Das seltene Bergkronwicken-Widderchen, auch Glückswidderchen genannt, fühlt sich im Wald des Lenninger Reviers so richtig wohl. Foto: Landkreis Esslingen

Durch die Biotop-Pflege im Rahmen eines Artenschutzprogramms ist es gelungen, im Forstrevier Lenningen den Bestand an Bergkronwicken zu fördern und damit für seltene, stark gefährdete Schmetterlingsarten eine Lebensgrundlage zu schaffen.

Lenningen - Kaum zu glauben, aber im Forstrevier Lenningen sind Widder unterwegs. Zumindest Widderchen. Dabei handelt es sich aber nicht etwa um eine kleine Art der gehörnten Schafe, sondern um eine sehr seltene Schmetterlingsart. Diese ist dort am Albtrauf heimisch und fühlt sich dank einer intensiven Biotop-Pflege durch den Landkreis Esslingen und ein Artenschutzprogramm des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart äußerst wohl.

Laut einer Mitteilung aus dem Landratsamt befinden sich im Forstrevier Lenningen eine Vielzahl von Sonderstandorten, die das Areal zu einem „wahren Hotspot“ für seltene Tier- und Pflanzenarten mache. Zum Beispiel für das Bergkronwicken-Widderchen, einen extrem seltenen Falter, dessen Population sich in den vergangenen Jahren am Albtrauf als sehr stabil erwiesen hat. Der Biologe Matthias Dolek, der vom RP beauftragt ist, die Umsetzung des Artenschutzprogramms im Lenninger Forst fachmännisch anzuleiten, war auf jeden Fall „sehr begeistert“, dem Bergkronwicken-Widderchen ansichtig zu werden. Ihm persönlich gefalle die in Baden-Württemberg wenig geläufige Bezeichnung Glückswidderchen besser, erklärt er auf Anfrage unserer Zeitung.

„Weltweit einmaliges“ Elegans-Widderchen

Und tatsächlich ist es ein Glück, auf diese Schmetterlingsart zu stoßen, deren Raupen sich bevorzugt von den Blättern der Bergkronwicke ernähren und die darauf auch ihre Eier ablegt. Es bedürfe allerdings schon einer intensiven Landschaftspflege, um diese bevorzugt in steilen Kalkschutthalden wachsende Pflanze zum Keimen zu bringen, sagt Matthias Dolek. In diesem Terrain könne sich nur karge Vegetation halten, womit dieses ein El Dorado für lichtliebende Spezialisten der Tier- und Pflanzenwelt sei.

In den Kalkschutthalden im Staatswald nahe Schlattstall sei es sehr gut gelungen, die Bergkronwicke zu fördern und gleichzeitig zu verhindern, dass sie durch die Konkurrenz der anderen Vegetation zurückgedrängt werde. Die Biotoppflege gleicht freilich einer Gratwanderung. Denn die Kunst bestehe darin, die Flora „sehr vorsichtig auszulichten“, um den Bergkronwicken genug Sonne zu verschaffen, aber der übrigen Vegetation nicht zu viel Licht anzubieten, erklärt Matthias Dolek. Das Ziel, die Futterpflanze zu verbreiten, um den Schmetterlingen größere Populationen zu ermöglichen, sei gut umgesetzt worden. Auf einer Teilfläche, wo bereits vor zwei Jahren Pflegemaßnahmen veranlasst worden seien, hätten sich zahlreiche neue kleine Bergkronwicken entwickelt. Die behutsame Erweiterung der Fläche findet auch die Zustimmung des Lenninger Försters Alexander Klein.

„Das ist hier ein Riesenerfolg“, lobt Matthias Dolek und er zeigt sich sehr davon angetan, dass sich mit dem Elegans-Widderchen ein weiterer seltener Schmetterling angesiedelt hat, weil man ihm seine Laub-Leibspeise Bergkronwicke kredenzt. Die Form des Elegans-Widderchens, die Matthias Dolek dort entdeckt hat, sei „weltweit einmalig“, gerät der Biologe regelrecht ins Schwärmen. Sowohl das Glücks- als auch das Elegans-Widderchen finden sich auf der Roten Liste der stark gefährdeten Insektenarten. Der Bestand nimmt laut den Naturschützern insgesamt ab, da durch die Stickstoffdüngung und die intensivierte Nutzung der Wiesen durch die Landwirtschaft immer mehr Raupennährpflanzen verschwinden. Auch durch Trockenlegung feuchter Wiesen und durch den Verlust weiterer Biotope wie Hecken und Magerrasen werde ihr Lebensraum immer weiter eingeschränkt.

Der Alpenbock kann sich optimal entwickeln

Im Rahmen der Pflegemaßnahmen im Lenninger Forstrevier – sozusagen im Widderchen-Windschatten – werden indes zahlreiche weitere seltene Tier- und Pflanzenarten mitgefördert. Ob zottige Mauerbiene, Pfingstnelke, Uhu, das zur Orchideen-Familie zählende Rote Waldvögelein oder der Alpenbockkäfer – sie alle profitieren von dem Artenschutzprogramm. Eigens für den prächtigen Alpenbock seien bei der Fällung von der Sonne beschienene hohe Buchenstöcke stehen gelassen worden. An diesen fänden die wärmeliebenden Larven das passende Mikroklima, um sich optimal entwickeln zu können.

Förster Alexander Klein arbeitet bei der Planung und Umsetzung von Pflegmaßnahmen seit vielen Jahren Hand in Hand mit dem Naturschutzzentrum Schopflocher Alb und dem RP. Engagements wie im Lenninger Forstrevier sind für Anton Watzek, den Leiter des Kreisforstamts angesichts des rasanten weltweiten Artenrückgangs absolut geboten: „Der Wald ist für viele Tier- und Pflanzenarten ein naturnaher Lebens- und Rückzugsraum, den es zu pflegen und zu erhalten gilt.“