Alles andere als unkompliziert: Hunter Hunt-Hendrix (zweiter von rechts) mit seiner Band Liturgy Foto: Erez Avissar

Das US-Quartett Liturgy wirft viele Fragen auf. Manchmal auch nur, um nicht auf die wichtigste davon antworten zu müssen: Black Metal, Kunst, Avantgarde oder selbstgerechter Quatsch? Am Freitag tritt die Band in der Manufaktur in Schorndorf auf.

Black Metal – seit jeher der lärmgewordene Gegenentwurf zum vermeintlich Schönen oder Gängigen, war immer darauf angelegt, anders oder zumindest vehement dagegen zu sein. Gegen Kirche, gegen gängige Moral, gegen Normen und natürlich gegen den Mainstream. Beliebte Stilmittel: infernalischer Lärm, Hass und Provokation – manchmal auch nur um der Provokation Willen.

Als Bands wie Venom oder Celtic Frost in den frühen 1980er Jahren die Anfänge machten, waren Okkultismus und Blasphemie eine gute Lösung. Als 1987 Mayhem in Norwegen den Grundstein für die heutige Szene legten, musste es schon Menschenhass sein – inklusive Kriegsbemalung, dem sogenanntem Corpsepaint, um nochmals gesondert darauf hinzuweisen, dass man sich tatsächlich im ständigen Krieg gegen alles und jeden befinde. Doch spätestens als zu Beginn der 1990er in Norwegen Kirchen brannten und Menschen getötet wurden, hatte sich die elitäre Szene selbst überholt – ideologisch und auch musikalisch war das Maximum an Brutalität ausgeschöpft.

Liturgy aus Brooklyn gehören wie Wolves In The Throne Room, Krallice oder Deafheaven zur mindestens vierten Generation von Black-Metal-Bands. Liebe und Wertschätzung erfahren sie allerdings nicht von der Szene, sondern vielmehr von Musikliebhabern, Theoretikern oder Jugendlichen, denen die musikalische Radikalität imponiert. Von der Szene werden sie regelmäßig als „Hipster oder „Feuilletonfutter“ verhöhnt. Auch weil Black-Metal-Fans bei aller Liebe zur Provokation eines nicht ertragen können: selbst provoziert zu werden.

Liturgy, beziehungsweise deren Kopf Hunt Hunter-Hendrix, bedient sich der musikalischen Stilmittel des Genres, lässt aber die Äußerlichkeiten weg und erweitert das Portfolio dafür durch Post-Hardcore, Shoegaze, Progrock, und Ambient-Musik. Noch gewagter scheint die ideologische Herangehensweise von Hunter-Hendrix: er redet von „Transcendental Black Metal“, der nicht Tod und Hass, sondern das Leben thematisiere – und um das zu unterstreichen verfasste er gar ein eigenes Manifest.

Mit ihrer vierten Platte „The Ark Work“ erreichen Liturgy vorerst das eigene Maximum: kein Geschrei, klarer Gesang, Synthie-Sounds, Fanfaren, Glockenspiel und beinahe unverzerrte Gitarren. „Magnum Opus“ rufen die Bescheidwisser, „Mist“ die anderen Experten.

Natürlich ist das oft eine gehörige Schippe an prätentiösem Mist, den Bandkopf Hunt Hunter-Hendrix da von sich gibt. Da werden Lyriker und Autoren wie Walt Whitman, William S. Burroughs und David Foster Wallace als Referenz bemüht, transzendiert, meditiert, mit dem Hintern voraus in alle Mythologien der Weltgeschichte gesprungen, unentwegt die eigene Kreativität gepriesen und sich bereitwillig zum Kunstobjekt stilisiert – inklusive Auftritt im Museum Of Modern Art in New York.

Hunter-Hendrix selbst lässt sich ebenfalls gerne als Denker und Erneuerer herumreichen. Nicht schlecht für einen, der einst mit dem Handy Wolken aus einem Flugzeug fotografierte und das Bild derart wertvoll fand, dass er es zum Cover der ersten EP „Immortal Life“ machen musste.

Letztendlich sind Liturgy, beziehungsweise „The Ark Work“ tatsächlich hochgradig musikalisch, spannend und auch fordernd. „Reign Array“ oder „Father Vorizon“ beispielsweise sind prachtvolle Brocken von Musik und tatsächlich eine Weiterentwicklung des Black Metal. Wie herzerwärmend sich das vorantreiben lässt, zeigten in der Vergangenheit allerdings auch Bands wie Amesoeurs, Enslaved oder Darkthrone. Doch mit etwas weniger Wohlwollen können groteske Stücke wie „Kel Vahal“ oder „Follow“ auch gleichermaßen als der Versuch durchgewunken werden, dem Mittelmaß durch nervtötende Störgeräusche eine Aura des Besonderen zu erschwindeln.

Vielleicht war es Hunt Hunter-Hendrix schlauster Trick, sich selbst ein eigenes Manifest daher zu fabulieren und einfach eine eigene „Szene“ zu erfinden. Da ist ihm die Liebe sicher.

Liturgy spielen an diesem Freitag um 20:30 Uhr in der Manufaktur in Schorndorf. Tickets unter: www.club-manufaktur.de