Bill Murray als schweigsamer Whisky-Trinker in Sofia Coppolas Spielfilm-Drama „Lost in Translation“ (2003) Foto: Imago

Der Schauspieler Bill Murray ist ein Meister der lakonischen Mienen und der feinen Regungen. Zu seinem 70. Geburtstag am 21. September haben wir 7 große Auftritte ausgewählt.

Stuttgart - Er hätte in Hollywood eine große Karriere machen können, doch der Schauspieler und Komödiant Bill Murray hat den Ruf, wählerisch zu sein: Er verzichtet auf Agenten und Manager, und wenn er gerade keine Lust hat, ist er einfach nicht zu erreichen. Zu Ruhm hat er es trotzdem gebracht – und zu sehenswerten Filmen. Hier sind sieben herausragende:

1. Lost in Translation (2003)

Der alternde Star Bob Harris (Bill Murray) lebt von Whiskey-Reklame. Er dreht in Tokio Spots, die ihm nichts abverlangen, und verbringt die Abende sprachlos in der Hotelbar. Dort begegnet er der Kindfrau Charlotte (die 19-jährige Scarlett Johansson), die ihren Freund nach Japan begleitet hat. Während dieser arbeitet, versinkt sie in der Leere des Hotels im adoleszenten Grübeln über ihre Bestimmung. Die Regisseurin Sofia Coppola lässt den verlorenen Seelen Zeit, zueinander zu finden. Vorsichtig erforschen sie, was sie verbindet, und pflegen das Gefundene behutsam, anstatt sich einer in der Luft liegenden Amour fou hinzugeben. Murray, der immer dann am besten ist, wenn er nicht komisch sein muss, es aber darf, spielt hier vielleicht die Rolle seines Lebens – und bringt seine lakonische Figur mit minimalen Regungen zum Funkeln.

2. Und täglich grüßt das Murmeltier (Groundhog Day, 1993)

Wie jedes Jahr muss der zynische Fernseh-Meteorologe Phil Connors (Bill Murray) aus Pittsburgh zum „Groundhog Day“ nach Punxsutawney, Pennsylvania, bei dem am 1. Februar anhand eines Murmeltiers die Länge des Winters vorhergesagt wird. Er verachtet alles an diesem Termin, die Umstände, die Menschen, und gerät ausgerechnet dort in eine Zeitschleife. Er wacht nun jeden Morgen erneut am „Groundhog Day“ auf – ein Albtraum. Entkommen kann Phil in Harold Ramis‘ Komödie nur, wenn er sich vom Misanthropen zum Menschenfreund wandelt – was in diesem Fall bedeutet, das Herz einer emotional anspruchsvollen Frau (Andie MacDowell) zu gewinnen. Bill Murray verkörpert diese Transformation mit cholerischen Anflügen, Verzweiflung und der wachsenden Einsicht, welche Chance in der Selbstkultivierung liegt: Er lernt Bildhauerei, Französisch und Klavierspielen – sowie Charme und soziale Kompetenz, die ihm zuvor komplett fehlten.

3. Broken Flowers (2005)

Um einen vor 20 Jahren angeblich gezeugten Sohn zu finden, klappert der alternde Lebemann Don Johnston seine Verflossenen von damals ab: Die Stilberaterin Laura (Sharon Stone) bugsiert ihn ins Bett, bei Dora (Frances Conroy), einst Hippie-Mädchen, nun antiseptische Immobilienmaklerin, herrscht Beklemmung. Die Tier-Psychologin Carmen (Jessica Lange) komplimentiert den spöttelnden Eindringling schnell wieder hinaus, und bei Penny (Tilda Swinton), einer abgehalfterten Autoschrauber-Braut, kassiert er gar Prügel. Jim Jarmusch („Down By Law“), ein Meister der vielsagenden Sprachlosigkeit, hat in Bill Murray einen idealen Hauptdarsteller gefunden. Angesichts all der fremden Lebensentwürfe drängt sich dem Egozentriker Don unweigerlich die Frage nach seinem eigenen auf, und in minimalen Gesten, wenigen Worten tritt eine ungestillte Sehnsucht zu Tage. Wie Suchscheinwerfer tauchen die Lebensabschnittsgefährtinnen die innere Leere dieses in Karriere und Bindungsunfähigkeit erstarrten Sofasitzers in ein gleißendes Licht. Die tröstliche Antwort auf die Sinnfrage: Es ist nie zu spät.

