das sei kein guter Tag für den Fußball, ergänzte Blatter in einer Mischung aus Trotz und Selbstmitleid. Der Ethikkommission sprach er Menschlichkeit ab und monierte „Kollateralschäden außerhalb der Fifa“. Seine Tochter Corinne, die neben ihm auf dem Podium saß, und seine Freunde seien gemobbt worden.