4. Ghostbusters (1984)

Der Schauspieler und Autor Dan Aykroyd hatte die Rolle des Ober-Geisterjägers Peter Venkman seinem Co-Blues Brother John Belushi auf den Leib geschrieben. Nach dessen frühem Drogentod bekam Bill Murray den Part, und er stach in der überdrehten Fantasy-Komödie heraus als eloquenter Charmeur mit hintergründigem Humor. Fast alle zündenden Gags gehören Murray, der Venkman mit einem unterschwelligen Charisma ausstattet, dem sich auch die toughe Sigourney Weaver nicht entziehen konnte. Sie spielt eine von einem Dämonen besessene Frau, mit der Venkman in einer Szene spricht wie mit einem unartigen Kind.

5. Moonrise Kingdom (2012)

Ein Pfadfinderlager auf einer entlegenen Insel vor Neuengland, eine sehr junge Liebe und zwischenmenschliche Verwirrungen: Eine eigenartige Stimmung herrscht in Wes Andersons Märchen über das Heranwachsen. Bill Murray spielt hier Mr. Bishop, den Vater des Mädchens, das mit einem Pfadfinder durchbrennt. Herrlich verkörpert er einen misstrauischen Zyniker und Choleriker, der sich in Wahrheit kein Stück für seine Familie interessiert, seine Gewaltausbrüche aber auf Dinge beschränkt. Ihm zur Seit steht Frances McDormand als Mrs. Bishop, die permanent Kittelschürze trägt und mit dem Megafon Anweisungen durchs Haus brüllt – köstlich.

6. Die Geister, die ich rief (Scrooged, 1988)

Charles Dickens’ „Christmas Carol“ von 1843 über die weihnachtliche Läuterung des Geizhalses Scrooge war lange eher ein angloamerikanisches Phänomen. Bis Richard Donner die Geschichte in der Komödie „Die Geister, die ich rief“ (1988) in die Gegenwart holte. „Cross – a thing they nail people to“ („Kreuz – etwas, woran man Leute nagelt“) steht an der Bürotür des TV-Produzenten Frank Cross, dessen Zynismus und Egozentrik Bill Murray voll auskostet. Doch der materielle wie emotionale Geizhals wird am Weihnachtstag so lange von Geistern heimgesucht, bis er sich vom Ekelpaket zurückverwandelt in den Menschen, der in ihm schlummert. Es war Murrays erste Rolle nach Ghostbusters – er hatte pausiert, weil er den Starrummel als überwältigend empfand. Der deutsche Filmtitel, ein Zitat aus Goethes „Zauberlehrling“, ist ein seltener Glücksfall: Er verbindet Dickens mit dem deutschen Kulturkreis.

7. Rushmore (1998)

Diese subtile Highschool-Komödie über einen aufsässigen Musterschüler (Jason Schwartzman) markiert den Beginn der wunderbaren Freundschaft zwischen Wes Anderson und Bill Murray und bescherte dem Schauspieler ein Comeback als Arthouse-Charakterdarsteller. Er verkörpert Herman J. Blume, Selfmade-Millionär und Vietnam-Veteran, den alles nur noch anödet: Bei der Geburtstagsparty der aus seiner Sicht missratenen Zwillinge raucht und trinkt er, wirft Golfbälle in den Pool und erschreckt die Gäste mit einer Arschbombe. In einer denkwürdigen Rede ermuntert er als Schulsponsor die weniger vermögenden Schüler, jenen aus reichen Elternhäusern die Stirn zu bieten: „They can buy anything, but they can‘t buy backbone.“ („Sie können alles kaufen, aber kein Rückgrat.“)